Bayern 2 - Das Kalenderblatt


0

17. November 1915 Operette "Die Csárdásfürstin" uraufgeführt

Einen Platz unter den großen Namen der Operette, das will der junge ungarische Komponist Emmerich Kálmán unbedingt. Eingangs läuft das Unterfangen zäh, doch nach und nach erobert er mit Pomp und Pracht und Liebe und Leid die große Bühne, die "Csárdásfürstin" macht ihn weltbekannt. Autorin: Carola Zinner

Stand: 17.11.2022 | Archiv

17 November

Donnerstag, 17. November 2022

Autor(in): Carola Zinner

Sprecher(in): Krista Posch

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Wenn das so weitergeht, stelle ich etwas Schreckliches an, drohte der junge Emmerich Kálmán, als sich kein einziger Verlag für seine symphonischen Dichtungen interessierte. Ich - schreibe - eine - Operette!

Operette, das war Halbseidenes und Talmi, Musik für die Masse zu einfachen Geschichten, in denen sich Mädis aus dem Varieté und befrackte Herren ineinander verlieben, aber wegen des Standesunterschieds nicht heiraten dürfen. Am Ende ging immer alles gut aus, das Publikum verließ zufrieden den Saal und stürzte sich ins Nachtleben, wo es ähnlich zuging wie auf der Bühne.

Niveau?!

Operette, speziell die aus Wien, war damals DAS Format; sie spiegelte das pralle Leben, nur in schön - und begleitet von Melodien, die am Tag nach der Premiere in der ganzen Stadt und wenig später in aller Welt gesungen, gepfiffen, gespielt wurden. Begonnen hatte das bereits mit dem Walzerkönig Johann Strauß, mit Millöcker und Franz von Suppé, doch nun, zu Beginn des 20. Jahrhunderts, war die nächste Generation am Werk, Franz Lehár etwa, Oskar Straus und - Emmerich Kálmán. Jawohl: Als Operettenkomponist hatte er es tatsächlich doch noch geschafft, auch wenn es dem schüchternen Juden aus Ungarn nicht leichtgefallen war, einzudringen in den Operetten-Klüngel, der den Markt fest im Griff hatte.

Hauptsache Liebe

Nach dem "Zigeunerprimas" jedoch, Kálmán erstem großen Wiener Erfolg, stand ihm plötzlich jede "Firma" zur Verfügung, wie man die Autorenteams nannte, die auf Libretti spezialisiert waren.

Eine der brillantesten bestand aus Leo Stein und Béla Jenbach, und dieses Duo überreichte Kálmán im Mai 1914 den ersten Akt zu einer neuen Operette - der die Komponisten sofort in einen regelrechten Schaffensrausch versetzte. Dabei war die Handlung von "Es lebe die Liebe", so der Arbeitstitel, im Grunde das Übliche: Sylva Varescu, eine gefeierte Chansonnière aus Budapest, liebt einen Fürsten mit dem schönen Namen Edwin Ronald von und zu Lippert-Weylersheim und er liebt sie und verspricht ihr die Ehe. Muss aber dann zum Manöver und außerdem auf Wunsch seiner Eltern eine andere heiraten. Dazu kommen dann noch ein lustiger Freund und viel Champagner … besonders originell ist das nicht, aber die Dialoge waren witzig und die Geschichte bot genau jene Kontraste, die Kálmán so liebte: Übersprudelnde Fröhlichkeit, die abrupt umschlägt in tiefe Schwermut, ein Lachen unter Tränen; eine Welt zwischen alter Ordnung, jungem Esprit und orientierungsloser Verzweiflung. Das alles gewürzt mit einer ordentlichen Prise Paprika, sprich, ungarischer Folklore: Das ist die "Csárdásfürstin", wie der Titel der Operette schließlich lautete.

Ihre Premiere fand statt am 17. November des Jahres 1915, in einer Zeit also, als die alte Welt bereits im Trommelfeuer des Ersten Weltkriegs unterging. Aber genau das ist vielleicht das Geheimnis des sensationellen Erfolges der Operette, der - trotz aus jetziger Sicht geradezu verwerflicher Liedtitel wie "Ganz ohne Weiber geht die Chose nicht" oder "Nimm Zigeuner deine Geige" – bis heute nachklingt: In der " Csárdásfürstin " spiegelt sich noch einmal die ganze dekadente Fülle der ausklingenden K.u.K.-Monarchie, eine Welt, deren umkämpften Grenzen nicht zwischen den Völkern liegen, sondern die zwischen den Schichten und den Geschlechtern. Und wo sich am Ende alles in einem einzigen großen Gelächter auflösen darf. Denn es ist halt alles doch nichts Anderes als eine - Operette.


0