Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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11. November 1842 Erstmals Pils ausgeschenkt

Wir haben es erfunden, sagten die Pilsener und wollten den Erfolg nicht mit anderen teilen, die auch anfingen ein Bier zu brauen wie ihres: Herb und dunkelgolden. Pils. Aus Pilsen bitteschön! Doch nach langem Hin und Her mussten die Pilsener akzeptieren, dass es Pils nun überall geben darf. Autorin: Julia Devlin

Stand: 11.11.2021 | Archiv

11 November

Donnerstag, 11. November 2021

Autor(in): Julia Devlin

Sprecher(in): Johannes Hitzelberger

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Gab es jemals eine Welt ohne Pilsener Bier? Schwer vorstellbar. Pils, das steht für Bier schlechthin. Und doch, so alt das Bier auch ist, das Pils ist ein eher junger Spross der Familie. Bier gibt es nachweislich seit mehr als 13.000 Jahren. Das Pils erst seit guten anderthalb Jahrhunderten. Am 11. November 1842, zum Martinimarkt, wurde es das erste Mal in der Stadt Pilsen ausgeschenkt, durften in den Gasthöfen "Goldener Adler", im "Weißen Rosse" und im "Hanes" die Pilsener Bürger zum ersten Mal die feinen Perlen, die goldgelb-klare Farbe, die schneeweiße, sahnige Schaumkrone und das edel-bittere Hopfenaroma probieren.

Prost!

Das Bier der Stadt Pilsen war bis dahin kein Quell der Freude gewesen. Deswegen hatte man sich auf die Suche nach einem Braumeister begeben, der sein Handwerk besser verstand. Und man fand Josef Groll. Er kam aus Vilshofen in Bayern und hatte zuhause, aber auch auf längeren Wanderschaften einen großen Erfahrungsschatz gesammelt. Sein Erfolgsrezept: Er kombinierte die in Pilsen heimischen Zutaten mit einer in Bayern bewährten, untergärigen Hefe und ließ das Bräu lange bei kühlen Kellertemperaturen reifen. 

Pils für die Welt!

Von Pilsen aus trat das Pils seinen Siegeszug an. Zunächst eroberte es sich die Länder der k.-und k.-Monarchie. Mit Ausbau des Eisenbahnnetzes wurde Pilsener Bier dann nach ganz Europa und sogar nach Übersee exportiert.

Das neue Bier setzte andere Brauereien ganz schön unter Druck. Überall begann man nun Pils zu brauen und es, auch wenn die Bierquelle gar nicht in Pilsen stand, trotzdem so zu nennen. Schon Ende des 19. Jahrhunderts galt die Bezeichnung "Pils" nicht mehr als Herkunftsname, sondern als Gattung, als ein Biertyp. Das ging den Pilsenern zu weit. Ihre Empörung ist verständlich: Nur der Schaumwein aus der Champagne darf sich Champagner, nur der Wein von der Mosel darf sich Moselwein nennen. Aber Bier nach Pilsener Brauart darf überall Pils heißen?

Die Pilsner stürzten sich darob in gar manche Rechtsstreitigkeiten. Und verloren meistens. Zunächst hatte es noch Kompromisslösungen gegeben. So, wenn ein entlokalisierender Zusatz vor "Pils" stand. Beim "Allgäuer Emmentaler" hatte das ja auch funktioniert. Doch je länger die biertrinkende Bevölkerung sich an Pils als Bierart gewöhnte, je länger "Pils" als ein Synonym für ein hopfiges, untergäriges Bier galt, desto mehr wurden Gewohnheitsrechte geschaffen. Und der Eiserne Vorhang tat ein Übriges: Ein Gerichtsurteil zu Beginn der Achtziger-Jahre schmetterte eine Klage aus Pilsen ab. Begründung: niemand brächte mehr den Namen "Pils" mit der Stadt in Westböhmen in Verbindung. Nur noch mit Bier. Sind die Pilsener Opfer ihres eigenen Erfolges geworden?


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