Bayern 2 - radioWissen


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"Ich bin viele!"

Von: Internet: Kathrin Hasselbeck / Sendung: Prisca Straub

Stand: 20.02.2013 | Archiv

PsychologieGy

Der gutmütige Dr. Jekyll und der mordlüsterne Mr. Hyde - sie sind zwei Anteile ein und derselben Person, die wechselseitig Kontrolle über Verhalten, Gefühle und Gedächtnis übernehmen. Das ungleiche Paar hat es zu einiger Berühmtheit gebracht - Dr. Jekyll und Mr. Hyde sind literarischer Inbegriff einer Multiplen Persönlichkeit.

Die Diagnose ist ebenso faszinierend wie unheimlich: Eine multiple Persönlichkeit wird aus der Not geboren, und die unterschiedlichen Ichs haben häufig keine Ahnung von der Existenz der jeweils anderen. Zunächst erscheint es unvorstellbar: In einem einzigen Menschen vereinen sich viele verschiedene Persönlichkeiten. Klar, jeder von uns hat mehrere Seiten - eine alberne, eine professionelle, eine ängstliche oder eine traurige; aber sie alle vereinen sich zu einer Person. Anders sieht das aus bei Menschen mit multiplen, also mehreren Persönlichkeiten: Die einzelnen Teile sind strikt getrennt.

Ausgangspunkt der Abspaltung ist ein grausamer: körperliche und emotionale Gewalt, Missbrauch in der frühen Kindheit; Erfahrungen, die die Psyche überfordern. Deshalb setzt als Überlebensmechanismus die Persönlichkeitsspaltung ein. Die eigentliche Person verschwindet zeitweilig, schottet sich gegen Angst und Schmerz ab. Andere Personen erleben das Trauma stellvertretend, damit die Kernperson verschont bleibt.

Von einer multiplen Persönlichkeit spricht man, wenn mindestens zwei Identitäten vorliegen - allerdings können es auch mehrere dutzend verschiedene Teilidentitäten sein, die sich in einem Körper aufhalten. Dabei ist es bemerkenswert, dass sich die einzelnen Teile gegenseitig nicht kennen. Das ist sowohl für die Betroffenen, als auch für deren Umfeld verwirrend: Häufig treten Erinnerungslücken auf, der Mensch wirkt unkonzentriert - dabei hat einfach mitten im Gespräch die Person gewechselt. Meistens unterscheiden sich die Teilpersonen stark voneinander: Frauen, Männer, Kinder, Erwachsene - und auch die Charaktere und Geschmäcker sind sehr verschieden.

Die Diagnose zur dissoziativen Identität, wie es fachsprachlich heißt, ist umstritten. Kritiker glauben, dass Teilidentitäten nur eingebildet sind. Dagegen spricht, dass Neurologen durch bildgebende Verfahren zeigen können, dass der Gehirnbereich des Hippocampus bei multiplen Personen weit weniger ausgebildet ist. Für die Behandlung dieser Menschen ist es wichtig, dass sie ihre Teilpersönlichkeiten kennen lernen. So können sich möglicherweise einzelne Teile vereinen - oder es tritt sogar eine komplette Heilung ein.


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