Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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15. Dezember 1860 Bürger-Sänger-Zunft München präsentiert erstmals die Bayernhymne

Die Bayernhymne: heute die offizielle Hymne des Freistaats Bayern. Der Text der ursprünglichen drei Strophen stammt von Michael Öchsner, die Melodie von Konrad Max Kunz, beide waren Mitglieder der Bürger-Sänger-Zunft München, die das Lied am 15. Dezember 1860 zum ersten Mal aufführte. Autor: Thomas Grasberger

Stand: 15.12.2022 | Archiv

15 Dezember

Donnerstag, 15. Dezember 2022

Autor(in): Thomas Grasberger

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Der singende Mensch - da gibt's kaum Zweifel - ist eine Bereicherung für die Welt. Meistens zumindest. Denn Singen regt die Durchblutung an, von Hirn und Lunge und was es sonst noch so gibt an Innereien: Herzen zum Beispiel, denn gemeinsames Singen stärkt ja auch das Gefühl von Verbundenheit. Und es fördert die Geselligkeit, vor allem danach, beim Aprés-Sing, wenn trockne Kehlen wieder befeuchtet werden, was oft mit alkoholischen Getränken erfolgt, die alsbald zu neuer Sangesfreude anstacheln. Ja, Singen ist schön und gesund. Ausnahmen bekräftigen diese Regel und sollen nicht unerwähnt bleiben. Wer schon mal erlebt hat, wie 40 rüstige Rheinländer lauthals singend einem Reisebus entspringen, der weiß, wie schnell ein harmloses Lied den Blutdruck gefährlich in die Höhe treiben kann. Die völkerverbindende Wirkung, die dem deutschen Volkslied gern zugeschrieben wird, stellt sich jedenfalls nicht immer ein.

"Für Bayern"

Das war schon im 19. Jahrhundert so, als die Gesangvereine groß in Mode kamen. Landab landauf schmetterten Sangesbrüder ihr Liedgut - Schwestern waren noch keine zugelassen. In meist bierseliger Laune schlugen die Herren der Schöpfung gern auch nationalistische Töne an, die dann die Obrigkeit auf den Plan riefen. Vor allem, wenn Demokratisches im Spiel war. 'Die Gedanken sind frei'? Schon, aber halt nur im Lied, der Sänger selbst verschwand oft hinter Gittern. Daher stand nach der gescheiterten Revolution von 1848 die Freiheit kaum mehr auf dem Programm. Das aufstrebende Bürgertum, argwöhnisch beäugt von der Staatsmacht, verlegte sich auf die nationale Einheit. Man organisierte sich in Turn- und Gesangvereinen.
Zum Beispiel in der Münchner Bürger-Sänger-Zunft, in der sich schon seit 1840 Schuster, Wirte und Bierbrauer zum Singen trafen.

Besonders stark vertreten aber waren Volksschullehrer. Der Münchner Michael Öchsner etwa, der wegen liberaler Ideen gelegentlich mit der Zensur Probleme hatte. Einen Platz in den Geschichtsbüchern fand der Herr Lehrer dennoch, dank seines Gedichts "Für Bayern": "Gott mit dir, du Land der Bayern, Deutsche Erde, Vaterland!" So beginnt die erste Strophe bei Öchsner. Sein Sänger-Zunft-Kollege, der Oberpfälzer Chormeister und Komponist Konrad Max Kunz schrieb dazu eine Melodie in G-Dur. Und fertig war das Lied, das später zur Bayernhymne wurde.

"Deutsche Erde", sagt er!

Erstmals präsentiert haben es die beiden am 15. Dezember 1860, bei der 20-Jahr-Feier der Bürger-Sänger-Zunft. Dem Publikum wurde schlagartig klar: Singen wärmt das Herz! Obwohl die Bayernhymne später nicht nur harmonische Zeiten erlebte. Nach 1945 etwa war Öchsners "Deutsche Erde" schwer aus der Mode gekommen, sollte ersetzt werden durch ein eher bayerisch klingendes "Heimaterde". Lang und viel wurde fortan gestritten über den Text. Bis 1980 der bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß ein Machtwort sprach: Öchsners "Deutsche Erde" gilt! Was freilich nicht allen Bayern gefallen hat. Und so ist aus manch patriotisch gestimmter Brust auch heute noch ein trotziges "Heimaterde" zu vernehmen. Womit bewiesen wäre: Singen stärkt zwar auch in Bayern das Gefühl der Verbundenheit. Aber halt nicht mit jedem.


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