Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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21. Oktober 1992 Madonnas Bildband "SEX" löst Skandal aus

Kunstvoll billig fanden die Kritiker Madonnas Bildband "SEX". Dann folgte noch der Thriller "Body of Evidence"…ein Sex-Overkill und Madonnas größter Karriereknick. Autorin: Prisca Straub

Stand: 21.10.2020 | Archiv

21 Oktober

Mittwoch, 21. Oktober 2020

Autor(in): Prisca Straub

Sprecher(in): Caroline Ebner

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

"Dies ist ein Buch über Sex, nicht über Liebe!", verkündet Madonna. Ihr Foto-Bildband trägt den Warnhinweis "Nur für Erwachsene!". Und da alles, was der geschäftstüchtige Superstar seit den frühen 1980ern auf die Bühne bringt, skandalträchtig ist, könnte die voyeuristische Vorfreude kaum größer sein.

Gebürstetes Aluminium

Überhaupt die Aufmachung! Den erotischen Bildband "SEX" zu produzieren, ist ähnlich aufwendig, wie einen Kleinwagen herzustellen, sagt der Verlag. Denn die Auftraggeberin hat knallharte Vorstellungen: großformatiges Metallcover aus gebürstetem Aluminium. Spiralbindung. Eingestanzter Titel auf der Vorderseite und limitierte Seriennummer auf der Rückseite. Der Hersteller - sonst Fachmann für erlesene Kunstbücher - resümiert ermattet: "Ein Metalleinband für Bücher? Nicht gerade empfehlenswert!"

Und das Innenleben, das hoch brisante? "SEX" soll hotter sein, als alles, was Madonna bisher zur Schau gestellt hat. Und dabei haben wir sie schon splitternackt im Playboy gesehen. Auch mit oberarmlangen, weißen Spitzenhandschuhen, im metallic-glänzenden Spitzbusen-Korsett, in knappen schwarzen Leder-Tangas. Als arglose Jungfrau und selbstbewusstes Sex-Objekt. Mit Masturbationseinlagen auf der Bühne! - Wie weit würde sie dieses Mal gehen?

Der Druck der Fotografien wird streng überwacht. Trotzdem verschwinden in letzter Sekunde ein paar Abzüge. Angeblich wird sogar das FBI eingeschaltet. Doch dann, endlich! Am 21. Oktober 1992 erscheint "SEX" - rund um den Globus. Keine zwei Tage später ist die gesamte Auflage restlos vergriffen.

Belanglos, aber doch ein Skandal

Und jetzt!? Als das Metallcover endlich gelüftet wird? - Naja! Zu sehen ist ein bisschen Barbie, ein bisschen Domina. Madonna mit Lederpeitsche und Hundehalsband.

Soft-Sex-Erotik mit Männern, mit Frauen - zu zweit, zu dritt. Wieder mal splitternackt, als Tramperin, bekleidet nur mit High Heels und Handtäschchen. Perfekt inszeniert, perfekt ausgeleuchtet. Und ziemlich angestrengt - und irgendwie - auch belanglos.

Doch die Rechnung der Pop-Diva geht auf: Es hagelt Hass und Häme. Stürme der Entrüstung brechen los. Öffentliche Büchereien erhalten ein Ankaufsverbot. In einigen Ländern wird der Bildband gleich ganz verboten - und Deutschland debattiert darüber, ob sich der Buchhandel mit dem Verkauf von "SEX" nicht auf das Niveau schmuddeliger Videoverleihs herabbegebe. Alles läuft nach Plan: Die Öffentlichkeit tobt. Madonna kann sich wieder anziehen.

Und tatsächlich: In Zukunft provoziert "Porno-Donna" etwas zugeknöpfter. Taucht auf in der Öffentlichkeit mit sündhaft teuren Chinchilla-Pelzen. Die Tierschützer schäumen. Dann bringt sie Kinderschutz-Organisationen zur Weißglut, als sie die Adoptions-Richtlinien im ostafrikanischen Malawi umgeht. Ja, inzwischen ist sie nämlich mehrfache Mutter, hat ein paar Kinderbücher herausgegeben und singt Wiegenlieder.

2002 - zum zehnten Jubiläum - soll eine Neuauflage von "SEX" erscheinen. Als Taschenbuch. Doch Madonna stoppt die Produktion: Der Star findet: Das Werk würde inzwischen nicht mehr zu ihrer neuen Rolle als Mutter passen.


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