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Meinung Dieser Hardstyle-Sommerhit repräsentiert die gottlose Rebellion der Generation Z

Für viele kam der Sommerhit 2023 überraschend: Ein Techno-Remix des Film-Songs "Mädchen auf dem Pferd". Bedeutet die Entscheidung, dass der Techno der 90er ein Revival feiert? So halb. Viel eher repräsentiert die Wahl einen seltsamen Gen-Z-Trend, der in den letzten Monaten Fahrt aufgenommen hat.

Von: Ferdinand Meyen

Stand: 01.09.2023

Mädchen auf dem Pferd | Bild: Youtube

Nervige Sommertrends und die Generation Z, das gehört zusammen wie Hubert Aiwanger und politische Skandale. Letztes Jahr zum Beispiel, als alles nach einem langweiligen Layla-Sommer aussah und die Ikke-Hüftgold-Kulturkampf-Debatte alles zu verschlingen drohte, liefert die Generation Z: Mit einem Revival der deutschen Schlagerband „Die Flippers“ und ihres Hits "Wir sagen danke schön".

Flippers-Revival mit Rave-Ästhetik

Die Flippers waren ab den 60ern eine erfolgreiche deutsche, nennen wir es mal „Band“, nach der Auflösung 2011 und ehrlich gesagt auch schon davor krähte kein Hahn mehr nach ihnen. Und doch schallte einem dieser schreckliche Sound im Sommer 2022 in jedem Park, auf fast jedem Festivalcampingplatz unaufhaltsam entgegen. Das Pop-Verbrechen des letzten Jahres. Dank der Gen Z und dank TikTok, wo die Flippers aus algorithmisch unerklärlichen Gründen viral gingen.

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Die Flippers - Wir sagen danke schoen (ZDF-Fernsehgarten 09.08.2009) (VOD) | Bild: dieflippersVEVO (via YouTube)

Die Flippers - Wir sagen danke schoen (ZDF-Fernsehgarten 09.08.2009) (VOD)

Dieses Jahr wurde das Flippers-Revival aber nochmal übertroffen. Mit einem Fetisch für Techno Cover. Es ist eine Art Rave-Ästhetik, die da gerade zum „jungen“ Sound des Sommers hochstilisiert wird. Und einige der Playlists heißen so, wie sich das Sound- und Lebensgefühl dahinter anfühlt: Gottlose Remixe. Die gottlosen Remixe klingen immer gleich. Ein Pophit aus der Vergangenheit, aber in einer Hardstyle-Bass-Version. Mit dabei zum Beispiel unter anderem „99 Luftballons“ oder Jefferson Airplanes „Somebody To Love“. Selbst ein fünf Jahre alte Hardstyle Remix von einer Abwandlung aus Bud Spencer & Terrence Hill, erfreut sich wieder großer Beliebtheit. Und der Sommerhit des Jahres 2023, er ist irgendwie auch ein gottloser Hardstyle-Remix: Mädchen auf dem Pferd von Luca-Dante Spadafora, Niklas Dee und Octavian.

Musikalische Rebellion

Seit Mädchen auf dem Pferd wird nun spekuliert. Ist Techno 2023 zurück im Geschäft? Feiern Raves, Remixe, die 90er, die Love Parade ihr Comeback? Zunächst Mal: Es ist sehr komplex. Techno war ja schon in den 90ern nicht gleich Techno. Gegen die Love Parade fand zeitgleich eine Fuck Parade statt, die dem Bass-Drum-aufgepumpten Mainstream-Techno etwas Subversives entgegen setzen wollten. Und Techno, das war ja zunächst kein Massending, sondern Underground. Und New Orders Blue Monday zum Beispiel, für viele der Wegbereiter des Techno, hat kaum etwas mit dem zu tun, was viele heute unter Techno verstehen. Also hat der Sommerhit 2023 gar nichts mit Techno zu tun.

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Mädchen auf dem Pferd (Techno) [LIVE Musikvideo] - Luca-Dante Spadafora x Niklas Dee x Octavian | Bild: Luca-Dante Spadafora (via YouTube)

Mädchen auf dem Pferd (Techno) [LIVE Musikvideo] - Luca-Dante Spadafora x Niklas Dee x Octavian

Die Beliebtheit der gottlosen Remixe könnte ohnehin noch einen ganz anderen Grund haben: man kann sie als musikalische Rebellion verstehen. Denn die Hardstyle-Cover sind ja explizit darauf ausgelegt, anderen auf die Nerven zu gehen. Das gleiche Prinzip wie beim Flippers-Revival. Wer anecken will, dreht den Song im englischen Garten laut auf.

Jetzt kann man drüber streiten, ob schlechter Schlager unbedingt sein muss, aber, ey, dieser nervige Bassbeat unter „Somebody to Love“ strapaziert die Grenzen des guten Geschmacks auf noch perfidere Weise, er ist schlecht aber lustig.

Rache an den Eltern?

Und warum auch nicht? Der Generation Z wird doch ständig erzählt, sie seien zu faul, würden viel zu wenig arbeiten, seien zu woke, zu empfindlich, zu schwach. In einer Zeit, in der sich gesellschaftlich und politisch nichts zu verändern scheint, die Welt geradezu no-future-mäßig in den Abgrund rast. Die gottlosen Remixe kann man auch als Rache interpretieren. Hardstyle-Verbrechen gegen Jefferson Airplane und Nena, die Lieblingsbands der Generation, die für die aktuelle Lage verantwortlich ist. Auch die Flippers dürften die Akademiker-Eltern der Generation Zler gehasst haben. Und Bibi und Tina passt genauso in das Schema. Welcher Boomer hat sich das mit den Kindern früher gerne angeschaut?

Die GfK und auch die Produzenten des Songs werden den tieferen Sinn hinter dem neuen Sommerhit wohl kaum verstanden haben. Diesen Mut zur Hässlichkeit, den zieht „Mädchen auf dem Pferd“ aber konsequent durch. Und dazu passt auch, dass Medienberichten zu Folge beim letzten Bibi-und-Tina-Film Kinder schreiend aus dem Kino gerannt sein sollen. Einige Szenen sollen zu brutal gewesen sein. Wie die gottlosen Hardstyle-Remixe.