Bayern 2 - Zeit für Bayern


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Bayern genießen Dunkel - Bayern genießen im November

An der „dunklen Jahreszeit“, die nach Allerheiligen beginnt, kann man nicht rütteln. Es ist eine seltsame Hassliebe, die uns verbindet mit dem Zwielicht oder gar der schwarzen Finsternis, in der wir das Mysterium vermuten. Das große Geheimnis, das wir ent-decken wollen, buchstäblich enthüllen und ans Licht zerren. Wenn auch nur im übertragenen Sinn.

Von: Gerald Huber

Stand: 03.11.2023 14:26 Uhr | Archiv

Unsere Genuss-Themen aus den bayerischen Regionen rund ums Motto "Dunkel"

Oberbayern: Dunkles Geheimnis. Ein Bunker aus dem Kalten Krieg in Pfaffenhofen.
Von Sarah Khosh-Amoz
Niederbayern: Dunkle Mächte. Die Bayerbacher Perchten. Von Laila Heyne
Oberpfalz: Dunkle Erscheinung. Was Leute an schwarzer Kleidung gut finden. Von Angelika Schüdel
Mittelfranken: Dunkle Tiefen. Escape Room im Nürnberger Felsenkeller. Von Olga Henich
Oberfranken: Dem Dunkel entrissen. Buntpapiere in der Bamberger Staatsbibliothek.
Von Susanne Roßbach
Unterfranken: Dunkler Genuss. Trüffel - Schwarzes Gold. Von Christiane Scherm
Schwaben: Im Dunkel der Nacht. Die dunklen Seiten einer Stadt. Von Doris Bimmer

Dunkles Geheimnis: Ein Bunker aus dem Kalten Krieg in Pfaffenhofen

Blick in den Bunker in Pfaffenhofen

Vom lichtscheuen Gesindel war grad die Rede, das bei Vergehen eingelocht wurde, also buchstäblich durch ein Loch in einen fluchtsicheren, weil öffnungslosen und damit stockfinsteren Raum hinabgelassen wurde. An den Bergfrieden, den Wehrtürmen in mittelalterlichen Burgen kann man das heute noch sehen. Der Eingang, meist die einzige Öffnung dieser Türme liegt nur über eine Leiter zugänglich im ersten Stock. Und von dort wurden die Finsterlinge ins Loch im Erdgeschoß hinabgelassen. Man wurde buchstäblich in Finsternis getaucht, getunkt. Kein Wunder, dass das englische Wort für Kerker, Verließ, mit dem Dunkel verwandt ist: Dungeon. Wobei es für die Leute in den oberen Stockwerken des Wehrturms meist nicht viel heller war. Wenn wir heut salopp davon reden, einer kommt in den Bunker, wird eingebunkert, dann meinen wir im Prinzip das gleiche: Einen verließartigen Raum. Und letztlich ist der Bunker auch nichts anderes als der Bergfried einer Burg. Besonders wenn man sich die Turmartigen Hochbunker aus dem Zweiten Weltkrieg anschaut. Im Kalten Krieg, als mit überirdischen Anlagen gegen die neuen Atomwaffen nichts mehr auszurichten war, musste man in jedem Fall unter die Erde. Heute sind solche Bunker ähnlich beliebt bei Touristen wie alte Burgen. Vor allem, wenn es sich um so geheime und deswegen geheimnisvolle Objekte handelt, wie den berühmten Fernmeldebunker in Pfaffenhofen an der Ilm. Auf unserer Bayern genießen Seite gibt’s Informationen und Termine für die Führungen dort.

