Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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26. April 1731 Daniel Defoe stirbt

Brillant und witzig war er schon immer, und deshalb schätzte ihn die Politik als Ghost-writer. Erst sehr spät ist er darauf gekommen, dass er bei seinen Talenten viel besser Romane schreiben könnte. Am 26.04.1731 starb Daniel Defoe, der geistige Vater von Moll Flanders und Robinson Crusoe.

Stand: 26.04.2010 | Archiv

26 April

Montag, 26. April 2010

Autorin: Susanne Tölke

Redaktion: Thomas Morawetz

Der Teufel hat immer die besten Stellen - das weiß jeder gute Prediger. Mit der Beschreibung von Laster und Sünde unterhält man das Publikum allemal besser als mit der Schilderung eines Gott wohlgefälligen Lebens. Am besten ist die Predigt, wenn sie die irdischen Verfehlungen in aller Breite schildert, die Reue und Buße hingegen kurz und kraftvoll am Schluss. In diesem Sinne erzählt auch die lasterhafte Moll Flanders ihr Leben im England des ausgehenden 17. Jahrhunderts: Auf viele Laster folgt am Schluss die innere Einkehr, bußfertig, aber kurz! Die Leser waren begeistert.

Wo sonst fand man ein Erbauungsbuch, das den Menschen an seine Vergänglichkeit erinnerte und trotzdem so unterhaltsam war? Was versprach nicht allein schon der Titel! Die glücklichen und unglücklichen Begebenheiten der berüchtigten Moll Flanders, welche im Zuchthaus geboren, durch sechzig Jahre ein wechselvolles Leben geführt hat, zwölf Jahre Hure, zwölf Jahre Spitzbübin und fünfmal verheiratet war, einmal sogar mit ihrem eigenen Bruder, welche zum Galgen verurteilt, aber begnadigt und nach Virginia verbannt war, die zuletzt aber reich wurde, ehrbar lebte und bußfertig starb."
Mit anderen Worten: Jede Menge Abenteuer und am Schluss ein angenehm kurz erhobener moralischer Zeigefinger.

Daniel Defoe, der Verfasser des berühmten Romans, hat das Prinzip der guten Predigt schon von Kindesbeinen an gelernt. Der Sohn strenggläubiger Presbyterianer war ein fleißiger Kirchenbesucher und wäre wohl selbst Geistlicher geworden, wenn ihm und seinesgleichen die Hochschulen nicht verschlossen geblieben wären. Defoe war gerade zwei Jahre alt, als König Karl II. allen "Dissenters" den Zugang zu höheren Schulen, zu Universitäten und zu allen Staatsämtern verbot. "Dissenters", Abweichler, nannte man alle Andersgläubigen, die nicht zur Anglikanischen Hochkirche gehörten: die Quäker, die Methodisten, die Presbyterianer. Daniel Defoe war damit von Anfang an der Weg ins öffentliche Leben versperrt. Dass er sich trotzdem eine gediegene humanistische Bildung aneignete, spricht für die Qualität der Privatschulen, die die unterdrückten Dissenters für ihre Kinder aufbauten.

Sein Witz war sogar so brillant, dass ihn die konservativen Tories aus dem Gefängnis von Newgate freikauften, wo er wegen einer Kampfschrift für die puritanische Sache zwei Jahre einsitzen musste. Sie taten es freilich nicht umsonst: Der Freikauf war an die Bedingung geknüpft, als Journalist für die Tories zu arbeiten, die ärgsten Feinde der Dissenters. Defoe stimmte zu. Zweimal war er schon bankrott gegangen, als er sich im Seehandel versucht hatte, und irgendwann muss ihm der puritanische Idealismus abhanden gekommen sein. Er schrieb mal für die Tories, mal für die Whigs, je nachdem, wer besser zahlte, schrieb das, was die Auftraggeber hören und die Leser lesen wollten, ja, er ließ sich sogar für Spitzeldienste anheuern. Den Glauben an die Politik hatte er längst verloren.

"Ich habe das Innere aller Parteien bis in den hintersten Winkel kennengelernt, und ich sage: alles bloß Komödie und leere Fassade. Die Opposition heuchelt, um an die Regierung zu kommen und die Regierung heuchelt, um an der Macht zu bleiben. Alles nur Maske."

Daniel Defoe

Sollten die Leute doch haben, wonach sie verlangten! 200 Seiten Abenteuer und zwei Seiten Moral! So mag er sich´s gedacht haben, als er mit sechzig anfing, Romane zu schreiben. Er tat es nur, um die Kasse aufzubessern, aber der Seemann Robinson Crusoe und die Hure Moll Flanders machten ihn schlagartig berühmt. Schade, dass er erst als älterer Herr auf die Idee kam, neun Jahre vor seinem Tod am 26. April 1731. Er hätte sich eine Menge Ärger erspart.


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