Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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2. November 1929 Pilotinnen gründen Vereinigung Ninety Nines in den USA

Mit den Männer gleichberechtigt in die Luft gehen wollten viele Pilotinnen in den USA. Jedoch trauten weite Teile der Gesellschaft einer Frau im Cockpit nichts zu. Also schlossen sich Amerikas Pilotinnen zur Vereinigung Ninety Nines zusammen, und kämpften sich den Weg in die Wolken frei. Autorin: Ulrike Rückert

Stand: 02.11.2022 | Archiv

02 November

Mittwoch, 02. November 2022

Autor(in): Ulrike Rückert

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Motoren dröhnten, Hammerschläge hallten von den Blechwänden wider, und es roch nach frischer Lackfarbe. Der Tee wurde auf einem Werkzeugwagen serviert. Im Hangar eines Flugplatzes auf Long Island trafen sich am 2. November 1929 sechsundzwanzig Frauen, um einen Verein zu gründen. Nur aktive Pilotinnen mit Flugschein sollten Mitglied werden können. Ganze einhundertsiebzehn davon gab es in den Vereinigten Staaten, unter mehr als neuntausend Männern. Sämtliche Pilotinnen wurden angeschrieben, und neunundneunzig wollten mitmachen. Diese Zahl wurde zum Namen: "Ninety-Nines Club".

99 heben ab

"Fliegerinnen vereinigen sich, um das Geschlecht aus dem Himmel zu verbannen", verkündete ein Gründungsmitglied in einer Zeitschrift. "Sie wollen Männern absolut gleichgestellt sein." In den Medien wurden Pilotinnen als Inbegriff der modernen Frau gefeiert, aber in der Realität kämpften sie gegen viktorianische Vorurteile. Von den großen Flugwettbewerben, bei denen man hohe Preisgelder gewinnen konnte, waren Frauen ausgeschlossen. Jobs gab es durchaus - gerade weil man ihnen weniger zutraute. Flugzeugbauer stellten sie gern ein, um Kunden zu zeigen, wie einfach und sicher ihre Modelle zu fliegen waren. Wenn eine Frau das kann, kann es jeder, war die PR-Logik. Außerdem hatten sie auch Frauen als Kundinnen im Auge. Großraumjets existierten noch nicht einmal in der Phantasie, ein Linienflieger mit zwölf Plätzen galt als riesig. Man stellte sich eher vor, dass in der Zukunft jede Familie eine eigene Maschine haben und Hausfrauen damit zum Einkaufen fliegen würden.

Schick im Privatjet zum Supermarkt

Aber als Frau eine Stelle bei einer Fluggesellschaft zu bekommen, war praktisch unmöglich. Niemals, hieß es, würden Passagiere ihr Leben einer Frau am Steuerknüppel anvertrauen. Frauen könnten nicht mit Technik umgehen und verlören unter Stress den Kopf. Der führende Flugmediziner erklärte, zweifellos sei die Menstruation die Ursache zahlreicher Abstürze - unbeeindruckt von der Tatsache, dass auch Männer reihenweise verunglückten.

Ninety-Nines schrieben Zeitschriftenartikel, traten im Radio auf und hielten Vorträge, um mehr Frauen fürs Fliegen zu begeistern. "Wenn eine größere Zahl an die Tür klopft, werden mehr Zutritt bekommen", sagte ihr berühmtestes Mitglied Amelia Earhart, empfahl aber auch: "Wenn du an die Tür klopfst, könnte es nützlich sein, eine Axt dabei zu haben. Du musst dir vielleicht den Weg freischlagen."

Schrittweise erkämpften sie sich die Teilnahme an den großen Flugtagen, und 1936 gewannen Ninety-Nines beim prestigeträchtigsten Wettkampf Amerikas den ersten und den zweiten Preis. Im Zweiten Weltkrieg organisierten und leiteten Ninety-Nines Fliegerinnenkorps, die für die alliierten Luftstreitkräfte Überführungsflüge machten und Militärpiloten ausbildeten. Doch erst in den Siebzigerjahren stellten Passagierfluggesellschaften die ersten Pilotinnen ein, und bis heute sind Frauen eine winzige Minderheit in den Cockpits der großen Maschinen.

Die Ninety-Nines gibt es immer noch, sie sind jetzt ein internationaler Club mit - weiblichen - Mitgliedern in aller Welt.


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