Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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1. April 1977 Der Kraudn Sepp stirbt

Wirklich berühmt als Zitherspieler und Volksmusiksänger wurde er erst hochbetagt: der Kraudn Sepp. Doch er wurde zum Vorbild von der Biermösl Blosn bis Willy Michl, und vielen gilt er gar als der bayerische Johnny Cash. Seine Herangehensweise an die Volksmusik war grad und völlig undogmatisch. Autor: Markus Mähner

Stand: 01.04.2022 | Archiv

01 April

Freitag, 01. April 2022

Autor(in): Markus Mähner

Sprecher(in): Johannes Hitzelberger

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Genauso mögen wir ihn, den bayerischen Revolutionär: Ein Wilderer, ein Sänger, der sich um nichts schert, aber eine gute Haut, ursprünglich und mit dem Boden verhaftet auf dem er steht. Und: eine gute Portion gschert soll er sein!

Sepp und Annerl

Und so sehen ihn viele heute noch, den Josef Bauer vom Kraudnhof aus Gaißach-Lehen im Tölzer Isartal. Derweil, ein Revolutionär ist er keineswegs gewesen - und ein Wilderer schon gleich gar nicht. Der "Kraudn-Sepp" war die längste Zeit seines Lebens ein recht armer, wortkarger und äußerst arbeitsamer Bauer. Schon auf dem Hof seiner Eltern bleibt ihm nichts anderes übrig als tüchtig mit anzupacken. Und auch als er Anna Trischberger heiratet und mit ihr den Hof ihrer Großeltern übernimmt, bleibt ihm nichts anderes übrig als täglich 12 Stunden "ins Holz" zu gehen oder sich für weit unter Mindestlohn beim Torfstich abzurackern. Die wenigen Kühe, die sie besitzen, dienen alleinig der Selbstversorgung. Abends wird musiziert - zusammen mit "Bandleaderin" Annerl und ihren Geschwistern Maria und Diktl Trischberger. Als es das "Gaißacher Zither- und Sänger-Quartett" 1930 beim großen Volksmusik-Preissingen am Tegernsee auf den zweiten Platz schafft, gibt es nun auch angemessen bezahlte Auftritte. Und: da Annerl inzwischen ein großes Repertoire an Liedern angesammelt hat, interessieren sich Brauchtumspfleger, Volksmusiksammler und andere Musiker für das Quartett. Allen voran der Kiem Pauli - Sammler, Archivar und Hohepriester des wahren bayrischen Volkslieds.

Schluss mit lustig

Als das geliebte Annerl im Oktober 1964 nach langem Krebsleiden stirbt, ist erstmal Schluss: Schluss mit dem "Gaißacher Zither- und Sänger-Quartett", Schluss mit der Waldarbeit, dem Torfstechen, ja mit der Landwirtschaft überhaupt. Sepp - ohnehin schon im Rentenalter - übergibt den Hof an die Nichte. Schluss ist auch mit der Zither und dem Singen. Zumindest vorerst.

Bis der Sepp bei einem Krankhausaufenthalt ein Jahr später von einem Mitpatienten um Musik gebeten wird. Und da entsteht der neue Kraudn Sepp - der, wie wir ihn heute kennen und wie ihn wohl weder seine Frau noch der langjährige Freund Kiem Pauli gutgeheißen hätte: Sepp spielt mit seiner Zither für alle und jeden: Erst in den Krankenhauszimmern, später in Wirtshäusern und sogar im Wartezimmer des Tölzer Heilpraktikers Thomas Rest. Und nicht immer spielt er nur dann auf, wenn man ihn darum bittet. Hauptsache Publikum! Und das will unterhalten werden!

Um echte und wahre Volksmusik indes geht es dem Gaißacher dabei wenig. Gespielt wird was gefällt! Dem Sepp und vor allem auch dem Publikum. Und er weiß: Mit frivolen Couplets oder mehrdeutigen Gstanzln bekommst Du sie immer! Und natürlich mit Wildererliedern, Outlaw-Songs, wie dem über Annas Onkel Andrä, der beim Wildern erschossen worden ist.

Als der "Kraudn Sepp" am 1.April 1977 stirbt, ist er durch seine Spielwut zur lebenden Legende geworden.


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