Dunkle Mächte: Die Perchten aus Bayerbach im Rottal

Schmalhofer Bepp in seiner Werkstatt

Eigentlich ist das Wort dunkel bei uns in Franken, Schwaben und Altbayern unbekannt. Bei uns heißts finster. Das hängt auch damit zusammen, dass in unseren Sprachen nicht getunkt sondern getaucht wird. Wobei diese Wörter im Prinzip die gleichen sind. Tauchen hängt nämlich über das bedeckende abdunkelnde Tuch mit dem Dunkel zusammen. Aber auch mit dem Ducken, wir kennen ja das Duckanterl, das taucht. Und tauchen und taufen wiederum sind ebenfalls ein und dasselbe Wort. Dazu gehört auch die Tiefe. Schließlich wird der Täufling in die Tiefe des Wassers getaucht. Der Schacht im Bergwerk wird abgeteuft, also in die Tiefe getrieben bis dorthin, wo die absolute Macht der Finsternis herrscht, der Teufel. Wir stehen also im Grund vor einer riesigen Wortfamilie, die zeigt, wie sehr die Finsternis, das Dunkel die Menschen schon immer beschäftigt haben. Grad wenn im Herbst und Winter das Licht schwindet, kommen in allen Kulturen die Geister aus der Tiefe. Im katholischen Irland, später auch in Amerika und mittlerweile auch bei uns am Vorabend von Allerheiligen, am Allhallowevening, verballhornt Halloween. Dann mit der Wilden Jagd, den Perchten, dem Krampus und den vielen anderen wilden Wintergesellen auch bei uns. Dumm waren die Leut nie. Sie haben schon immer gewusst, dass die Finsternis bloß deshalb unheimlich ist, weil man nichts sieht. Und dass allenfalls ihre Phantasie die Finsternis bevölkert. Niemand hat je einen Teufel gesehen. Aber man kann sich als solcher verkleiden. Dann kann man ihn sehen und auch anlangen. Und wenn man dann noch weiß, dass in dem Kostüm bloß der Nachbar steckt, dann hat der Teufel auch gleich seinen Schrecken verloren und wird, ganz ähnlich wie heute Horrorfilme funktionieren, zum grusligen Spass. Zum Beispiel bei den Perchten aus Bayerbach im Rottal.

Dunkle Erscheinung: Was Leute an schwarzer Kleidung gut finden

Wer nichts sehen kann, tappt buchstäblich im Finstern. Für tagaktive Lebewesen ist es lebensbedrohlich Feinde und andere Gefahren nicht zu erkennen. Weshalb Schwarz, die Farbe der Nacht auch als die negativste aller Farben galt. Der Schwarzhändler oder der Schwarzarbeiter scheuen sich davor, dass ihr Tun ans Licht kommt. Der Schwarzmagier dagegen oder ein Vertreter schwarzer Pädagogik kann gern seine Steuern zahlen, dafür traut man ihm anderweitig nicht über den Weg. Dennoch steht schwarz nicht in allen Kulturen für Trauer und Tod. Nicht einmal bei uns hat das gegolten. Tiefschwarz gefärbte Stoffe waren früher extrem teuer und galten schon deswegen immer auch als besonders elegant. In der frühen Neuzeit war schwarz die offizielle Farbe bei Hof. Bei festlichen Anlässen trägt man bis heute schwarz. Noch vor hundert Jahren hatten selbst Bräute schwarze Kleider an.
Praktisch sämtliche Amtsroben sind immer noch schwarz. Aber es gibt auch Leute, die sich im Alltag gern und freiwillig so kleiden…

