Bayern 2 - Zeit für Bayern


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Bayern genießen Wald genießen im September

Manchmal sieht man ihn vor lauter Bäumen nicht, dabei war er einfach immer da. Und er war schon lang vor uns da. Und selbst das Waldsterben hat er überlebt. Der Wald.

Von: Gerald Huber

Stand: 25.08.2018 | Archiv

Hier unsere Genuss-Themen aus den bayerischen Regionen rund ums Motto "Wald"

  • Mittelfranken: Dem Erfinder der Tannensaat auf der Spur im Walderlebniszentrum Erlangen-Tennenlohe. Von Ilona Hörath
  • Oberfranken: Symbiose zwischen Wald und Bienen: wir begleiten einen Förster und Bioimker in Forst bei Eckersdorf. Von Theresa Greim
  • Unterfranken: Vom Wald auf den Schreibtisch - Zu Besuch in der Papiermühle Homburg. Von Jochen Wobser
  • Oberbayern: Die Waldapotheke - Von heilsamen Kräutern und lindernden Tinkturen. Von Regina Fanderl
  • Niederbayern: Die Früchte des Waldes - von Beeren, Schwammerln und Eichelkaffee. Von Renate Roßberger
  • Schwaben: Für die Sinne - Waldbaden im Allgäu im Selbstversuch. Von Viktoria Wagensommer
  • Oberpfalz: Nur die Harten komm' in Wald: ein Tag im Survivalcamp in Hohenburg. Von Margit Ringer

Neuer Wald: Der Erfinder der Tannensaat aus Mittelfranken

Haben Sie gewusst, dass unser Wort Wald mit Wolle zusammenhängt? Der Wald ist die Wolle der Welt, wenn man so will. Und wie's mit der Wolle so ist, kann sie höchst verschiedene Gestalt annehmen: Weich und flauschig und sanft kann sie sein, aber auch kratzig und grob. Bunt in allen Farben kann sie daherkommen oder immer in der gleichen Naturfarbe - bei der Wolle weiß, beim Wald grün. Wobei das immergrüne Nadelholz, das heute unsere Wälder dominiert, gewissermaßen erst eine Erfindung unserer Tage ist. Noch bis vor 200 Jahren waren unsere Wälder zumeist helle Laubwälder, durchzogen von Lichtungen, die regelmäßig als Weiden genutzt wurden. In ihrem Bestand dauerhaft bedroht von der menschlichen Gier nach Energie, sprich: Holz. Erst nachdem im 19. Jahrhundert der umfangreiche Waldbesitz ehemals klösterlicher und fürstlicher Eigentümer in staatlicher Hand vereinigt wurde, begann die regelrechte, auf nachhaltige Nutzung ausgerichtete Waldwirtschaft des Staates. Unsere heutigen Nadelholzwälder gehen auf diese Zeit zurück. Nadelbäume wachsen schnell und geben bestes Bauholz ab. Der Bauboom der Gründerzeit am Ende des 19. Jahrhunderts wäre ohne dieses Holz genauso wenig zu meistern gewesen wie der Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg mit seinem enormen Bedarf an Bauholz. Die Grundlage dafür haben die Förster des 19. Jahrhunderts gelegt. Aber auch sie konnten aufbauen auf die Errungenschaften früherer Jahrhunderte, vor allem auf die Weitsicht eines Nürnberger Kaufmanns, der an die nachfolgenden Generationen gedacht hat.

Das Walderlebniszentrum Tennenlohe weckt die Freude an Natur und Wald. Das Waldcafé bietet dazu die kulinarischen Genüsse.

