Bayern 1


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Der Bayern 1-Umweltkommissar Extra-Steuer auf Plastiktüten sinnvoll?

Der hohe, weltweite Verbrauch von Plastiktüten ist ein enormes Umweltproblem. Ihre Herstellung frisst viel Energie und der Kunststoff verrottet sehr langsam. Die EU will das Problem mit einer Extrasteuer lösen. Kann das helfen?

Von: Alexander Dallmus

Stand: 04.11.2013

Illustration: Der Umweltkommissar hält die Biene am Stachel fest, die versucht eine davonfliegenden Plastiktüte zu fangen | Bild: BR/Susanne Baur

EU-Umweltkommissar Janez Potocnik hat das Ziel ausgegeben: europaweit den Verbrauch von Plastiktüten einzudämmen. Denn Plastikmüll, der sich überall auf den Weltmeeren und im letzten Winkel der Welt gesammelt hat, bekommt die Menschheit nicht in den Griff. Deshalb sollte zumindest der Verbrauch und der Einsatz von Plastik begrenzt werden. Im Visier hat die EU dabei vor allem die leichte Einwegtüte. Viele dieser Tüten enden schließlich im Meer. Bis sie sich dort zersetzen, vergehen oft Hunderte Jahre. Bis dahin zerfallen sie in kleinste Teilchen und werden von Fischen oder anderen Meerestieren aufgenommen - und damit wohl in irgendeiner Form auch von uns Menschen.

Deutschland trotz Sparsamkeit ein Verschwender

Grundproblem bei Plastiktüten: Sie lösen sich sehr schlecht auf und verschmutzen Meere und Gewässer.

Deshalb sollen die EU-Staaten künftig eigene Ziele setzen, um den Verbrauch leichter Plastiktüten zu verringern. Das kann bis hin zum Verbot oder einer Extra-Gebühr gehen. Bisher dürfen die EU-Staaten Tüten nicht untersagen. Das steht in der "Richtlinie 94/62/EG über Verpackungen und Verpackungsabfälle" und darin wird festgelegt: "Die Mitgliedstaaten dürfen in ihrem Hoheitsgebiet das Inverkehrbringen von Verpackungen, die dieser Richtlinie entsprechen, nicht verbieten." Einer solchen Gesetzesänderung müssen aber die EU-Staaten und das Europaparlament zustimmen. Wie viele Plastikbeutel die Europäer verbrauchen, hängt vom Land ab: In Dänemark und Finnland benutzt jeder Bürger im Schnitt pro Jahr nur vier leichte Plastiktüten. In anderen europäischen Staaten sind es "weit mehr als 400". Spitzenreiter sind vor allem die ostmitteleuropäischen Staaten sowie Portugal. Deutschland liegt mit 64 leichten Tüten pro Jahr und Bürger eher am unteren Ende der Skala.

Gründe für beliebte Plastiktüten

  • niedrige Herstellungskosten
  • im Vergleich zu anderen Behältnissen emissionsarme Produktion
  • eine Plastiktüte ist leicht, reißfest und außerdem wasser- und chemikalienbeständig
  • leicht zu verarbeiten und ist grundsätzlich recyclebar

Europaweit werden jährlich 3,4 Millionen Tonnen Plastiktragetaschen produziert, das entspricht etwa dem Gewicht von zwei Millionen Autos. Auf vier Milliarden Plastiktüten schätzt der Industrieverband Kunststoffverpackungen den jährlichen Verbrauch hierzulande. Das sind etwa 90.000 Tonnen Kunststofftaschen im Wert von 200 Millionen Euro. Der Rohstoff zur Herstellung ist Erdöl und somit eine endliche Ressource. Plastiktüten sind im Durchschnitt 25 Minuten in Gebrauch. Das bedeutet, sie werden gekauft, einmal verwendet und weggeworfen. Je nach Kunststoffsorte dauert es dann zwischen 100 und 500 Jahren, bis sich die Plastiktüte zersetzt hat - wenn sie nicht recycelt wird.

Die Mär von der Bio-Plastiktüte

Bio-Plastiktüten verrotten zwar, aber nicht schnell genug. Auch bleiben Restbestände übrig.