Dem Dunkel entrissen: Buntpapiere in der Bamberger Staatsbibliothek

Eine Auswahl an Buntpapieren

Noch ein kleines Wörtchen, das zu der riesigen Wortfamilie von dunkel, tief, ducken und Tuch gehört gilt es zu erwähnen: zu im Sinn von verschlossen. Verließe werden genauso zugesperrt wie, Keller oder Schatzhäuser, womit ihr Inhalt im Dunkeln liegt. Wenn kleine Kinder sich die Augen zuhalten, dann glauben sie, dass die Welt verschwindet, bloß weil sie sie nicht mehr sehen – und rufen beim Augenaufmachen begeistert da!. Wenn Erwachsene ähnliches tun, dann spricht man vom Vogel Strauß, der angeblich deshalb den Kopf in den Sand steckt, weil er glaubt, die Welt damit zum Verschwinden zu bringen. Nun ist das eine alte philosophische Frage, die in Zeiten moderner Erkenntnistheorie plötzliche wieder virulent geworden ist: Gibt es das, was wir wahrnehmen und deshalb für wahr nehmen wirklich, oder gaukeln unsere Sinne uns das bloß vor? Mit den Farben ist es zumindest so eine Sache. Wir wissen, dass gewisse Oberflächen nur deswegen unterschiedliche Farben tragen, weil wir die unterschiedlichen Wellenlängen des Lichts, das von ihnen reflektiert wird, auf bestimmte Weise wahrnehmen. Und, ganz abgesehen von den Tieren, ist es nur wahrscheinlich, dass jeder Mensch die Farbe Rot auf die gleiche Art sieht. Beweisen kann man es nicht. Und bei Rotgrünblinden wissen wir es sogar, dass sie rot und grün wie bloß als unterschiedliche Gelbschattierungen wahrnehmen. Aber vergaloppieren wir uns nicht. Bibliotheken etwa sind regelrechte Schatzhäuser, Dunkle Buchverließe, in denen unser kollektives Wissen gut zugesperrt verwahrt liegt. Die Texte in den Büchern existieren bloß dann, wenn jemand ein Buch aufmacht und sie liest. Dann kann aus schwarzweißen Buchstaben eine bunte Welt entstehen. Dieser Tatsache hat man in vergangenen Zeiten Rechnung getragen, und Bücher mit kostbaren Buntpapieren geschmückt. In der Staatsbibliothek Bamberg gibt’s derzeit eine Ausstellung speziell dazu.

Dunkle Tiefen: Escape Room im Nürnberger Felsenkeller

Im Escape Room im Nürnberger Felsenkeller

Das Wort Verließ hängt mit dem Verlassen zusammen. Wurde ein Gefangener dort hinabgelassen, wurde er auch ver-lassen. Sinn und Zweck der Sache war ja, dass er so sicher aufbewahrt war, dass man nicht mehr auf ihn aufpassen musste, ihn verlassen konnte. Weswegen man im Mittelalter auch Schätze in solche Turmverließe gebracht hat. Auf der Burg von Burghausen, der größten Burg Europas, ist zum Beispiel der sagenhafte Schatzturm der Reichen Herzöge von Bayern-Landshut zu besichtigen. Gold und Silber machten die Kälte im dunklen Verließ, Lebensmittel brauchten die Kälte sogar. Weswegen es praktisch in jeder alten Stadt große unterirdische Kellerbauten gegeben hat, in denen das ganze Jahr über Dunkelheit herrschte. Keller kommt vom lateinischen Wort Cella. Das c am Anfang dieses Wortes hat man allerdings erst seit dem 5. Jahrhundert wie ein z ausgesprochen. Im klassischen Latein, also zu Zeiten von Caesar und Cicero, da wurde das c wie ein k ausgesprochen. Cicero heißt eigentlich Kikero was nix anderes bedeutet als Kichererbse, ein Spitzname für den großen Philosophen und Staatsmann, der eigentlich Marcus Tullius geheißen hat. Und aus Caesar, dem ersten Alleinherrscher Roms, ist das deutsche Wort Kaiser geworden. Ein uraltes lateinisches Erbworten des Deutschen; genauso wie der Keller. Aus der spätlateinischen cella ist die Mönchszelle oder auch die Gefängniszelle geworden. Aus der klassischen cella wurde unser deutscher Keller. Schon in der Antike hats in den Städten celleraria gegeben. Eine Abfolge von in den Boden gegrabenen Zellen, die durch Gänge verbunden waren. Dort wurden bei gleichbleibend kühlen Temperaturen nicht nur Gefangene, sondern auch Lebensmittel und Getränke aufbewahrt. Und in praktisch allen unserer süddeutschen Städte finden sich bis heute riesige Kelleranlagen. Besonders beeindruckend, wenn sie, wie in Schwandorf oder Nürnberg, in den Felsen gehauen sind. Als Aufbewahrungsorte für Lebensmittel. Auf unserer Bayern-genießen-Seite finden Sie alles Wissenswerte zu den Felsenkellern unter Nürnberg, die man auch ganz normal bei Führungen anschauen kann. Bayerns größtes Felsenkeller-Labyrinth gibts übrigens in Schwandorf. Und in Landshut wurden Teile der großen Kelleranlagen im Hofberg in ein Museum für moderne Kunst verwandelt.

