Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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5. Oktober 1821 Griechische Aufständische erobern Tripoli

Die ersten Volkshelden des griechischen Freiheitskampfs gegen die Osmanen waren Räuber aus Arkadien. Am 5. Oktober 1821 nahmen die Rebellen das Städchen Tripoli ein und massakrierten die muslimische Bevölkerung. Autor: Thomas Morawetz

Stand: 05.10.2015 | Archiv

05 Oktober

Montag, 05. Oktober 2015

Autor(in): Thomas Morawetz

Sprecher(in): Andreas Wimberger

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Arkadien! Das Land war einst hoch berühmt - als Traum. Als eine Phantasie aus der Antike, ein glücklicher Ort, fern von der hässlichen Wirklichkeit. Frei erfunden war Arkadien freilich nicht. Die Landschaft gibt es wirklich. In Griechenland. Eine raue abgeschiedene Gebirgsgegend auf dem Peloponnes. Schon für antike Dichter war deshalb das griechische Arkadien ein mystischer und anarchischer Ort. Hirten blasen dort unbeschwert auf der Syrinx, Liebeslieder liegen in der Luft, und der Gott des Traumlands ist Pan. Der Hirtengott, der unter den Liebenden für den panischen Schrecken sorgt, wenn er erscheint. Aber hier beginnt Arkadien schon im goldenen Dunst der Ferne zu verschwinden, wird überzeitlich, ohne genauen Ort - ein Traum

Ausgeträumt

Doch plötzlich holte sich die Geschichte ihr Traumland in die Wirklichkeit zurück. Im März 1821 brach der griechische Freiheitskampf gegen die Osmanen aus. Den Anfang machte ein griechischstämmiger General in russischen Diensten. Alexandros Ypsilantis war Mitglied eines Geheimbundes zu Befreiung Griechenlands. Ypsilantis verwegener Plan scheiterte rasch an den Osmanen, aber dann geschah etwas Seltsames: Der Gedanke an die Freiheit hatte sich bereits verhakt. Nicht da, wo große Heere stehen, wo Flotten auf den Einsatz warten, sondern unter kleinen Räuberbanden: auf dem Peloponnes - in Arkadien. Kleften hießen die wilden Räuber in den Bergen, wörtlich eigentlich "Diebe", und das waren sie für die Osmanen auch. Aber die Kleften waren vor allem stolz darauf, keine Sklaven der Türken zu sein. Bald nach Ausbruch des Aufstands standen sie an der Spitze der Revolte. Ein freies, ein neues Griechenland wollten sie haben.

Europas Vorbild

Die Nachricht vom griechischen Aufstand begeisterte sofort Intellektuelle in ganz Europa, von liberalen Politikern bis zu Dichtern, Malern, Komponisten.

Es waren glühende Antikenfreunde vom Schlag eines Goethe, die jetzt die Räuberbanden auf dem Peloponnes verklärten und ihnen einen enormen internationalen Rückhalt einbrachten. In einer wilden Mischung standen für sie die Aufständischen für antike Größe der alten Griechen genauso wie für moderne politische Ideen. Freiheit für Griechenland war plötzlich auch das leuchtende Vorbild für ein neues Europa, für Demokratie und Geistesgröße!

Inzwischen rollten die Kleften Arkadien auf. Ihr Anführer Theodoros Kolokotronis wurde später ein Volksheld. Ort um Ort fiel ihm zu. Berüchtigt war dabei der Fall des Städtchens Tripoli. Nach dreimonatiger Belagerung nahmen er und seine Truppen am 5. Oktober 1821 den Ort ein und massakrierten die muslimische Bevölkerung. Hinter der Bluttat stand kein militärisches Kalkül, sondern nur der elende Wechsel von Rache und Widerrache zwischen Aufständischen und osmanischen Truppen. Das Arkadien der Wirklichkeit hatte nichts zu tun mit dem verklärten Hirtenidyll, von dem die griechenbegeisterten Intellektuellen nur wenige Jahre zuvor geträumt hatten.

Trotzdem wurde diese raue Landschaft, die Heimat alter Sehnsuchtsmythen, zum Ausgangsort einer Hoffnung, die sich tatsächlich erfüllen sollte. Die Hoffnung der Griechen auf Freiheit und eine eigene Nation. Zwar war der Weg bis zur ersten Verfassung, mit der die Griechen wirklich leben wollten, noch weit. Aber 1864 wurde Griechenland eine "königlichen Demokratie". Die Hirten Pans waren souveräne Staatsbürger geworden.


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