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Der Teufel hat viele Namen Das Thema

In allen Religionen, zumal in den Hochreligionen, wird versucht, die Existenz des Bösen zu erklären. Doch selbst extrem dualistische Formen von Religion, wie z.B. der Manichäismus, kennen keine Gleichrangigkeit zwischen dem bösen und dem guten Prinzip. Das Gute ist dem Bösen in letzter Konsequenz überlegen. Nahezu alle Religionen kennen aber die Personifizierung des Bösen. Im Christentum und Islam gibt es ausgeprägte Vorstellungen von Engeln und, besonders im Islam, auch von Geistern, die gut oder böse sein können.

Stand: 18.06.2013 | Archiv

Papst Sylvester II und der Teufel | Bild: BR

In der Vorstellungswelt des Alten Testaments gehört Satan zu den"Söhnen Gottes", die im himmlischen Hofstaat leben. Satan nimmt hier die Rolle des Widersachers Gottes ein, der gleichwohl von Gott beschränkte Macht erhält. Die Oberhoheit Gottes wird aber nicht infrage gestellt. Gottes Überlegenheit ist hier zweifelsfrei, von einem Dualismus im eigentlichen Sinne kann also nicht gesprochen werden.

Frühjüdische Vorstellungen vom Satan

In einer dem Dualismus nahekommenden Engel- und Dämonenlehre wird Satan als gestürzter Engelsfürst gesehen, der nun als Gegner Gottes zum Verführer der Menschen geworden ist. Als Oberbefehlshaber einer Heerschar böser Engel oder Geister kämpft er mit dem Erzengel Michael, dem Fürsten des Lichts. Doch das Ende seiner Macht ist absehbar. Je nach Tradition tritt er unter verschiedenen Nahmen auf: Mastema, Belial oder Beliar Qumrantexte), Sammael (rabbinische Texte).

Der neutestamentliche Befund

Insgesamt setzt das Neue Testament die jüdischen und auch andere antike Vorstellungen voraus. So wird Satan oder der Teufel in der johannäischen Theologie zum Gegenspieler des Sohnes Gottes. Jesus Christus ist in dieser Sicht erschienen, um die Werke des Teufels zu zerstören. Die Gegenüberstellung Kinder Gottes und Kinder des Teufels setzt diese Vorstellung fort. Auch in anderen Evangelientexten ist von einer Auseinandersetzung Jesu mit dem Versucher die Rede. So wird Jesus nach Matthäus 4 vom Teufel versucht. Jesus widersteht nicht nur diesen Versuchungen, sondern beraubt seinem Feind durch Dämonenaustreibungen ( Mk 3,22 ff; Lk 11,20) seiner Einflussmöglichkeiten. Deutlich wird auch hier: Der Teufel wird zwar als personaler Gegner Gottes und des Gottes Sohnes gesehen, er ist aber keineswegs ein gleichrangiger Gegenspieler.

Kurze Zwischenüberlegungen

Ein Teufel an der Fassade eines Hauses aus der Gründerzeit in Frankfurt am Main.

Handelt es sich lediglich um zeitbedingte Mythen, die mit dem Phänomen des Bösen umgehen? Immerhin gibt es auch heute noch viele Christen, die den Teufel als tatsächliche personale Macht ansehen. Im Katechismus der Katholischen Kirche wird jedenfalls an der Existenz des Teufels festgehalten. Auch Papst Johannes Paul II. bestätigte mehrfach diese Ansicht. Selbst der als intellektuell geltende Benedikt XVI. stellt diese Lehre keineswegs infrage. Der nicht gerade als Hüter des Konservativismus bekannte Karl Rahner beschreibt die systematisch-theologische Sicht in seinem Artikel im Lexikon für Theologie und Kirche Bd. 10 (1986) ausgesprochen vorsichtig und wehrt lediglich die Vorstellung ab, dass der Teufel Gott gegenüber gleichrangig sei.

Keine festgelegte Lehre über Satan

Eine Teufelsskulptur auf dem Hexentanzplatz bei Thale.

Viele orthodoxe und vor allem freikirchliche evangelische Christen würden dieser katholischen Sicht sicherlich zustimmen. Gleichwohl gilt es aber festzuhalten, dass es innerhalb der Katholischen Kirche keine dogmatische Lehre über Satan oder den Teufel gibt. Insofern ist auch kein katholischer Christ verpflichtet, an die personale Existenz des Teufels zu glauben. Tatsächlich gibt es auch kaum noch theologische Überlegungen zu diesem Themenbereich. Das Entmythologisierungsprogramm Rudolf Bultmanns scheint dazu geführt zu haben, dass diese biblischen Vorstellungen als"mythischer Ballast" abgelegt wurden. Die Auswirkungen der Aufklärung allgemein haben bei vielen (europäischen) Christen und Nichtchristen Überlegungen über diesen biblischen Themenkreis erledigt.

René Girards mimetische Theorie

Der französische Literaturwissenschaftler und Kulturanthropologe René Girard stellt dieser Tendenz eine bemerkenswerte Theorie gegenüber. Er geht von der Überlegung aus, dass menschliche Gesellschaften nur dann überlebensfähig sind, wenn sie Gewalt innerhalb der Gruppe eindämmen. Die Gewalt aber entstehe durch das Besitzstreben der Menschen, das Neid, Eifersucht und Rivalität auslöse. Durch Nachahmung des von der ganzen Gruppe getragenen Gewaltverhaltens, das auch schnell zu Eskalationen führen könne, wird die Gewalttätigkeit fortgeführt, ohne dass das ursprüngliche Objekt noch eine Rolle spiele.

