Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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13. Oktober 1961 DDR-Ampelmännchen starten durch

Er ist ein echter Ossi. Eine Lichtgestalt, die auch den Westen erobert hat: Das knuffige Ampelmännchen aus der DDR hat am 13. Oktober 1961 als Prototyp im Verkehrsministerium seine Aufwartung gemacht. Autorin: Prisca Straub

Stand: 13.10.2020 | Archiv

13 Oktober

Dienstag, 13. Oktober 2020

Autor(in): Prisca Straub

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Der Hut könnte möglicherweise Schwierigkeiten machen - zu kleinbürgerlich und - naja, irgendwie aus der Zeit gefallen. Doch die flache Kopfbedeckung mit der breiten Krempe sitzt wie angegossen. Sie steht dem kleinen Kerl auf Anhieb, findet Karl Peglau. Am 13. Oktober 1961 präsentiert der Psychologe seine Entwürfe dem Verkehrsministerium der DDR: das Ost-Ampelmännchen. Einmal als roter "Steher" mit weit ausgebreiteten Armen und als grüner "Geher", der mit weit ausholendem Schritt voraneilt.

Auf Linkskurs - Erfolgsgeschichte mit Hut

Allerdings ist die Lichtgestalt noch lange nicht verkehrstauglich, finden die Genossen – und Karl Peglau muss seinen Schützling auf einen beschwerlichen Gang durch die Instanzen schicken. Dabei verliert er als erstes seine Finger, dann auch die Ohren. Doch Peglau lenkt ein: Schon gut, auf Ampelgläsern für Fußgänger ist schließlich kein Platz für allzu viele Details. Im Gegenzug darf der kleine Mann seine Stupsnase behalten, immerhin! Allerdings, dieser Bauchansatz! Deutet sich da ein leichtes Übergewicht an? - Nein! Als sympathischer Zeitgenosse verträgt er durchaus etwas Leibesfülle, erklärt Verkehrspsychologe Peglau. - Na gut! - Nur bei der Laufrichtung kennt das Ministerium kein Pardon. Die Anordnung ist unmissverständlich: Im Straßenverkehr der DDR wird ausschließlich nach links marschiert. Der Geher muss also die Richtung wechseln - und zwar so schwunghaft, dass er seinen grünen Kopf dabei ein wenig in den Nacken legt. - Überraschenderweise ist der Hut gar kein Problem. Warum? Ganz einfach: Ein Hut vergrößert die Leuchtfläche. Das Symbol kann dadurch leichter erkannt werden. Außerdem hatte man vielleicht den Genossen Honecker vor Augen. Der ist ja auch den ganzen Sommer mit Panama-Hut unterwegs gewesen - beschäftigt wie er war, die Grenze nach West-Berlin abzuriegeln … Ein Hut geht also schwer in Ordnung!

In diesem Outfit und auf Linkskurs wird der Ampelmann schließlich für diensttauglich erklärt - und kann einige Jahre später endlich losstiefeln. Im Herzen Berlins übernimmt er 1969 seine erste Schicht - an der Kreuzung Friedrichstraße / Unter den Linden. Wohlgelaunt und freundlich - der fürsorgliche Hutträger in Rot und Grün wird zu einer unverwechselbaren ostdeutschen Sympathiefigur. Schritt für Schritt.

Wer hilft dem Mann mit Hut?

Der Affront kommt gute 20 Jahre später. Nach dem Ende der DDR soll der gemütliche kleine Mann aus dem Verkehr gezogen werden; verdrängt von einem stromlinienförmigen Kollegen aus dem Westen - ohne Hut! Bei Rot steht der Westmann stramm wie ein preußischer Offizier, die Hände an die Hosennaht gepresst. Bei grünem Licht fehlt der Bein-Bewegung die schwungvolle Dynamik. Außerdem ist der Typ dermaßen dürr, dass er viel weniger Licht durchlässt als der altgediente Ampelmann Ost.

Kein Wunder, dass die Leute ihren kleinen Kerl wiederhaben wollen. Und tatsächlich: Das "Komitee zur Rettung der Ampelmännchen" bringt den kleinen Kerl zurück, der jetzt nicht nur im Osten, sondern sogar im Westen leuchten darf. So wurde aus Karl Peglaus Ampelmännchen - die weltweit vielleicht einzige Lichtgestalt mit Hut.


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