Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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22. März 1935 Erster Fernsehsender der Welt startet

Als der erste Fernsehsender der Welt "Paul Nipkow" am 22. März 1935 in Berlin in Betrieb ging, war die Sendequalität so schlecht, dass Hitler und Goebbels für die Propaganda lieber auf das Radio setzten. Doch die Leute waren zufrieden.

Stand: 22.03.2010 | Archiv

22 März

Montag, 22. März 2010

Autor: Markus Mähner

Redaktion: Thomas Morawetz

Alles passiert irgendwann zum ersten Mal, auch das Selbstverständlichste von der Welt. Um einen solchen Fall geht es jetzt: Am 22. März 1935 hat der erste Fernsehsender der Welt, der Sender Paul Nipkow, den Betrieb aufgenommen. Vom Berliner Funkturm aus. Das heißt: Ab jetzt gab’s Fernsehen für die Leute. Der Schwachpunkt: Es gab noch keine Fernseher. Oder kaum welche. Und die standen lange noch nicht in Wohnzimmern.

So versammelten sich im nationalsozialistischen Deutschland die ersten Mattscheibenopfer in öffentlichen Räumen zum Fernseh-Schauen. "Opfer" passt, weil in diesen sogenannten Fernsehstuben mussten an die 40 Menschen auf zwei Bildschirme gaffen, die gerade mal 18 auf 22 Zentimeter maßen - ein Notebook-Bildschirm von heute ist groß dagegen! Und nicht nur das: Das, was da eigentlich zu sehen sein sollte, war oft nur zu erraten - Kontrastarmut und schlechte Bildauflösung forderten ihren Zoll!

Trotzdem waren die Fernsehstuben immer sehr gut besucht, und schon bald brauchte man größere Räume. Da hatten dann schon an die 300 Zuschauer Platz. Das Bild flimmerte jetzt auch auf richtigen Kinoleinwänden - was aber nur "irgendwie" besser war, denn eigentlich wurde das Elend dadurch nur größer, denn an der miserablen Qualität der Bilder änderte sich nichts.

Die Fernsehstubenplätze waren sicher auch deshalb so begehrt, weil der Eintritt nichts kostete - und: Sie waren beheizt!,  was man besonders in den Kriegsjahren nicht von jeder Privatwohnung sagen konnte. Häufig kam es deshalb auch zu Protesten, wenn die Zuschauer wieder auf die Straße geschickt wurden, damit auch mal andere in den Genuss des Fernseheprogramms kamen - und das war ähnlich wie das Nachmittagsprogramm heute: Neben der obligatorischen Wochenschau dominierte die leichte Kost: vom Musikantenstadl über Tiersendungen, Talk-Shows mit dem Thema "Sind Filmküsse echt" bis hin zur Koch-Show - mit dem heimeligen Titel: "Die Hausfrau im Kriege". Abendfüllende Spielfilme gab es nicht - die hätte auch keiner auf den schlechten Bildschirmen ausgehalten.

Die Idee war also insgesamt gut, aber noch nicht wirklich brauchbar. Vor allem nicht für Hitler und Goebbels. Die wollten für ihre Zwecke ein gut funktionierendes Propagandamedium und setzten auf das Radio statt auf das Fernsehen. Damit verkannten sie das Potential, das im einflussreichsten Massenmedium des 20. Jahrhunderts steckte. Die Ironie an der Sache ist, dass die Reichsführung schon bald eine deutlich verbesserte Technik entwickelt hatte und nutzte - und zwar allein für militärische Zwecke: Bildauflösungen, wie die vom heutigen HDTV - also dem hochauflösenden Fernsehen - waren bereits während des Krieges möglich und wurden für die Luftaufklärung eingesetzt. Und hätte man 1935 nur noch wenige Wochen mit der Inbetriebnahme des ersten regelmäßigen Fernsehsenders der Welt gewartet, so wäre schon von Anfang an die Bildqualität des "Senders Paul Nipkow" annehmbar gewesen. Doch man wollte schneller sein als die Engländer und startete einen technisch miserablen Fernsehsender, dessen Tage gezählt waren: Als im Juni 1944 auch noch die erfolgreiche Sendung "Wir senden Frohsinn - wir spenden Freude" eingestellt wurde, formierten sich die Fernsehmacher zu einer Wanderbühne um und tourten durch Lazarette um dort Frohsinn zu senden und Freude zu spenden - sofern das am Ende des Krieges noch möglich war!


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