Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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14. Dezember 1962 Welturaufführung von "Der Schatz im Silbersee"

Das erste gemeinsame Abenteuer, in dem Winnetou - Pierre Brice - und sein weißer Blutbruder Old Shatterhand - Lex Barker - gemeinsam über die Leinwand reiten, durch das Tal von Grobnik, und mit dem Kanu die Plitvicer Seen durchpaddeln. Der Beginn der deutschen Kinolegende um den edlen Apachen-Häuptling aus Brest. Autor: Christian Jungwirth

Stand: 14.12.2022 | Archiv

14 Dezember

Mittwoch, 14. Dezember 2022

Autor(in): Christian Jungwirth

Sprecher(in): Irina Wanka

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Ein Hauch von Hollywood am Neckar? Unmöglich? Doch, funktioniert! Oder besser: hat früher funktioniert. Nämlich in der guten alten Zeit des deutschen Wirtschaftswunders. Als Besucherströme noch ohne Popcorn-Exzesse im Kino auskommen und die farbenfrohe Welt da draußen in Cinemascope über die Leinwände flimmert. Und als es in Stuttgart noch das legendäre Universum-Kino mit 1.900 Plätzen gibt. Dort feiert der bundesdeutsche Film in den 50er und 60er Jahren ungezählte Red-Carpet-Premieren.

Der Schatz vom Kaluderovac-See

Und am 14. Dezember 1962 sogar die Welturaufführung eines Blockbusters: "Der Schatz im Silbersee", nach einer Vorlage von Karl May. Mit 3,5 Millionen DM Budget ist er der bis dahin teuerste deutsche Nachkriegsfilm. Das Rezept von Produzent Horst Wendlandt und Regisseur Harald Reinl ist simpel: nimm den Hollywoodstar Lex Barker, den unbekannten französischen Jungschauspieler Pierre Brice, dazu deutsche Top-Eleven wie Karin Dor, Marianne Hoppe, Ralf Wolter oder Götz George. Garniere das Ganze mit wunderschöner, damals jugoslawischer Landschaft, verpasse kroatischen Bauern und Fischern indianergerechte Wildlederbuxen und Schwarzhaarperücken - fertig ist ein Wildwest-Leinwandepos der Extraklasse! "Der Schatz im Silbersee" bildet den Auftakt einer langen Reihe von Karl-May-Romanverfilmungen. Nicht ganz so berauschend ist seinerzeit die Gagenlage: Lex Barker, der US-Frauenschwarm, sackt als Old Shatterhand mit 120.000 DM am meisten ein, der damals unbekannte Winnetou Pierre Brice, der sich anfangs der Rolle eher verweigert, zieht nach Drehschluss mit 42.000 DM vom dinarischen Karstgebirge ab.

Dass das Drehbuch erheblich vom Original Karl Mays abweicht oder der toupettragende Sam Hawkens - wenn ich mich nicht irre! - im Roman überhaupt nicht vorkommt, gilt beim Erfolgsauftakt dieser Traum-Westernfilme mit Schönbild- und Kugelhagelgarantie für die Fans als Marginalie. Umso lieber zitieren Insektenfreunde bis heute den am Schluss von Lord Castlepool alias Eddi Arent erhaschten Schmetterling Papilio polymnestor parinda.

Winnetou in Uniform

Dazwischen wird 110 Filmminuten lang geschossen, geritten, gelitten, geliebt und betrogen, was das Zeug hält. Am Ende gewinnen, ganz klar, die Guten - und natürlich die Constantin Film. Nach dem Silbersee-Auftakt besiegelt die Winnetou-Trilogie eine epische Blutsbrüderschaft, die noch heute für Groß und Klein einen Regentag zum TV-Glücksmoment erheben kann. Insgesamt elf Mal gibt Pierre Brice bis 1968 gewinnbringend den Film-Häuptling der Apachen. Später noch jahrelang auf Freilichtbühnen. Dann vergessen ihn die Produzenten, nicht aber die Fans weltweit. Vor denen muss sich das Ex-Fotomodell bei der Weltpremiere 1962 in Stuttgart förmlich verstecken. Um aus dem vollen Saal zu kommen, leiht er sich von Polizisten eine Uniform, die ihm schnell an die frische Luft verhilft. A Star is born, titeln damals die Gazetten. 10 Millionen Kinobesucher sehen insgesamt den "Schatz im Silbersee". Ob alle damals so richtig wissen, dass besagter Silbersee nicht im Wilden Westen, sondern als Kaluderovac im heutigen Kroatien noch immer viele ältere Touristen zum Träumen anregt?


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