Bayern 2 - radioWissen


36

Schwerstarbeiterin und Energielieferantin

Von: Volker Eklkofer / Sendung: Birgit Magiera

Stand: 31.03.2016 | Archiv

Mensch, Natur und UmweltMS, RS, Gy

Ohne Leber kein Leben. Als Stoffwechsel- und Entgiftungsorgan meistert die größte Verdauungsdrüse unseres Körpers Herausforderungen von existentieller Bedeutung. Gefahr droht ihr vor allem durch Verfettung.

Lage und Beschaffenheit der Leber

Die Leber ist ein weich-elastisches Organ von rotbrauner bis dunkelbrauner Farbe. Bei Erwachsenen wiegt sie etwa 1,5 Kilogramm. Sie hat die Form eines Keils und liegt unter dem Zwerchfell im rechten Oberbauch. Mit dem hinteren Bereich des Zwerchfells ist sie flächig verwachsen, zusätzlich durch Bänder fixiert. An unseren Atembewegungen nimmt die Leber passiv teil, sie steigt also beim Einatmen nach unten und beim Ausatmen nach oben.

An der Leber unterscheidet man eine obere, konvex geformte und eine untere, konkave Fläche, an der Blutgefäße, Lymphgefäße und Nerven ein- und austreten. Hier befindet sich auch die Abgangsstelle für den Gallenausführungsgang der Leber.

Die Leber lässt sich in zwei große und zwei kleine Lappen unterteilen. Der rechte Leberlappen (Lobus hepatis dexter) befindet sich unter dem Zwerchfell, der linke Lappen (Lobus hepatis sinister) ist in Richtung des linken Oberbauchs gelagert. Daneben gibt es noch den kleinen Quadratischen Lappen (Lobus quadratus) und den Geschwänzten Lappen (Lobus caudatus).

Das Lebergewebe besteht aus zahlreichen kleinen, sechseckigen Leberläppchen (Lobuli hepatis) mit einem Durchmesser von ein bis zwei Millimetern. Leberläppchen sind ein Konglomerat aus 200 bis 300 Milliarden Leberzellen (Hepatozyten); jeweils drei Läppchen umschließen eine Bindegewebsinsel, in der die zuführenden Blutgefäße verlaufen.

Um als "Filterschwamm" zu dienen, braucht die Leber eine entsprechend feine Gefäßstruktur. Blut, das aus dem Darm kommt, wird durch die Gefäßbahn gelenkt und erst dann wieder in den Kreislauf eingespeist. Was im Blut nicht erwünscht ist (zum Beispiel Giftstoffe) wird herausgefiltert.

Die Leber - Empfangschefin des Körpers

Alles, was verdaut wurde, muss einen Kontrollposten passieren: die Leber. Sie "bestimmt", was gebraucht wird, was nutzlos oder gefährlich ist. Nahrungsbausteine aus Dünn- und Dickdarm gelangen in die Blutbahn und werden durch die Pfortader (Vena portae) der Leber zugeleitet. Auch Medikamente, die Patienten über den Mund einnehmen, kommen auf dem Magen-Darm-Blutstrom-Weg zur Leber. Das Pfortaderblut enthält auch Abbauprodukte der Milz und Hormone aus der Bauchspeicheldrüse.

In der Leber verzweigt sich die Pfortader und umfließt die Leberzellen. Dann vereinigen sich die Verzweigungen zu mehreren Lebervenen, die ihr Blut der unteren Hohlvene zuleiten. In den Leberzellen werden die Stoffe, die die Pfortader anliefert, verwertet, gespeichert, umgewandelt (beispielsweise Zucker in Fett, Eiweiße in Zucker) und abgebaut.

Während über die Pfortader, eine große Vene, sauerstoffarmes Blut transportiert wird, bringen Leberarterien sauerstoffreiches Blut aus dem Herzen zur Leber, die damit in zwei Blutkreisläufe integriert ist. Tagtäglich fließen etwa 2.000 Liter Blut durch die Leber.

Die Leber als Energielieferantin

Glucose befindet sich permanent im Blutkreislauf des Menschen; die Körperzellen nehmen Traubenzucker zur Energiegewinnung auf. Die Leber hat die Eigenschaft, Glucose, die mit dem Pfortaderblut ankommt, aufzunehmen und zu speichern. Insulin, das von der Bauchspeicheldrüse geliefert wird und an entsprechenden Bindestellen in der Leber andockt, sorgt dafür, dass Glucose in Form von Glykogen aufgespart wird.

Wenn die Muskeln Brennmaterial benötigen - also wenn die Glukosekonzentration im Blut abnimmt - macht die Leber dem Körper Traubenzucker wieder zugänglich. Den Abbau von Glykogen zu Traubenzucker bewirkt das von der Nebenniere abgesonderte Inkret Adrenalin. Damit spielt die Leber eine bedeutende Rolle bei der Blutzuckerregulation.

Die Speicherfunktion der Leber

Als Universalspeicher kann die Leber nicht nur Zucker lagern, sondern auch Fett und Vitamine, die gerade nicht benötigt werden. Aus Eiweißbausteinen produziert sie wichtige Eiweiße. Dazu gehören Gerinnungsfaktoren, die unverzichtbar sind, um Blutungen zu stoppen. Wenn fremde Eiweiße in den Körper gelangen, fungiert die Leber wieder als Vorinstanz. Sie macht den Körper mit unbekannten Eiweißstoffen vertraut; das Abwehrsystem kann sich auf sie einstellen, Immunreaktionen unterbleiben.

