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Das Thema Jahwe und Mose

Stand: 25.04.2012 | Archiv

Auch der weitere, ebenfalls im 7. Jahrhundert eingearbeitete Verlauf der Mose-Erzählung enthält zahlreiche kontrastierende Parallelen zu assyrischen Texten.

Jahwe und die Demokratisierung der Religion

Vier knappe Beispiele illustrieren das Prinzip der subversiven Umdeutung assyrischer Vorbilder:

  • Während sich die assyrischen Götter ausschließlich mit dem König verbinden, schließt Jahwe als der einzige und alleinige Gott einen Bund mit seinem gesamten Volk.
  • Wo das assyrische Volk nur durch die Vermittlung des Königs am göttlichen Segen teilhat, ruht der Segen Jahwes direkt und unvermittelt auf allen Kindern Israels.
  • In Assyrien sind die rituellen Verpflichtungen Teil des königlichen Amtes, in Israel sind sie jedem einzelnen auferlegt.
  • Und anders als der assyrische König, der als alleiniger Vermittler des göttlichen Heils und Priester fungiert, ist Mose mit keinerlei priesterlichen Vollmachten ausgestattet. Es gibt keine Zwischenschicht, es gibt nur den Bund Gottes mit seinem auserwählten Volk.

Jahwe als Herrscher Israels

Was in diesen judäischen Neuinterpretation ebenfalls mitschwingt, ist die unterschwellige Frage danach, wem Israel Gehorsam schuldet: Dem assyrischen König und seinen Göttern oder Jahwe? Und wer ist legitimer Herrscher Israels: Gott oder der König? Die Mose-Geschichte gibt eine eindeutige Antwort: So wie Jahwe sein Volk aus der ägyptischen Knechtschaft führte, so wird er es vom assyrischen Joch befreien. Denn Jahwe ist kein Gott, der Herrschaft legitimiert, sondern ein Gott, der seine Kinder aus der Königsherrschaft einer Hegemonialmacht befreit. Die Voraussetzung für diesen Rettungsbund ist allerdings, dass Israel nicht ägyptisch/assyrische Götzen anbetet, sondern dem Herrn die Treue hält.

Das Mose-Prinzip

Durch die deutlich kontrastierende Übertragung der Sargon-Legende wird Mose zum Gegenbild des neuassyrischen Königs und der neuassyrischen Königslegitimation. Damit ist ein wirksames und ausbaufähiges Muster gefunden: Mose wird zur Kristallisationsfigur judäischer Identität entwickelt und immer weiter ausgebaut. Dieser literarische Prozess setzt sich im 6. und 5. Jahrhundert vor Christus fort, um aktuelle Fragestellungen der Rechtsordnung, des Kultes und der Zusammengehörigkeit des auserwählten Volkes zu klären.


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