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Diagnose ME/CFS – und dann? Die Behandlung des Chronischen Fatigue Syndroms

Nur, weil es keinen Test gibt, heißt das nicht, dass ME/CFS nicht behandelt werden kann. Die Symptome der Krankheit können gelindert werden und auch mache Nahrungsergänzungsmittel können helfen. Heilen kann man jedoch nicht.

Von: Yvonne Maier

Stand: 10.05.2022

ME/CFS-Patientin Deborah Smith ist so schwach, dass ihr auf die Toilette geholfen werden muss. | Bild: picture-alliance/dpa

Der erste Schritt in der Behandlung von ME/CFS ist die Diagnose. Und dann sind, so die Expertin Patricia Grabowski, die "Therapiemöglichkeiten begrenzt". Das ist nicht nur für die Ärztin unbefriedigend, sondern vor allem für die Patienten.

Als nächsten Schritt müssen die Betroffenen ihre Krankheit akzeptieren lernen, und zwar, dass sie an einer organischen Krankheit leiden, die auch Auswirkungen auf ihr psychisches Wohlbefinden hat.

"Depression, Burnout, Anpassungsstörung, das hat man früher oft wahrscheinlich als Verlegenheitsdiagnose gestellt, aber das wird den Patienten nicht gerecht."

PD Dr. med. Patricia Grabowski

Nicht über die eigenen Grenzen gehen

Mit der Diagnose ME/CFS geht eine Notwendigkeit für Achtsamkeit einher. Betroffene beschreiben es so: Morgens stellen sie fest, wie viel Energie ihnen bleibt – und was dann den Tag über möglich ist – "Pacing" nennt sich diese Methode. Sie erfordert eine Menge Disziplin, denn oft bleibt nur wenig Energie und Dinge, die die Betroffenen gerne tun würden, müssen zwangsläufig ausfallen.

"Dabei können Fitnesstracker oder Aktivitätstagebücher helfen, damit man nicht über seine Ressourcen hinweggeht. Denn das muss man dann büßen, dann werden die Symptome über mehrere Tage hinweg schlechter werden."

PD Dr. med. Patricia Grabowski

So kann man sich aber auch lang- und mittelfristig wieder Freiheiten erobern. Denn wer sich mit ME/CFS gut einschätzen kann, kann zum Beispiel Aktivitäten besser planen.

"Wenn man eine Reise vorhat, könnte man eine Verbindung buchen, bei der man beispielsweise nicht umsteigen muss. Man könnte sein Gepäck schon mit der Bahn vorschicken und sich einen Reisebegleiter mitnehmen. Und so kann man das lösen, ohne, dass der Patient danach vier Wochen im Bett liegt, weil er sich überlastet hat."

PD Dr. med. Patricia Grabowski

Nahrungsergänzungsmittel

Patricia Grabowski behandelt ihre Patienten in Berlin auch individuell mit Nahrungsergänzungsmitteln.

"Dass eben bestimmte Enzyme, von denen wir glauben, dass sie nicht mehr so gut arbeiten, aktiviert werden können. Dazu gehörten Vitamine, Vitamin-B-Komplexe, aber auch Koenzym-Q10, NADH, Ribose, auch Omega-3-Fettsäuren können hilfreich sein."

PD Dr. med. Patricia Grabowski

In Fortbildungen für Ärztinnen und Ärzte geben PD Dr. Patricia Grabowski und ihr Team dieses Wissen auch weiter, darüber hinaus sind inzwischen all diese o.g. Ratschläge und Therapieempfehlungen auf internationaler Ebene in den Europäischen Leitlinien für ME/CFS publiziert worden.

Immundefekt als möglicher Grund

Viele Patienten sind anfälliger für Infektionen und haben langwierige Verläufe. Bei einem Teil findet sich ein Mangel von Abwehrfaktoren des Immunsystems, der unter Umständen gezielt behandelt werden muss.

Coping und Entspannung im Alltag

Um den persönlichen Stresslevel niedrig zu halten, empfiehlt die Immunspezialistin auch, Entspannungstechniken für die Betroffenen mit ME/CFS. Das kann Yoga sein, oder Tai-Chi, die Progressive Muskelentspannung nach Jacobsen oder Autogenes Training.
Studien geben Hinweise, dass solche Entspannungstechniken die Überreaktion des Immunsystems rückgängig machen können, die bei ME/CFS auftritt.

Symptomorientierte Therapie

Zuletzt müssen natürlich auch die einzelnen Symptome von ME/CFS behandelt werden, zum Beispiel die schweren Schlafstörungen, die Schmerzen oder die Empfindlichkeit auf Reize.

"Das sind sicher alles keine Therapiempfehlungen, die den Patienten heilen werden, die aber durchaus kleine Verbesserungen bringen."

PD Dr. med. Patricia Grabowski


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