Die Leber als Giftfilter

Schadstoffe, die beispielsweise mit der Nahrung aufgenommen werden, entzieht die Leber dem Blut und verhindert so, dass sie zum Herzen oder ins Gehirn gelangen. Sie wandelt, wenn möglich, die Giftstoffe um oder sorgt dafür, dass sie über die Blase oder den Darm ausgeschieden werden.

Auch um defekte oder alte rote Blutkörperchen kümmert sich die Leber. Aus dem roten Blutfarbstoff Hämoglobin entsteht gelb-bräunliches Bilirubin, das über das Gallengangsystem in den Darm abgegeben und dort mit dem Stuhl ausgeschieden wird; ein wenig Bilirubin verlässt den Körper über den Urin. Kommt es in der Leber zu Fehlfunktionen und einer Störung des Bilirubinabbaus, können sich Augen und Haut gelb färben, der Mensch leidet an Gelbsucht.

Die Leber und das "Spülmittel" Gallensäure

Als größte Drüse im Körper stellt die Leber Gallensäure für die Fettverdauung bereit. Die Gallensaftproduktion beträgt etwa einen halben bis einen Liter pro Tag. Durch den Lebergallengang gelangt die Galle, ein gelblich-grünes Sekret, unter Einbeziehung eines zweiten Ganges, des Gallenblasengangs, in die Gallenblase, die sich im Verlauf der rechten Brustwarzenlinie unter und hinter der Leber befindet. In der Gallenblase wird die Galle gesammelt und etwa zehnmal pro Tag in den Zwölffingerdarm entleert. Die Galle kann auch direkt aus der Leber - unter Umgehung der Gallenblase - in den Zwölffingerdarm abgegeben werden.

Die Volkskrankheit Fettleber

Die Leber ist zwar ein leistungsfähiges "Chemiewerk", doch fetthaltiges, süßes Essen, regelmäßiger Alkoholkonsum, Diabetes-Erkrankungen und Medikamentenmissbrauch bringen sie an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Die besondere Eigenschaft, überschüssiges Fett in den Leberzellen einzulagern, wird so mancher Leber zum Verhängnis. Die Speicherung von Energiereserven bei einem reichhaltigen Nahrungsangebot ist eigentlich für Notzeiten vorgesehen; bei Bedarf werden die Reserven freigegeben. Menschen, die in einer Überflussgesellschaft leben, machen davon eher selten Gebrauch.

Nach Schätzungen hat bereits jeder dritte Deutsche unnötige Fettansammlungen in der Leber. Dieses Fett kann sich entzünden, im Organ kommen Umbauprozesse in Gang, die zur Auflösung der Läppchenstruktur und zur Bildung eines Bindegewebes führen. Problematisch ist dabei, dass der Leber Schmerzrezeptoren fehlen. Sie sendet kaum Warnsignale, Erkrankungen werden lange Zeit nicht bemerkt. "Die Leber leidet stumm", sagen Mediziner.

Ist die Leber nur mehr eingeschränkt funktionsfähig, droht eine Fibrose. Die Leber wird, nachdem sie sich anfangs vergrößerte, zunehmend härter und beginnt zu schrumpfen. Ist sie größtenteils vernarbt, bezeichnet man dies als Zirrhose. Am Ende sterben die Leberzellen ab, der Körper reagiert mit Ausfallstörungen zumal andere Organe wie Herz und Niere vom Leberdefekt in Mitleidenschaft gezogen werden. Es besteht Lebensgefahr, überdies wird die geschädigte Leber anfällig für die Bildung bösartiger Tumore.

Leberkrebs kann auch durch Virus-Hepatitis ausgelöst werden. Die Infektionskrankheit Hepatitis mit dem Risiko eines chronischen Verlaufs wird durch verunreinigte Bluttransfusionen und Spritzen, durch ungeschützten Geschlechtsverkehr, aber auch durch unsachgemäße Akupunktur, durch das Anbringen von Piercings sowie beim Tätowieren übertragen.

Die Leber - ein Regenerationsgenie

Anders als andere wichtige Organe wie etwa das Herz kann sich die Leber in begrenztem Maße selbst heilen. Sie bildet beschädigtes oder bei einer Operation entferntes Gewebe neu, die Regenerationskapazität liegt bei mehr als 70 Prozent. Menschen, bei denen eine Fettleber diagnostiziert wurde, haben also noch die Chance zur Umkehr - indem sie Sport treiben, gesünder essen und ihr Gewicht reduzieren.

Bei Transplantationen ist Regenerationsfähigkeit einer Leber von enormem Vorteil. Weil es an postmortalen Leberspenden mangelt, werden Lebendspenden immer wichtiger. Man kann mittlerweile jeweils eine halbe Leber in zwei Körpern belassen, im Laufe der Zeit wachsen sie zu gesunden Organen heran. Idealerweise stellt ein Spender einen seiner Leberlappen zur Verfügung, der andere arbeitet im Körper weiter und vergrößert sich binnen eines halben Jahres auf etwa 70 Prozent der Ursprungsgröße. Teilleberverpflanzungen sind sogar möglich, wenn bei einem Patienten eine zerstörte Leber komplett entnommen wird.


36