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Politik unerwünscht Wie Meta politische Berichterstattung auf Facebook und Instagram drosselt

Der Konzern Meta spielt auf seinen Plattformen Facebook oder Instagram politische Inhalte schlechter aus. Warum das einer demokratischen Öffentlichkeit schadet und viel über die Abhängigkeiten von Großkonzernen verrät.

Von: Lukas Unterbuchner

Stand: 23.04.2024

Ein Smartphone mit einer Fehlermeldung bei Facebook | Bild: picture-alliance/dpa

Normalerweise erklärt die Journalistin Nina Poppel auf ihrem Instagram-Kanal Politik. So heißt der Kanal auch: nini_erklärt_politik. Die Politikwissenschaftlerin hat über 220.000 Follower. Vor kurzem trendet sie aber mit einem besonderen Reel: Dieses Mal mit wenig Text – und wenig Stoff: Bauchnabelfrei lehnt sie in dem Kurzvideo lasziv an der Wand. Dazu die Worte:

"Wenn Meta will, dass du dich sexualisierst, damit deine Beiträge als Politikwissenschaftlerin noch ausgespielt werden..."

Nini

Mehr braucht es auch nicht, der Gag zündet, der Insta-Algorithmus hilft mit. Über 36 Tausend Likes. Über Tausend Kommentare. Was Nini mit dem Post anprangert: Eine neue Entscheidung von Meta, dem Unternehmen hinter Instagram und Facebook.

Vor knapp zwei Monaten verkündet Meta nämlich: Politische Inhalte werden in Zukunft gedrosselt. Sie sollen nur noch vom Algorithmus empfohlen werden, wenn ein User dem in den Einstellungen der Plattformen ausdrücklich zustimmt. Ansonsten sieht man solche Inhalte nur noch von Accounts, denen man bereits folgt.

"Aber so funktioniert ja Social Media nicht", sagt Ulla Heinrich, Geschäftsleiterin des feministischen Missy Magazines. Und weiter: "Social Media funktioniert ja so, dass du inspiriert wirst von neuen Dingen, dass du Dinge entdecken kannst. Und wenn du jetzt allen politischen Accounts konkret folgen musst, dann fällt natürlich ein ganz großer Teil von unserer Reichweite weg, nämlich dass wir mit unseren feministischen Inhalten auch Leute erreichen, die sich für das Thema interessieren, aber uns noch nicht folgen. Und das kann jetzt nicht mehr stattfinden. Mit der neuen Regelung. Und Am Ende muss man auch so drastisch werden: Wenn wir unsere journalistischen Inhalte dort nicht mehr ausspielen können. Wenn wir die Leute nicht mehr erreichen, ist das auch demokratiegefährdend."

Konzept gegen politische Desinformation?

Demokratiegefährdend ist allerdings auch politische Desinformation. So kann das Reduzieren politischer Inhalte womöglich auch als Kampf gegen Fakenews verstanden werden. Dazu Leo Braun, Leiter des Social-Media-Teams beim öffentlich-rechtlichen Jugendangebot funk: "Gleichzeitig wurde ja auch immer schon Instagram, Tiktok, Facebook dafür kritisiert, dass eben gerade so emotionalisierende und zugespitzte Inhalte, die vielleicht gar nicht mit der Wahrheit so hundertprozentig viel zu tun haben, von so einem Algorithmus stärker gepusht werden, weil mehr Leute damit interagieren und das eben für eine Debattenkultur jetzt ja dann auch nicht das Beste ist. Deswegen bin ich mir immer so ein bisschen unsicher, ob das am Ende so schlecht wäre, wenn Instagram vielleicht sagt, dass sie weniger politische Inhalte ausspielen wollen."

Was ist bei Meta ein politischer Inhalt?

Das eigentliche Problem dabei: Meta hat eine so schwammige wie weite Definition von „politischen Inhalten“. In der Ankündigung des Unternehmens heißt es, damit sei alles gemeint, was mit Gesetzen, Wahlen oder gesellschaftlich relevanten Themen zu tun hat.

Moment mal: „Alles“? Was auch nur damit „zu tun“ hat? Darunter fällt auch journalistische Berichterstattung. Das Missy Magazine merkt tatsächlich bereits, dass die Reichweite sinkt, genauso der Insta-Kanal „nini_erklärt_politik“.

