Zum 60. Geburtstag Warum wir den Superstar-DJ Fatboy Slim lobpreisen sollten
Als Superstar DJ hat Fatboy Slim fast alles erreicht. Zu seinem 60. Geburtstag blicken wir zurück auf eine erstaunliche Karriere, die mit einem christlich-sozialistischem Straßenmusik-Duo ihren Anfang nahm – und in den Charts endete.
Praise You! Genau das wollen wir tun: Fatboy Slim loben und preisen, denn er ist jetzt 60 Jahre alt. Mit 200 Mio Streams ist „Praise You“ sein erfolgreichster Song. Das Stück basiert – wie so vieles bei Fatboy Slim – auf einem Sample. Auf „Take Yo Praise“ von Camille Yarborough, 1975 war das. Und wie so mancher DJ hat auch Fatboy Slim einen Band-Hintergrund: in den 80ern spielte er Bass bei den Housemartins.
Das Straßenmusik Duo Housemartins
Die Housemartins, die Mehlschwalben, begannen als Straßenmusik-Duo, machten Jangle-Pop, zwischen Aztec Camera und The Smiths – mit einem Schuss Blue Eyed Soul. Bassist Norman Cook sagte mal, dass Housemartins-Sänger Paul Heaton Lovesongs hasst und deshalb lieber zornige Polit-Stücke komponiert. Die Gitarren-Band gab sich christlich-sozialistisch: „Take Jesus, Take Marx, Take Hope“ lautet eine Message ihres Debüts. Ihnen gelang das seltene Kunststück, mit einem Acapella-Stück Nummer eins der Charts zu werden.
„Caravan Of Love“ von der US-Funk-Soul-Band Isley Brothers ist noch kein Jahr alt, da covern es die Housemartins – ohne auch nur ein Instrument zu benutzen. Das Video drehen sie in einer Kirche: die Musiker tragen Frisuren mit einrasierten Kreuzen. Nach zwei Studio-Alben lösen sich die Housemartins schon wieder auf. Ein Teil macht weiter als The Beautiful South. Der Bassist Norman Cook wird lieber DJ und Produzent, mit Erfolg: 1990 landet er seinen nächsten Nummer eins-Song.
You've Come A Long Way Baby
Fatboy Slim vor dem Cover von "You've Come A Long Way Baby"
„Dub Be Good To Me“ von Beats International ist im Grunde ein früher Mash-Up: der Text stammt von der S.O.S. Band und ihrem „Just Be Good To Me“, der Basslauf ist von The Clash gerippt und die Mundharmonika von Morricone. Norman Cook gelingt damit einer der ersten Songs, der im Dub-Rhythmus an die Spitze der Charts klettert. 1995 ist es dann so weit für sein Solo-Projekt: Fatboy Slim - ein Name, der, wie er sagt, nicht wirklich etwas bedeutet.
Der Titel des ersten Fatboy Slim-Albums lautet „Better Living Through Chemistry“. Ist das ein Gruß an die Chemical Brothers? Sie stehen zusammen mit Fatboy Slim für den neuen Sound ´Big Beat´. Das meint holprige Hip-Hop-Beats, die beschleunigt und fetter gemacht werden. Wobei Fatboy Slim sich abhebt: Er sucht sich Samples, die man nicht erwartet. In dem bekanntesten Fall beim „Rockafeller Skank“ – der erste große Hit von Fatboy Slim, 1998 war das. Das Album „You´ve Come A Long Way Baby“ bleibt in England 100 Wochen in den Charts. Zur Love Parade 1999, seiner besten Zeit, gibt Norman Cook Interviews in Berlin. Ich bekomme sieben Minuten Zeit und will wissen, wieso das Stück so heißt.
"Rock-Rock-Rockafeller Skank kann vieles heißen: zum Einen: freundliches Entwenden. Ich habe zum Beispiel einiges bei anderen Musikern ‘geskankt’. Und es kommt von ´Boneyard Skank´ einem Reggae-Song von Don Drummond. ‘Boneyard Skank’ ist der coolste Titel, den ich je gehört habe. Und im Reggae hat ‘skank’ noch eine weitere Bedeutung: Es ist der Offbeat-Twang-Schlag der Gitarre."
Fatboy Slim, über den Rockafeller Skank
Der Big Beat der 2000er Jahre
1999 trudeln dann die Remix-Anfragen bei ihm nur so ein. Von den Beastie Boys, Jean-Jacques Perrey oder Pierre Henry. Und diesen Nummer-eins-Remix dürfen wir natürlich auch nicht vergessen: der Fatboy Slim-Remix von „Brimful of Asha“ für die Band Cornershop. Ein Stück über die indische Sängerin Asha Bhosle, die über 12.000 Lieder gesungen hat und im Songtext als „Sadi rani“ / „unsere Königin“ besungen wird. Big Beat wird immer größer – wie die Menschenmengen, vor denen Fatboy Slim auflegt: 2002 kommen an seinem Wohnort Brighton, wo der Strandclub „Big Beat Boutique“ wieder mal eine Party mit ihm schmeißt, statt den erwarteten 60.000 unfassbare 250.000 Gäste zusammen. Fatboy Slim wird einer der ersten Superstar-DJs. In über 20 Jahren folgen dann nur noch zwei eigene Studio-Alben. Der Clip zum Song „Weapon of Choice“ wird „MTV Video des Jahres“: ein tanzender Christopher Walken überwindet darin in einer Hotellobby auf spektakuläre Weise die Schwerkraft.
Heute ist es Fatboy Slim, der gesampelt wird
Szene aus dem Musikvideo von Fatboy Slims "Praise You"
Fatboy Slim legt bei den Olympischen Spielen in London auf, schreibt mit David Byrne ein Rock-Musical über Imelda Marcos, der Frau des philippinischen Präsidenten, die ihren verstorbenen Mann 27 Jahre in einem Glassarg aufbewahrt hat. Norman Cook kann sich alles leisten – er kauft Teile eines Fußball-Clubs von Brighton. Er ist zur rechten Zeit am rechten Ort. Noch einmal präsentiert er „Right Here Right Now“: als Mashup. Er sampelt die „How Dare You“-Rede von Greta Thunberg vor den Vereinten Nationen beim UN-Klimagipfel 2019.
Heute verwaltet er sein Erbe, bringt nur noch vereinzelt Songs raus, manchmal Alben in Jubiläums-Editionen. Seit 2009 - nach Eheproblemen mit seiner Frau, der BBC-Moderatorin Zoe Ball, lebt Norman Cook ohne Alkohol und Drogen. Kaum ein Musiker hat so viel erreicht und erlebt wie er. Auch wenn er in den letzten Jahren nichts mehr Bewegendes erschuf. Inzwischen ist der Fatboy nun der, der selbst gesampelt wird: Und heute wird er 60. We´ll praise you!
Eine ganze Stunde mit den besten Songs von und mit Fatboy Slim gibt es in der ARD Audiothek. Ralf Summer hat die legendären Remixe des Funk Soul Brothers für den Pop&Rewind Podcast zusammengetragen.