Blätterwald: Zu Besuch in der unterfränkischen Papiermühle Homburg

Wer an die wirtschaftliche Nutzung des Waldes denkt, denkt vielleicht zunächst gar nicht einmal an Bauholz, sondern an Papier. Und auch da gehört ein Nürnberger zu den Pionieren. Es war Ulman Stromer, der Halbbruder des Erfinders der nachhaltigen Holzwirtschaft Peter Stromer, der die erste Papiermühle nördlich der Alpen eröffnete und damit ziemlich reich geworden ist. Um der Wahrheit die Ehre zu geben: An Holz hat bei dieser ersten Papiermühle noch niemand gedacht. Noch jahrhundertelang war das Papier ausschließlich ein Produkt aus Hadern aus Leinen, Hanf oder Baumwolle. Heute wird nur ein verschwindender Prozentsatz des Papiers aus Textilien hergestellt. Seit dem 19. Jahrhundert hat sich der viel billigere Holzstoff durchgesetzt. Billiges Holzpapier aber hat den Nachteil, dass es vergilbt und mit der Zeit brüchig wird. Bibliotheken auf der ganzen Welt haben ihre liebe Not mit der Konservierung von Holzpapier-Büchern, die vor allem zwischen etwa 1850 und 1950 gedruckt wurden. Heute wird reines Holzpapier lediglich für Zeitungen und Kartonagen verwendet. Für haltbares Papier verarbeitet man das Holz zu Zellstoff weiter. Nur höchstwertiges Papier wird bis heute nahezu ausschließlich aus Hadern hergestellt, hat also mit dem Wald zunächst gar nichts zu tun. Wenn man davon absieht, dass man zum Papiermachen Energie braucht. Bei der historischen Papiermühle Homburg aus dem 17. Jahrhindert ist das so. Die Papiermühle am Main ist nach wie vor ein Papiermanufakturbetrieb, aber auch ein Museum…

Reicher Wald: Von Beeren, Schwammerln und Eichelkaffee im Bayerischen Wald.

Bei uns in Süddeutschland hat früher keiner zum Wald Wald gesagt. Wenn man den Wald aufgesucht hat, ist man ins Holz gegangen - ein bezeichnender Ausdruck. Der Wald als Ort des Erlebnisses und der Entspannung ist eine Erfindung der Romantiker vor 200 Jahren. Vorher waren die Wälder ausschließlich Orte der Landwirtschaft, des Gewerbes, der Industrie. Man hat das Holz als Energieträger gebraucht, eher nicht zum Spazierengehen. Und man hat natürlich die Früchte des Waldes geschätzt. Das Wildbret natürlich auch - aber das durften sich nur wenige aneignen. Für den Großteil der Bevölkerung blieben die Schwammerl, die Beeren, Nüsse und Saaten, die eine schmackhafte Beikost bildeten zum Jahraus jahrein des Getreidebreis, der nur an hohen Festtagen mit Fleisch und Wurst ergänzt wurde. Wobei nie ganz klar war, wer wo genau sammeln durfte und wo nicht, wer sich die Waldfrüchte dem eigenen Gebrauch vorbehalten hat und wer sie für die Allgemeinheit freigab. Tatsächlich sind diese Fragen erst in der Bayerischen Verfassung von 1946 end- und bis heute gültig geklärt worden. Da heißt es nämlich in Artikel 141, dass die Aneignung wildwachsender Waldfrüchte in ortsüblichem Umfang jedermann gestattet ist. Der bayerische Schwammerlsucherparagraph ist einzigartig auf der Welt! Und auch, wenn sich immer noch Schwammerlsucher gegenseitig ins Gehege kommen können - jetzt behält der die Oberhand, der eher da war. Vorausgesetzt er findet welche, was bei der Trockenheit gar nicht so einfach ist. Wobei der Bayerische Wald immer ein gutes Revier bleibt - und da gibt es ja nicht nur Schwammerl, sondern auch Him-, Brom- und Preiselbeeren und vor allem Hoiba, also Heidelbeeren…

Süßer Wald: Die oberfränkische Symbiose zwischen Wald und Bienen

Woran denken Sie, wenn von Tieren des Waldes die Rede ist? Ans Reh mit Sicherheit und an den Hirschen, an die Wildsau. Aber auch an Tiere wie den Waldkauz, der seine Heimat bereits im Namen trägt. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass sie an die Biene nicht gedacht haben. Dabei ist das Insekt von Natur aus ein Waldtier, denn seine Heimat ist der Baumstamm, der abgestorbene, hohle Holzstock, wie er heute noch im Namen Bienenstock anklingt. Daraus haben menschliche und tierische Süßmäuler aller Art den Honig geholt, bevor die frühen Landwirte begonnen haben, Bienenvölkern von sich aus geeignete Stöcke aus Korb oder ähnlichen Materialien anzubieten. Die hatten nämlich den unbestrittenen Vorteil, dass man sich nicht mehr stundenlang auf Honigsuche begeben musste.

