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Themenabend "Ohne Gnade" NS-"Euthanasie" und der Wert des menschlichen Lebens

Für die Nationalsozialisten besaß ein Mensch nur dann einen Wert, wenn er arbeitsfähig und produktiv war. Zwischen 1939 und 1945 wurden bis zu 300.000 Menschen ermordet, deren Leben nach der NS-Ideologie als "nicht lebenswert" galt. Am Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust setzt sich eine Dokumentation und eine Diskussion mit den "Euthanasie"-Verbrechen der Nationalsozialisten und der Frage nach dem Wert des menschlichen Lebens auseinander – am Mittwoch, 27. Januar 2021 ab 22.00 Uhr. Die Doku steht bereits ab 20. Januar vorab in der BR Mediathek zur Verfügung.

Stand: 20.01.2021

Ein Foto von Wilhelmine Hausner mit Mutter und Geschwistern. | Bild: BR/Michael Ackermann

Nach Berechnung von Experten hat jeder achte Deutsche ein "Euthanasie"-Opfer unter seinen Vorfahren. Nach offiziellen Zahlen wird von 200.000 bis 300.000 Menschen ausgegangen, die im Rahmen der Aktion T4 und der späteren wilden "Euthanasie" in den Heil- und Pflegeanstalten zwischen 1939 und 1945 starben. Viele Aspekte der nationalsozialistischen Krankenmorde sind bis heute unerforscht. Gleichzeitig beeinflussen sie bis heute unsere Gesellschaft in der Diskussion über Inklusion, den Umgang mit Behinderten und Randgruppen. In den Familien der Opfer haben sie ein Trauma hinterlassen. Das Schicksal ermordeter Angehöriger wurde aus Scham totgeschwiegen. Viele Nachkommen machen sich erst jetzt auf Spurensuche. Sie brechen das Schweigen, erforschen und erzählen das Schicksal ihrer ermordeten Angehörigen. Damit rühren sie an alte Wunden – und heilen sie zugleich. Anhand von drei Opferbiographien zeichnet die neue Dokumentation "Ohne Gnade" um 22.00 Uhr das perfide System der "Euthanasie" im Nationalsozialismus nach und begleitet Angehörige auf ihrer Suche nach der Wahrheit.

Ab wann ist ein Leben lebenswert? Und: Ist ein Menschenleben mehr wert als ein anderes? In der NS-Ideologie hing der Wert eines Lebens von dessen Wert für die Gesellschaft ab. Auch heute noch scheinen die Gedanken, dass es einen unterschiedlichen Wert von Leben gibt, nicht gänzlich aus unseren Köpfen verschwunden zu sein. Es ist von Designerbabys die Rede und im Rahmen der Corona-Pandemie auch von der Triage, der Priorisierung medizinischer Hilfeleistungen bei unzureichenden Ressourcen. In der Gesprächssendung "Ohne Gnade – Welches Leben ist lebenswert?" um 22.45 Uhr diskutiert Andreas Bönte mit der Medizinhistorikerin Dr. Susanne Ude-Koeller, Mitglied des Forschungsprojekts NS-"Euthanasie" in Erlangen, der an Muskelatrophie erkrankten Juristin und Richterin Nancy Poser vom Forum behinderter Juristinnen und Juristen (FbJJ) und dem Augsburger Weihbischof Dr. Dr. Anton Losinger, der dem 2020 gegründeten Bayerischen Ethikrat angehört, über den Wert und die Würde des Menschen.

Zu den Gesprächsgästen:

Der Augsburger Weihbischof Dr. Dr. Anton Losinger ist Mitglied des Bayerischen Ethikrats und setzt sich unter anderem mit Fragen der Genetik auseinander. Er fordert ein Wissenschaftsethos, das den Menschen in den Mittelpunkt stellt.

Die Bewertung von Menschen nach unterschiedlichen Maßstäben, also beispielsweise nach dem Grad ihrer Behinderung, widerspreche dem ersten Grundsatz des Grundgesetzes.

Die Medizinhistorikerin Dr. Susanne Ude-Koeller ist Mitglied des Forschungsprojekts NS-"Euthanasie" in Erlangen. Das Projekt arbeitet die Krankenmorde in der fränkischen Stadt umfassend wissenschaftlich auf. Dabei werden die Schicksale der Opfer in den Mittelpunkt gestellt. Außerdem werden auch Angehörige bei der familiären Spurensuche unterstützt.

Die Juristin und Richterin Nancy Poser fordert eine juristische Auseinandersetzung mit der Triage in der Corona-Pandemie. Ärztinnen und Ärzte sollten mit der Entscheidung über Leben und Tod nicht alleine gelassen werden. Damit seien die Grund- und Menschenrechte nicht geschützt vor willkürlichen Entscheidungen. Ihrer Ansicht nach ist es die Aufgabe des Gesetzgebers, dafür zu sorgen, dass die Grundrechte geschützt werden und niemand diskriminiert wird.

Themenabend "Ohne Gnade" – Die Sendungen im Überblick:

Mittwoch, 27. Januar 2021

22.00 Uhr: Ohne Gnade
Euthanasie im Nationalsozialismus
Dokumentation, 2021
BR Mediathek: ab 20. Januar 2021 und nach Ausstrahlung bis 27. Januar 2022

22.45 Uhr: Ohne Gnade
Welches Leben ist lebenswert?
Gespräch, 2021
BR Mediathek: nach Ausstrahlung bis 27. Januar 2022


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