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20. Oktober 1968 Dick Fosbury springt den "Fosbury-Flop"

Dick Fosbury revolutionierte den Hochsprung. Er erfand den Fosbury-Flop, bei dem der Athlet die Latte rückwärts überquert. Autor: Hartmut E. Lange

Stand: 20.10.2020 | Archiv

20 Oktober

Dienstag, 20. Oktober 2020

Autor(in): Hartmut E. Lange

Sprecher(in): Ilse Neubauer

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Wenn die millionenschweren Jungs nicht so kicken, wie es Fans und Sponsoren erwarten, Bälle lustlos hin und her schieben und zu wenig Tore schießen, dann droht - Gehaltskürzung! Ha - ha! War ein Witz. In Wirklichkeit sieht es anders aus: als erstes erwischt es den Coach.

Sturheit siegt

Trainer sind extrem wichtig, nicht nur im Teamsport, auch für Einzelwettkämpfer. Der amerikanische Leichtathlet Richard Douglas Fosbury hat in nicht mal zwei Jahren vier Trainer verschlissen. Die wurden aber nicht gefeuert, sie haben freiwillig das Handtuch geworfen. Trennungsgrund war... tja, wie soll man es nennen... Eigensinn? Sturheit? Individualismus? Wahrscheinlich von allem etwas.

Eigenbrötler haben es nie leicht, denn Kritiker und Bedenkenträger gibt es immer zu Hauf. Das muss auch der 21-jährige Student der Oregon State University in Corvallis feststellen. Seine Trainer benehmen sich wie verzweifelte Eltern, die ihrem Sprössling mit nicht enden wollender Geduld den Stift aus der linken Hand nehmen, und in die rechte drücken. Damit er gefälligst so schreibt wie alle andern auch!

Doch bei Dick, wie Douglas genannt wird, geht es nicht um links oder rechts, sondern um vorwärts oder rückwärts. Und nicht ums Schreiben, sondern ums Springen. Ums Hochspringen. Da gibt’s bis dato nur eine Art, wie Athleten - vom Schulsportler bis zum Weltrekordinhaber – das Hindernis überwinden: Straddle –  dabei wälzt sich der Springer bäuchlings über die Latte.

Beim Anblick des neuen Stils, den Fosbury kreiert hat, rutscht selbst dem amtierenden Trainer Nummer fünf über die Lippen: So wird nie etwas aus Dir. Damit kannst Du vielleicht im Zirkus auftreten! Doch Fosbury lässt sich nicht beirren, stur feilt er weiter an der Verbesserung seines Stils. Er hat nämlich mit der völlig neuen Art zu springen seine bisherige Bestleistung auf Anhieb um 10 Zentimeter verbessern können.

Im Frühjahr 1968 wird Fosbury überraschend US-Studentenmeister, kurz darauf qualifiziert er sich für Olympia. Ab jetzt ist der schlaksige 1-Meter-93-Bursche in den USA bekannt, doch auf internationalem Parkett rangiert der Name Fosbury noch in der Rubrik "Nie gehört".

Das ändert sich am 20. Oktober 1968 in Mexiko-Stadt. Bei seinem ersten Sprung erhebt sich schallendes Gelächter aus den Zuschauerrängen.

Was war das denn?! Dieser verrückte Amerikaner springt  R Ü C K W Ä R T S  über die Latte! Unglaublich, so was hat die Welt noch nicht gesehen! Jetzt schon! Millionen Zuschauer vorm Fernseher rund um den Globus, und 80 000 live im Stadion. Die anfängliche Verwunderung verwandelt sich blitzschnell in Begeisterung, das Publikum begleitet jeden weiteren Versuch des Amerikaners mit einem schallenden "Ooo-leeè!" Fosbury überspringt als Einziger 2 Meter 24 – und gewinnt olympisches Gold.

Fosbury Flop revolutioniert die Leichtathletik

Zurück in der Heimat ist Dick der neue Held der USA. Er tingelt quer durchs Land, von einer Talkshow zur nächsten. Sponsoren stehen vor der Tür, winken mit Dollarbündeln, versprechen eine lukrative Profi-Karriere. Aber Dick hat das Leben aus dem Koffer satt, beendet 1969 den Leistungssport und setzt sein Studium fort.

Vier Jahre nach Mexiko erkämpft Ulrike Meyfahrt in München olympisches Gold im Hochsprung der Damen. Der Erfolg der 16-jährigen Deutschen ist eine riesige Überraschung. Die Art und Weise, wie sie über die 1 Meter 92 hohe Latte segelt, aber nicht. Denn in der Weltspitze springt inzwischen jeder: rückwärts – den Fosbury Flop.


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