Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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9. Mai 2022 Der bayerische Kurprinz Karl Albrecht besteigt den Vesuv

Weil es beim Vater, Kurfürst Max Emmanuel, imagetechnisch nicht so gut läuft - zu viele Kriege und Ränke und Auseinandersetzungen - soll der Filius es richten. Kurprinz Karl Albrecht geht auf PR-Tour für Bayern und bezwingt dabei mal eben den Vesuv. Autor: Simon Demmelhuber

Stand: 09.05.2022 | Archiv

09 Mai

Montag, 09. Mai 2022

Autor(in): Simon Demmelhuber

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Buckeln, betteln, Abbitte leisten? Ja, warum denn? Weil er sich mit Frankreich gegen Kaiser und Reich verbündet hat? Weil Österreich Bayern besetzt und ihn mit Sack und Pack vertrieben hat? Weil er Land und Herrschaft nur den Franzosen verdankt, die seine Rückkehr durchgesetzt haben? Nein! Kurfürst Max Emanuel ist mit sich im Reinen. Die Hoffnung auf einen Teil Spaniens und vielleicht sogar die Königskrone war die Sache wert, das war er sich und dem Haus Wittelsbach einfach schuldig.

Image-Problem

Trotzdem: das Renommee ist ramponiert, das Rüchlein des Reichsverräters hängt streng in der Luft. Den im Spanischen Erbfolgekrieg lädierten Ruf ein bisserl aufzupolieren, könnte nicht schaden. Da trifft es sich gut, dass Karl Albrecht, der älteste Sohn, in Kürze volljährig wird. Damit ist der Kurprinz reif für seine Grand Tour: Erfahrung sammeln, die Hörner abstoßen, Wissen und Manieren verfeinern, weltläufig werden - das gehört sich so beim europäischen Adel, und für regierende Häuser erst recht.

Mission Publicity

Doch in diesem Fall dient die Bildungsreise mehr als dem persönlichen Feinschliff.
Sie ist eine dynastische Mission: Karl Albrecht soll Netzwerke knüpfen, Seilschaften stärken, Verbündete umgarnen, kurz: die Kletterhaken für den Wiederaufstieg der Familie einschlagen.
Acht Monate sind für den Giro d’Italia geplant. Die Scharm- und Kompetenzkampagne führt - meist per Kutsche, gelegentlich im Sattel, aber auch per Schlitten oder Schiff - von München über Venedig, Florenz, Rom nach Neapel und zurück.
Der fürstliche Filius hat ein volles Dauerprogramm: Empfänge, Bälle, Opern, Messen, Besichtigungen, alles öffentlich, nichts privat.

Anfang Mai 1716 erreicht Karl Albrecht Neapel, den südlichsten Punkt seiner Reise. Und Neapel bedeutet Vesuv! Von diesem Feuerteufel ist die Epoche schier besessen. Er wird gezeichnet, gemalt, besungen, beschrieben, erforscht. Kein Reisender darf ihn missen, jeder muss ihn sehen. Doch der Kurprinz will den Vesuv nicht nur bestaunen. Er will, ganz der Papa, hoch hinaus und den Höllenberg höchst dero selbst bezwingen.

Das kühne Abenteuer beginnt im Morgengrauen des 9. Mai 1716. Karl Albrecht bricht nach gehörter heiliger Messe mit zunächst großem Gefolge auf. Doch schon auf halber Strecke sinkt den meisten der Mut. Zu schrecklich ist der Weg, zu groß sind die Strapazen. Allein der Prinz scheut weder Schweiß noch Gefahr. Nicht knietiefe Asche und Schwefelgestank, nicht das diabolische Donnern und Grollen des Berges hält ihn davon ab, der Welt ein denkwürdigstes Zeugnis bayerischer Beherztheit und angeborenen Heldenmuts zu geben.

Und wirklich: Umwabert von giftigen Dämpfen, von Hitzeschlieren umglost, tapferer als jeder Fürst zuvor, robbt der Kurprinz bis an den Rand des Kratermauls heran und blickt geraume Zeit furchtlos ins Innerste der prasselnden Glut. O du kraftgesegnetes Bayern! Was dein künftiger Herrscher an diesem Tag zum ewigen Ruhm des Stammes vollbringt, sei allen Feinden warnend hinter die Löffel geschrieben: leo bavaricus numquam timet et vincit semper! Anders gesagt: Mir san mir, und uns kon koana!


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