Theoretisch ist die Bio-Plastiktüte, laut Industrienorm 13432, zu 100 Prozent kompostierbar. Das bedeutet: Nach drei Monaten in einer industriellen Kompostierung dürfen höchstens zehn Prozent der Tütenreste größer als zwei Millimeter sein. Dann gibt es das Gütesiegel, einen Keimling. Aber die Norm ist veraltet. Denn moderne Anlagen brauchen nur noch drei bis vier Wochen, um aus Bioabfällen Humus zu machen. Da kann das Bioplastik nicht mithalten und es bleiben Tütenfetzen zurück. Diesen Humus will aber niemand haben. In den deutschen Kompostierwerken werden Biotüten daher genauso aussortiert wie PE-Tüten - und kommen in die Müllverbrennung.

Die Umweltauswirkungen der Müllverbrennung sind demnach besser als die Kompostierung oder zumindest gleich gut. Wird die Biotüte verbrannt, dient sie wenigstens noch der Stromerzeugung. Außer Kohlendioxid, das auch während der Kompostierung freigesetzt wird, entstehen keine Schadstoffe. Doch egal ob Verbrennung oder Kompostierung: Die meisten Umweltschäden verursachen die Herstellung der Materialien und die Produktion der Tüte. Nachteilig für Bioplastik ist vor allem der Maisanbau, darunter leiden die Böden und das Klima. In einer aktuellen Ökobilanz der englisch-walisischen Umweltbehörde steht es zwischen der Bio- und der PE-Tüte deshalb nur unentschieden. Selbst für das Problem der Vermüllung ist Bioplastik derzeit keine Lösung. Das Material verrottet am besten in der 60 Grad warmen Industriekompostierung. Im Meer verrotten oder vermodern die Biotüten gar nicht. Für Supermarktkunden heißt das: Wer sich wegen der Überdüngung der Böden und der Vermaisung der Welt sorgt, Finger weg von der Biotüte.

Fazit

Ein Extraabgabe auf Plastiktüten löst sicher nicht das Problem "Plastikmüll", aber es wäre immerhin ein erster Schritt, den Verbrauch an Plastiktüten einzudämmen. Allerdings müssten dann nicht nur Supermärkte oder Discounter dazu verpflichtet mehr als die üblichen 20 oder 25 Cent pro Plastiktüte zu verlangen, sondern auch Drogeriemärkte und Kaufhäuser. Wenn in einem Geschäft ein gewisser Betrag für die Plastiktüte entrichtet werden muss, 20 Meter weiter aber nicht, dann hat eine Abgabe wenig Sinn und wäre gleichzeitig wettbewerbsverzerrend. 

Die beste Lösung bleibt der Stoffbeutel, der sich auch recht schnell finanziell amortisiert.

In vielen anderen Ländern, wie Pakistan, Tansania oder der Schweiz ist der Gebrauch von Tüten aus Kunststoff bereits untersagt oder per Gesetz verabschiedet. In Deutschland wird ein Verbot immer wieder diskutiert, aber bislang nicht ernsthaft in Betracht gezogen. Auch weil hierzulande die Tüten getrennt sortiert und anschließend entsorgt oder recycelt werden. In den meisten Supermärkten zahlen Kunden schon lange für ihre Tragetaschen. Dabei sind die Deutschen einem Verbot aufgeschlossen. In einer Umfrage für den stern (April 2013) sprachen sich 69 Prozent der Befragten dafür aus, Plastiktüten komplett zu verbieten. Nur 29 Prozent waren dagegen.

Um den Tütenverbrauch in Europa zu reduzieren, wäre eine Steuer womöglich besser als ein Verbot. In Irland führte eine Steuer von 15 Cent pro Tüte dazu, dass der Jahresverbrauch von 328 auf 21 Tüten pro Kopf sank. In Deutschland werden PE-Tüten im Schuhgeschäft, in der Apotheke oder im Spielzeugladen immer noch verschenkt. Dabei spielt der Preis eine entscheidende Rolle. Werden sie nach ihren Einkaufspreisen verkauft, entscheiden sich 80 Prozent der Kunden für Plastik, 15 Prozent für Papier und 5 Prozent für Baumwolle. Viele empfinden die Plastiktüte als praktischer, weil sie Waren auch vor Regen schützt. Dass die ökologisch sinnvollste Variante dabei die Biobaumwolltasche ist, steht außer Frage. Schon nach 30 Einkäufen ist eine Baumwolltasche "grüner" als eine Einweg-Plastiktüte.


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