Und einige Nachrichtenangebote sehen nicht erst seit der neuen Ankündigung ein Problem. Roland Hindl, Leiter des Social-Media-Teams bei BR24: "Also dass Meta journalistische Inhalte ausbremst, merken wir tatsächlich seit mindestens eineinhalb Jahren." Und zwar vor allem bei Facebook, meint Hindl: "Da hat das angefangen, dass Link-Postings zu unseren eigenen Seiten nicht mehr so gut performt haben. Wir haben da Einbrüche im hohen zweistelligen Prozentbereich zu verzeichnen, dann hat Meta den „Newsfeed“ abgeschafft, diesen Nachrichtenfeed, und jetzt ist gefühlt der nächste Schritt. Und das hat uns ziemlich stark getroffen, aber auch sehr viel andere Nachrichten- und Informationsseiten."

Entscheidungen von Privatunternehmen

Dass Meta journalistische Inhalte drosselt, ist also kein Einzelfall. Und findet auch nicht erst seit gestern statt. Jörg Hassler, Kommunikationswissenschaftler an der LMU München, beobachtet und erforscht genau das bereits seit Jahren: "Was wirklich problematisch ist, dass hier ein Privatunternehmen Entscheidungen treffen kann, die die demokratische Öffentlichkeit und das zentrale Entscheidungsmoment in den westlichen Demokratien betreffen. Ein rechtsstaatliches Prinzip wäre, Planungssicherheit herzustellen und zumindest über die Kriterien transparent zu sein, wenn man das zumindest schon anwenden würde, dann wäre das schon mal ein riesiger Schritt."

Planungssicherheit – dafür bräuchte es von Meta auch klare Kommunikation. In welchem Umfang wird die Drosselung bereits angewendet? Ist es Absicht, dass sie auch journalistische Inhalte trifft? Was ist das Ziel? Wie genau können als politisch eingestufte Accounts Einspruch einlegen? Auch auf Nachfrage unserer Redaktion gibt Meta darauf keine konkreten Antworten. Das Unternehmen lässt nur mitteilen, dass bei der Algorithmus-Änderung langsam und mit Bedacht vorgegangen werde. Viele Menschen würden sich wünschen, weniger politische Inhalte zu sehen. Und das Ziel sei letztlich, Usern eine tolle Erfahrung zu bieten.

Ändert sich am Algorithmus am Ende gar nicht so viel?

So weit, so schwammig. Und das hat möglicherweise Methode. Leo Braun, Host vom Podcast „Was die Woche wichtig war“ und Leiter des Social-Media-Teams vom öffentlich-rechtlichen Jugendangebot funk: "Ich kann mir schon vorstellen, dass allein wenn so eine Ankündigung kommt, dass das für Privatpersonen oder vielleicht auch für Aktivistinnen eine größere Herausforderung ist, weil man halt nicht genau weiß, wird dadurch vielleicht mein Kanal runtergerankt oder wird der einzelne Beitrag weniger Leuten angezeigt. Und ich kann mir deswegen vorstellen, dass allein so eine Ankündigung schon eine Wirkung hat, auch wenn es am Algorithmus am Ende gar nicht so viel verändert hat."

Funk selbst merkt noch keine Reichweiteneinbußen durch die neue Regelung - im Gegensatz zum Missy Magazine. Nicht nur auf Insta, auch in der realen Welt. Die Abo-Zahlen sinken. Ohne zahlende Zeitschriften-Abonnent:innen kann das journalistische Magazin nicht weiter unabhängig berichten. Unter anderem deshalb findet Geschäftsführerin Ulla es wichtig, soziale Medien neu zu denken:

"Wir müssen als Gesellschaft drüber reden, welches Internet wir haben wollen und welche sozialen, digitalen Räume wir uns wünschen. Das ist vielleicht eine sehr große und eine sehr utopische Frage, aber wir werden da nicht drum herumkommen, wenn wir nicht großen Firmen alle Entscheidungen über unser Dasein auf diesen Plattformen überlassen wollen, weil wir können da nicht mitreden, gar nicht."

Und mitreden und mitbestimmen, das gehört in einer demokratischen Öffentlichkeit dazu.