Bayern 2 - radioWissen


1

Das Thema Die Geburt des Hoffnungsträgers

Stand: 25.04.2012 | Archiv

Der assyrische Doppelschlag gehen Juda und Israel bedeutet nicht nur den Beginn einer militärisch-politischen, sondern vor allem auch den Beginn einer religiös-kultischen Fremdherrschaft.

(Die Geburt des) Mose als Gegenfigur zur Königsideologie

Der Jerusalemer Tempel wird zum Zentrum des assyrischen Staatskultes, dessen Hauptgott Assur verdrängt den hebräischen Gott Jahwe vom Haupt- auf einen Nebenaltar, zugleich ist nicht mehr der König von Juda, sondern der assyrische König Kultherr des Heiligtums.

Medienkrieg - Propaganda für und gegen Jahwe

Um ihre Macht zu stabilisieren und die judäischen Tradition zu überlagern, setzen die neuen Herrscher eine Flut assyrischer Propagandaschriften in Umlauf. Nachdem jedes militärische Aufbegehren unmöglich ist, lehnt sich die Priesterschaft literarisch gegen die assyrische Königsideologie und ihre Reichsgötter auf. Die gelehrten Schreiber verfolgen zwei wesentlich Ziele: Sie wollen den Fortbestand der bislang weitgehend mündlich tradierten Jahwereligion durch eine Schriftfassung sichern und die eigene Tradition als Gegenbild zur assyrischen Religion und Staatsauffassung ausgestalten. Dabei schält sich die Umdeutung zentraler Texte der assyrischen Herrscherlegitimation aus judäischer Perspektive (Eckart Otto) als subversives Grundschema heraus.

Die Kopfgeburt einer Legende

Zur Plattform für die antiassyrische Agitation wird zunächst die Herkunftslegende des Mose als neu geschaffenes Vorspiel zum Exodusgeschehen. Bis zum 7. Jahrhunderte umfasste die Mose-Tradition nur die Kernerzählung von der ägyptische Fron und den Auszug Israels aus Ägypten. Dieser Rumpf wird nun um das Geburtsgeschehen erweitert: Mose sei von einer hebräischen Mutter heimlich geboren und aus Furcht vor der befohlenen Tötung hebräischer Säuglinge von ihr in einem Binsenkörbchen auf dem Nil ausgesetzt worden. Die Tochter des Pharao habe das Kind gefunden, zu sich genommen und wie einen Sohn aufgezogen. Die neu eingeflochtene Geschichte zeigt erstaunliche Parallelen zur weit verbreiteten Geburtslegende des assyrischen Königs Sargon von Akkad (2235 - 2180 v. Chr.), den alle assyrischen Könige als Ahnherrn reklamieren. Auch der legendäre Sargon wird heimlich von einer zur Kinderlosigkeit verpflichteten Hohepriesterin geboren und in einem abgedichteten Schilfkörbchen auf dem Euphrat ausgesetzt. Der Wasserschöpfer Akki findet das Kind und zieht es groß. Die Göttin Ischtar verliebt sich in das Kind und macht es zum König.

Antipode des Königtums

Der Schlag ist präzise kalkuliert und zielt auf das Zentrum der assyrischen Herrscherlegitimation. Sargon, ein Findelkind wie Mose, gelangt durch die Liebe Ischtars auf den Thron, um über sein Volk zu herrschen. Mose dagegen wird zwar Mitglied des ägyptischen Hofs, steigt jedoch nicht zum König auf, sondern kehrt zu seinem Volk zurück, um es dem König zu entziehen und in die Freiheit zu führen. Die Botschaft ist klar:

"Mit Mose wurde kein König geboren, der unterdrückt, sondern ein Mann, der sein Volk aus der Unterdrückung befreite."

Eckart Otto


1