Dunkler Genuss: Trüffel – Schwarzes Gold aus Mainfranken

Beate Wende von der Landesanstalt für Wein- und Gartenbau in Veitshöchheim

In der Tiefe der dunklen Erde lagern schon immer die Schätze und alle Reichtümer der Welt. Der römische Unterweltgott Saturn, in dem unsere deutschen Wörter Saat und satt gleichermaßen stecken, ist der Hüter des größten Schatzes der Menschheit – der nahrhaften Pflanzen. Gleichzeitig aber wacht er auch über Gold und Silber, alle irdischen Güter eben. Das hat ihn im Mittelalter zum Vorbild für den christlichen Teufel werden lassen, der mit irdischem Tand die Seelen vom Streben nach den himmlischen Gütern abhalten will. Nun, am besten wird’s sein, wir genießen die Welt, solang wir leben ohne dabei natürlich das Geistige aus den Augen zu verlieren. Und dazu gehört auch das kleine Bisserl Luxus, das wir uns gönnen können. Auch wenns aus der Erde kommt, so schwarz und so finster als wärs direkt eine Höllengabe. Der echte schwarze Trüffel. Den gibt’s jetzt auch aus Franken.

Im Dunkel der Nacht: Die finsteren Seiten einer Stadt

Stele in Memmingen

Dunkel. Das Wort hängt mit dem norddeutschen Tunken zusammen, mit dem Tuch, das alles zudeckt. Wir wissen heute ja kaum mehr, was wirkliche Finsternis ist, die zudeckt, alles ins Dunkel taucht, ja eben tunkt. Wenn man die Hand nicht mehr vor den Augen sieht. Der Mensch ist halt ein tagaktives Tier und dafür gemacht, die Nacht zu verschlafen. Man muß sich vorstellen: Die ersten Versuche einer regelrechten städtischen Straßenbeleuchtung wurden erst vor gut 200 Jahren gemacht. Und erst seit dem Aufkommen der Elektrizität vor gut 100 Jahren war es möglich, nahezu überall gegen die Dunkelheit anzukämpfen. Die sogenannten Goldenen Zwanziger nach dem Ersten Weltkrieg waren in Wirklichkeit vor allem die ersten vollständig elektrischlichten Jahre. Die erste und daher ausgiebig genutzte Möglichkeit in der Geschichte der Menschheit die Nacht zum Tag zu machen. In all den Jahrhunderten und Jahrtausenden zuvor hat der Großteil der Menschen bei Einbruch der Nacht jede Tätigkeit eingestellt, so wie Kanarienvögel in einem Bauer, über den ein Tuch geworfen wird, das Singen aufhören. Das galt selbst für die damals größten und bedeutendsten Städte, zu denen die schwäbische Reichsstadt Memmingen gehörte. Damals im vermeintlich dunklen Mittelalter…

Wie gesagt: Dunkel sagt man bei uns in Franken, Schwaben und Altbayern eigentlich nicht. In den süddeutschen Sprachen heißts finster. Deswegen ist auch das dunkle Bier, das gerade eine Renaissance erlebt, als vermeintlich traditionelle Variante zum Hellen, kein alter Name. Das heute sogenannte Dunkle ist eher ein traditionelles Schwarzbier. In Bayern war das Bier früher braun bis kupferfarben. So, wies heut noch in Oberfranken gebraut wird. Beide sind aber ein echter malzigsüßer Genuss für die kommenden trüben Herbsttage.


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