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Was ist ME/CFS? Auslöser und Symptome des Chronischen Fatigue Syndroms

Patienten mit ME/CFS haben vor allem wenig Energie. Das kann man nicht mit "normaler" Erschöpfung vergleichen. Diese Patienten können oft nicht mehr arbeiten, obwohl sie wollen. Sie sind bettlägerig, obwohl sie aktiv sein wollen.

Von: Yvonne Meier

Stand: 10.05.2022

Deborah Smith wird von ihrer Helferin vom Rollstuhl aus auf das Bett gehoben. Sie leidet an ME/CFS. Deborah Smith hat ihre Wohnung in den USA schon über zwei Jahre lang nicht mehr verlassen können. | Bild: picture-alliance/dpa

ME/CFS oder das Chronische Fatigue Syndrom – die Begriffe werden in diesem Dossier austauschbar verwendet - ist eine komplexe Multisystem-Krankheit. In Deutschland sind 240.000 - 300.000 Menschen betroffen, die Dunkelziffer ist wahrscheinlich noch höher. Ein Viertel von ihnen ist bettlägerig und kann kaum noch das Haus verlassen.

Auslöser von ME/CFS

Die Ursache von ME/CFS ist bislang unbekannt, dennoch wissen die Ärztinnen und Ärzte heute: ME/CFS wird typischerweise nach einer Infektionskrankheit ausgelöst. Zum Beispiel nach einer Erkältung, einer echten Grippe oder einer Ansteckung mit dem Epstein-Barr-Virus, das das Pfeiffersche Drüsenfieber auslösen kann. Häufig sind die Patienten zu diesem Zeitpunkt auch in einer verletzlichen Lebensphase, also auch psychischem Stress ausgesetzt. Die Folge: Sie werden einfach nicht mehr gesund. Inzwischen weiß man auch, dass ME/CFS die Folge einer Covid-19-Erkrankung sein kann.

Was bei ME/CFS passiert

Dem Chronischen Fatigue Syndrom liegt zu Grunde, dass der Energiestoffwechsel der Körperzellen durcheinandergerät, ausgelöst wahrscheinlich durch die vorhergegangene Infektion. Das Immunsystem ist überaktiviert, ähnlich wie bei einer Autoimmunerkrankung.
In unseren Zellen gibt es kleine "Energiefabriken", das sind Strukturen im Innern der Zellen, die den eingeatmeten Sauerstoff in mehreren Schritten in eine Energieform umwandeln, die den Körper antreibt, ATP (Adenosintriphosphat). Bei ME/CFS bricht dieser Stoffwechselweg zusammen oder wird stark beeinträchtigt.
Der Körper muss dann auf anderen Wegen Energie bereitstellen, doch diese Wege sind lange nicht so effizient und es entstehen Abbauprodukte wie Laktat, die wiederum andere Folgen nach sich ziehen.
Oft fällt der Vergleich mit einem Handyakku, der nach einer Nacht aufladen nur zu zehn Prozent voll ist, und die Patienten müssen sich genau überlegen, wie sie mit diesen zehn Prozent über den Tag kommen.

Zahlreiche Symptome bei ME/CFS

Die Symptome sind vielfältig, hier die wichtigsten:

  • Post exertional malaise

Das ist das Leitsyndrom von ME/CFS: Unter körperlicher Belastung werden die Symptome unverhältnismäßig stark verstärkt. Es kommt zu grippeähnlichen Symptomen, Kopfschmerzen, Herzrasen, leichtem Fieber, Halsschmerzen, aber auch zu Konzentrationsschwierigkeiten, "brain fog" oder einer bleiernen Erschöpfung.

"Man muss sich das so vorstellen, dass Patienten gerade mal eine Treppe laufen oder die Waschmaschine befüllen und danach darunter leiden, mit Verschlimmerung aller Symptome für mehrere Tage."

PD Dr. med. Patricia Grabowski

Auch geistige Anstrengung ist für diese Patienten überproportional anstrengend, sie können kein Buch mehr lesen, keine Filme ansehen oder Gespräche führen. Sie können sich nicht mehr konzentrieren oder haben Wortfindungsstörungen. Das heißt natürlich auch: keine Arbeit, keine Schule oder Universität besuchen.

  • Chronische Fatigue

Auch sie ist ein Leitsyndrom: die chronische Erschöpfung oder Fatigue. Die bleierne Erschöpfung kann tage- oder wochenlang andauern.
Ganz normale Alltagstätigkeiten wie Zähne putzen, kochen oder einkaufen können für diese Menschen unmöglich werden. Selbst eine normale Unterhaltung kann nach ein paar Minuten zu anstrengend werden und muss abgebrochen werden.
Schlaf oder ausgiebige Ruhe führen in der Regel nicht zu einer Besserung.

  • Orthostatische Intoleranz

Die Patienten mit ME/CFS können ihren Kreislauf nicht anpassen, zum Beispiel wenn sie vom Sitzen ins Stehen übergehen. Es kommt zu Schwindel, Schwäche, Herzrasen oder Atemnot. Je länger die Betroffenen stehen bleiben, desto stärker werden diese Symptome, es bleibt nur, sich wieder hinzusetzen oder sogar zu legen.
Auf Dauer kann die Orthostatische Intoleranz dazu führen, dass ME/CFS-Betroffene bettlägerig werden oder auf den Rollstuhl angewiesen sind.

  • Neurologische Symptome

Viele Patienten mit ME/CFS reagieren empfindlich auf Licht, Geräusche oder Gerüche. Manche Betroffene liegen darum den ganzen Tag im Dunkeln und ihre Angehörigen können sich nur flüsternd mit ihnen unterhalten.

  • Schlafstörungen

Obwohl ME/CFS-Patienten unter bleierner Erschöpfung leiden, können sie oft schlecht schlafen. Selten schlafen sie durch, der Schlaf selbst ist leicht und der Tag/Nacht-Rhythmus kann sich verschieben. Ein weiteres Charakteristikum ist der nicht-erholsame Schlaf, d.h. die Patientinnen und Patienten fühlen sich morgens (trotz langer "Nachtruhe“) wie gerädert, sind nach dem Schlaf nicht erholt.

  • Muskelschmerzen

Die Muskeln sind nach vergleichsweise geringer Aktivität übermäßig belastet und es kommt zu Schmerzen, ähnlich einem großflächigen Muskelkater.

  • Kopfschmerzen

Viele ME/CFS-Betroffene haben Kopfschmerzen oder Migräne, manchmal tagelang. Dazu kommen auch oft Sehstörungen, wie ein verschwommener Blick.


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