Der leibhaftige Satan dargestellt von einem Schauspieler in dem Kinofilm "Little Nicky - Satan Junior".

Religiöse Werte - Basis aller Kulturen
Für dieses Aneignungsverhalten benutzt Girard den Begriff Mimesis. Girard, der sich zum katholischen Glauben bekennt, stellt nun als wesentlich heraus, dass alle kulturprägenden Elemente einer Gesellschaft sich auf Religion zurückführen lassen. Für die Verhinderung von Gewalt in archaischen Gesellschaften war die Entstehung religiös begründeter Normen entscheidend. Im Zentrum seiner Überlegungen steht die Figur des Sündenbocks. Die Erinnerung daran, wie die oben geschilderte Spirale der Gewalt durchbrochen werden kann, fokussiere sich in archaischen Gesellschaften im Mythos des Sündenbocks.

Der Teufel als Sündenbock
Abgelöst von den realen Auslösern der Gewalt wird ein Stellvertreter als schuldig empfunden. Die Vertreibung oder Tötung dieses Sündenbocks beendet den sich verselbstständigten Kreislauf der Gewalt. Indem sich alle gegen den Sündenbock richten, kommt diesem eine einheitsstiftende Funktion zu. Die Errettung der Gemeinschaft vor der selbstzerstörerischen Gewalt wird nun wieder religiös als Offenbarung des Heiligen oder Göttlichen empfunden. Die faktische Unschuld des Opfers begründet darüber hinaus die Möglichkeit der kultischen Widerholung. Religiöses Denken gewährleistet also die Erinnerung an die mimetische Gewalt und die Befreiung durch den Sündenbockmythos. Klar herausgestellt aber sei hier, dass jedem Sündenbockmythos eine reale Tat, etwa ein kultischer Mord, zugrunde liegt.

Erzengel Michael besiegt im Kampf den Teufel in Gestalt eines Drachen.

Liebe beendet Gewalt und besiegt das Böse
Während es geradezu konstituierend für die Funktion des Sündenbockmythos ist, dass die wahren Zusammenhänge verschleiert sind, um seine Wirksamkeit zu gewährleisten, führe die jüdisch-christliche Tradition, nach Girard, zu einer Aufklärung über die wahren Zusammenhänge von Gewalt. Nur der Verzicht auf Gewalt führe zu einer nachhaltigen Verhinderung von Gewalteskalationen. Mit der Verkündigung der Jesuanischen Botschaft vom Reich Gottes führte das Neue Testament dieses Denken zu seiner letzten Konsequenz.: Das Einzige, was Gottesnähe ermögliche, sei Liebe als Handlungsprinzip, die zu einem radikalen Verzicht auf Gewalt und Opfer führe.

Christus - Sündenbock aus Liebe
Leiden und Sterben Jesu Christi sind in dieser Sicht Aufklärung über die wahren Zusammenhänge von Gewalt. Dem radikal Liebenden und Gewaltlosen bleibe angesichts fortbestehenden Unverständnisses nichts anderes übrig, als die Rolle des Sündenbocks zu übernehmen. Damit werden die Zusammenhänge in letzter Konsequenz offengelegt. Allerdings führten die Rede vom Kreuzesopfer Jesu Christi und die kultische Wiederholung wiederum zu einer partiellen Verschleierung, sodass das Christentum in der Folgezeit die Botschaft der Gewaltlosigkeit nicht habe konsequent durchsetzen können.

Teufel zum Anfassen: Krampusse bei einem traditionellen Umzug.

Satan als Offenbarer von Gewalt
Nach Girard ist Satan eines des Hauptmotive der christlichen Offenbarung. Satan symbolisiere den mimetischen Zyklus der Gewalt. Als Versucher, Stifter des Begehrens und des Ärgernisses stehe er für die Gründe von Gewalt. Er stelle auch dar, wie Gewalt mit Gewalt bekämpft wird und ist der"Mörder von Anfang an". Die Kirchenväter haben die"Gewalten und Mächte (Kol 2, 14 – 15) und die"Herrscher der Welt" ( 1 Kor 2,6 – 8) mit Satan gleichgesetzt. Indem Jesus Christus am Kreuz die menschliche Gewalt bloßstellt, zeigt er den Triumph des Kreuzes auf.

Resümee

Die biblische Tradition nahm durchaus einen personalen Urheber des Bösen an. Satan und Dämonen waren für antike Menschen in der Regel real existierende Wesen. Für uns heute stellen sich drei Alternativen, wie wir diesen Tatbestand beurteilen. Die erste Alternative ist das Denken, das auch heute noch viele religiöse Menschen, seien sie Christen oder nicht, teilen: Teufel oder Satan und Dämonen werden als wirklich existent angesehen. Für diese Annahme spricht immerhin das vielstimmige Zeugnis in fast allen Religionen.
Möglich ist aber auch zweitens, diese Vorstellungen ad acta zu legen und als zeitbedingtes Beiwerk anzusehen. Schließlich geht ja auch niemand mehr ernsthaft vom ptolemäischen Weltbild aus, nur weil dieses viele Bilder zum Beispiel der biblischen Überlieferung prägt. Drittens aber kann mit gleicher Begründung gesagt werden, dass zwar die Rede von Teufel und Dämonen abhängig ist von einem Weltbild, das wir nicht mehr teilen können, dass aber in dieser Rede überzeitlich nachvollziehbare Erfahrungen bewahrt werden, die heutige Menschen genauso angehen, wie sie es für Menschen aller Zeiten taten.


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