Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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31. Oktober 1756 Giacomo Casanova flieht aus dem Dogenpalast

Manchmal möchte man im Leben einfach nur Abenteuer. Doch dann sind andere dagegen oder gleich das Gesetz gibt gewisse Ideen nicht her. Für Giacomo Casanova waren solche Hürden höchsten Herausforderungen. Selbst die Bleikammern von Venedig hielten ihn nicht ab vom nächsten Abenteuer. Autorin: Silke Wolfrum

Stand: 31.10.2022 | Archiv

31 Oktober

Montag, 31. Oktober 2022

Autor(in): Silke Wolfrum

Sprecher(in): Krista Posch

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Mit Resilienz bezeichnen Psychologen die Fähigkeit, sich nicht unterkriegen zu lassen, nach jeder Krise, jedem Schicksalsschlag schnell wieder aufzustehen und weiterzumachen. Ein Meister der Resilienz war Giacomo Casanova. Wir verbinden mit seinem Namen ja den Frauenheld - der er auch war: In seinen Memoiren erwähnt er 116 Liebschaften, in Wahrheit waren es wohl um die tausend. Aber doch sind seine erotischen Eskapaden nur eine der zahlreichen Facetten seines mit Abenteuern gepflasterten Werdegangs. Bereits mit 31 Jahren hatte er mehr erlebt, als unsereins mit 91.

Erleben, was geht

Er hatte bereits die Priesterweihe erhalten, war beim Militär gewesen, hatte als Advokat gearbeitet, war in alle möglichen Länder gereist und hatte es dann zwei Jahre in seiner Heimatstadt Venedig krachen lassen, das heißt - mit seinen eigenen Worten ausgedrückt - er hatte sich "über alles lustig gemacht, was (ihm) töricht erschien, Heiliges und Weltliches". Bis heute weiß man daher nicht, warum genau er im Juli 1755 in die gefürchteten Bleikammern des Dogenpalastes gesperrt wurde. War es der Besitz verbotener Bücher? Sein Freimaurertum? Gotteslästerung? Die Verschwendung der Gelder seiner Gönner? Oder doch nur ein Liebesabenteuer?

Jede Menge Knast-Gründe

Gegen letzteres spricht, dass besagte Bleikammern politischen Gefangenen vorbehalten waren. Wessen er angeklagt wurde und wie lange seine Strafe dauern würde, soll Casanova nie erfahren haben. Er selbst hätte dem ganzen Schlamassel entgehen könnten, hätte er den Spitzel der Inquisition bemerkt, der ihm auf die Fersen gesetzt worden war oder hätte er zumindest die Warnungen eines Hausmitbewohners nicht in den Wind geschlagen. Doch Casanova fühlte sich vollkommen unschuldig und machte auch erstmal in aller Seelenruhe seine Toilette, bevor er sich vom Venezianischen Polizeichef abführen ließ. Später schrieb er, dass die ganze Situation ihm zunächst vor allem in einem Punkt zu schaffen machte: Sie war "harntreibend". Zwei große Nachttöpfe hat er gefüllt, als ihn der Polizeichef in seiner Amtsstube 4 Stunden lang warten ließ, bevor er dann endgültig hinter Schloss und Riegel kam.

Dort saß er dann und wurde NICHT trübsinnig. Sein einziger Gedanke: Wie komm ich hier wieder raus? Er grub ein Loch in den Boden und als es endlich gerade groß genug für ihn war – wurde er in eine andere Zelle verlegt. Was machte Casanova? Er verzweifelte NICHT, er machte weiter. Er gewann Pater Balbi, einen Mitgefangenen als Komplizen, schmuggelte ihm in einer Bibel Werkzeug zu. Gemeinsam deckten sie die Bleiplatten des Daches ab - deswegen übrigens der Name Bleikammern -  und schlüpften am 31. Oktober 1756 in die Freiheit.

Tja, und dann ging sein Leben lustig weiter. Er reiste durch ganz Europa, verkehrte trotz bürgerlicher Herkunft in den besten Adelshäusern, traf alles, was so Rang und Namen hatte, vom Papst bis zu Katharina der Großen, wurde immer wieder mal eingesperrt und freigelassen, bis er sich dann irgendwann in Böhmen zur Ruhe setze und seine Memoiren schrieb, die Weltliteratur werden sollten. Zusammengefasst also: Frauen, Freude, Eierkuchen - und ganz viel Resilienz.


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