Waldapotheke: Von heilsamen Kräutern und lindernden Tinkturen in Oberbayern

Mit der uralten Wortwurzel vel-, die der Wald mit der Wolle gemeinsam hat, hängt auch Wild zusammen. Alles, was wild ist, die wilden Tiere genauso wie die wilden Früchte kommen aus dem Wald. Sogar wilde Menschen sind durch die Sagen fast aller Zeiten der Kulturgeschichte gezogen. Dabei handelte es sich um haarige, pelzige Männer und Frauen, die schon lang vor Christi Geburt im Gilgamesch-Epos der Sumerer oder in der Bibel erwähnt werden. Besonders den Menschen rund um die Alpen haben es die Wilden Leute aus dem Wald angetan. Hochkonjunktur hatten sie im späten Mittelalter und der frühen Neuzeit, also in der Zeit zwischen dem 13. und dem 17. Jahrhundert, als sie in vielen Adelswappen dargestellt wurden oder zu Namensgebern von Wirtshäusern und Brunnenfiguren avancierten. In jedem Fall symbolisierten die Wildleute die Kraft der Natur, die von den zivilisierten Menschen überwunden werden musste, um danach die natürlichen Schätze nutzbar machen zu können. Und dazu gehören selbstverständlich nicht nur Schwammerl, Beeren oder Honig, sondern neben den klassischen Bodenschätzen auch die geheimnisvollen Heilmittel des Waldes. Baumwurzeln, Blätter, Früchte oder Samen - fast jede wilde Waldfrucht hilft für oder gegen etwas - man muss sich nur auskennen. Und lernen kann man es zum Beispiel auf dem Waldlehrpfad in Sachrang im Chiemgau.

Waldbaden: Ein Selbstversuch für die Sinne im Allgäu

Übrigens: Im Allgäu spielen die Wilden Männer die größte Rolle. Der Wilde Mann ist ein respektabler Berg mit über 2500 Metern Höhe. Auf dem Weg zum Gipfel war da seit alter Zeit das Wilde Männle zu sehen, eine nadelförmige Felsformation, die 1962 von einem Sturm umgerissen wurde. Davon völlig unbeeindruckt aber tanzen alle fünf Jahre die Wilden Männle. Bei dem seit mindestens 1500 Jahren verbürgten Tanz handelt es sich um den ältesten Kulttanz - mindestens im deutschsprachigen Raum. Mit ihren gemessenen Tanzschritten, -sprüngen und -figuren wollen die wilden Männer die Verbindung zu den Mächten der Natur herstellen. Das sieht man schon an den zotteligen Gewändern der Tänzer, die aus Tannenbart gemacht sind, einer Moosflechte, wie sie nur an Tannen oder Fichten im Hochgebirge vorkommt. Der Bergbewohner im Allgemeinen und der Allgäuer im Besonderen hat halt eine spezielle Verbindung zur Natur - und ganz besonders zum Wald. Und die pflegt er bereits seit Jahrhunderten - und er frischt sie immer wieder auf. Dann auch mit durchaus neuzeitlichen Aspekten. Zum Beispiel beim Waldbaden, einer ökopsychosomatischen Wissenschaft, die in Japan erfunden wurde und im Allgäu möglicherweise perfektioniert wird. Bayern-genießen-Reporterin Viktoria Wagensommer macht einen Selbstversuch mit der erfahrenen Waldbaderin Susanne Gürtler.

Waldleben: Die Wildnisschule Oberpfalz

Die Waldbadwissenschaft der Japaner ist nur der neueste Trend, der sich längst bekannte wissenschaftliche Einsichten zunutze macht: Blutdruck und Herzfrequenz sinken bei einem Aufenthalt im Wald. Die Ausschüttung von Adrenalin geht zurück, der Parasympathicus wird aktiv und sorgt für Entspannung. Sogar Anti-Aging-Proteine und Krebskillerzellen werden vermehrt gebildet und insgesamt heben sich Laune und Stimmung. Das ist vermutlich auch der Grund, warum die Leute schon immer gern in den Wald gegangen sind. Obwohl sie sich aufgrund der unübersichtlichen Situation in den Baumdickichten gleichzeitig immer auch ein bisserl unheimlich gefühlt haben. Doch vielen von uns ist der Wald längst fremd geworden. Wir müssen ihn neu entdecken und lernen mit ihm umzugehen. Man kann das zum Beispiel in der Wildnisschule Oberpfalz im Naturpark Hirschwald. Dort kann man sich nicht nur alle nötigen Fähigkeiten aneignen für das Leben und Überleben in der Wildnis. Man erwirbt auch eine Menge grundlegendes Wissen, das künftige Aufenthalte in der Natur zum Erlebnis werden lässt.


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