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Bundesteilhabegesetz Mehr Selbstbestimmung und Mitsprache

Betroffene haben nun mehrere Möglichkeiten, bei ihrer Eingliederung mitzureden und den Reha-Träger unter Druck zu setzen, falls er sich mit einer Entscheidung Zeit lässt.

Von: Uli Hesse

Stand: 08.05.2019

Dominik Peter, Vorsitzender des Berliner Behindertenverbands "Für Selbstbestimmung und Würde e.V." setzt von seinem Rollstuhl in ein Auto über. Peter ist durch einen Unfall seit 20 Jahren querschnittsgelähmt. | Bild: picture-alliance/dpa

Oft haben Reha-Träger und Betroffene unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie dem Betroffenen am besten geholfen werden kann. Mit dem neuen Teilhabeplanverfahren haben Menschen mit Behinderung und chronisch Kranke nun eine Plattform, um ihre Interessen besser durchzusetzen. Allerdings können die Träger Entscheidungen auch nur aufgrund von Gutachten treffen, oder Entscheidungen herauszögern – doch dagegen kann man sich wehren.

Zweimonatsfrist

Falls der leistende Reha-Träger innerhalb von zwei Monaten keine Entscheidung trifft, hat der Betroffene das Recht, sich die Leistung selbst zu beschaffen. Das gilt allerdings nur für die Sozialversicherungsträger.

"Im Falle eines Schlaganfalls heißt das: Wenn der Patient einen Antrag nach dem Anfall stellt und der Träger hat innerhalb von zwei Monaten keinen Verwaltungsakt erlassen, also die medizinische Reha nicht genehmigt, dann kann er selbst in die Reha-Klinik gehen. Nach Ablauf der Zweimonatsfrist gilt die Leistung kraft Gesetz als genehmigt und der Kostenträger muss sie bezahlen."

Dr. Harry Fuchs

Mitspracherecht

Das SGB IX dient der Teilhabe behinderter Menschen, und das bedeutet die Stärkung der Selbstbestimmung: Es geht darum, dass Betroffene selbstbestimmt entscheiden können, sie stärker in die Prozesse eingebunden sind und diese besser beeinflussen können. Die Zusammenarbeit zwischen Betroffenen und Trägern muss enger werden. Das fängt schon bei der Bedarfsermittlung an.

Mitwirkungspflicht

Ohne die Zustimmung des Betroffenen läuft gar nichts. Allerdings gibt es eine Mitwirkungspflicht; das bedeutet, dass die Betroffenen zumindest bei der medizinischen Begutachtung zur Mitwirkung verpflichtet sind. Wer nicht mitmacht, kann dadurch den Leistungsanspruch verlieren. Allerdings sind die meisten Menschen froh, dass sie Hilfe erhalten.

Abstimmung mit den Betroffenen

Die Träger müssen sich daran gewöhnen, ihre Entscheidungen mit den Betroffenen abzustimmen – also Art und Umfang der Leistungen. Betroffene haben nun die Gelegenheit, mit dem Träger zu verhandeln und beispielsweise zu sagen: 'Ich sehe das aber ganz anders. Der Plan erfasst nicht meine Teilehabebeeinträchtigungen; diese liegen ganz woanders und sind viel stärker. So ist das nicht in Ordnung. Wir müssen noch einmal reden.' So können Betroffene ihre Situation nochmal ganz unmissverständlich klarstellen.

"Die Erfahrung hat in der Vergangenheit gezeigt, dass Gutachter – überwiegend Mediziner - wenig von der Teilhabe verstehen. Das geht oftmals ganz haarscharf an den wirklichen Problemen der Menschen vorbei. Und jetzt können Betroffene einfach mit dem Sachbearbeiter, mit dem Verantwortlichen, reden und dieser muss aufnehmen, was der Betroffene vorbringt. Denn das ist entscheidungsrelevant. Und wenn der Sachbearbeiter davon abweichen will, muss er dazu im Verwaltungsakt eine ablehnende Begründung schreiben."

Dr. Harry Fuchs

Unabhängige Beratungsstellen

Betroffene können sich zusätzlich an Beratungsstellen wenden, die vom Bund bezahlt werden und unabhängig von Reha-Trägern oder Einrichtungen sind.


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