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Hintergrund Was die Filme mit dem Heute zu tun haben

Bei diesem Filmprojekt kommen zwei ungewohnte Dinge zusammen, die die Distanz zum "Dritten Reich" geringer erscheinen lassen. Wer sich darauf einlässt, versteht die Vergangenheit plötzlich als etwas, das immer auch ein Heute sein kann.

Stand: 05.11.2019

München am 14. Juli 1939: Tag der Deutschen Kunst. | Bild: Agentur Karl Höffkes/BR/DOKfilm Fernsehproduktion GmbH

Bei diesem Filmprojekt kommen zwei ungewohnte Dinge zusammen: Zum einen ist fast das gesamte verwendete Material von Amateuren gedreht worden und nicht von Profis. Es ist der Blick von "Menschen wie Du und Ich". Privatfilme aus längst vergangener Zeit, die nicht für die Augen außerhalb der Familie gedacht waren: Kinder beim Baden, Weihnachtsvorbereitungen im engsten Familienkreis, eine Hochzeit, Urlaubsbilder in Oberbayern. 

Zudem ist das verwendete Material durchgehend in Farbe. Im Gegensatz zu Schwarz-Weiß-Material, das eine gewisse Distanz vermittelt, stellt die Farbe eine besondere Nähe zum Gesehenen her. Die Farbe holt das Vergangene ins Jetzt. So lassen die beiden zusammenhängenden Filme "Jahre der Verführung" und "Jahre des Untergangs" diese Distanz zum historischen Komplex "Drittes Reich" geringer erscheinen. 

Wer sich darauf einlässt, versteht die Vergangenheit plötzlich als etwas, das immer auch ein Heute sein kann. Aus dieser Perspektive betrachtet, ist es zu einfach, die Frage der Verantwortung für den Zivilisationsbruch, von dem keiner gewusst haben wollte, auf "die Anderen" oder "das Böse" zu schieben. Sicherlich war die deutsche Gesellschaft in den 30er-Jahren nicht kollektiv schuldig. Aber sie war eben auch nicht kollektiv unschuldig. Das mörderische System unter Hitler gelang auch dadurch, dass jeder Einzelne seine Rolle im gleichgeschalteten Deutschland eingenommen hat.

Was hätte ich anders gemacht?

Und so drängen sich andere Fragen in den Vordergrund, die uns auch heute angehen: Wo beginnt das Böse? Wie nah bin ich dem Gezeigten selbst? Was hätte ich anders gemacht? Hätte ich mich nicht auch von der Begeisterung und dem Fahnenmeer am "Tag der Deutschen Kunst" anstecken lassen? Hätte ich nicht auch monatelang darauf hingefiebert, den spektakulären Inszenierungen an den Nürnberger Reichsparteitagen beizuwohnen? Hätte ich es während des Nürnberger Faschings 1938 gewagt zu protestieren, wenn ein Wagen mit Pappmaché-Juden am Galgen an mir vorbeigezogen wäre? 

Die Filme tasten sich an eine zeitlose Frage heran: Wie positioniere ich mich zu dem, was in meiner Gesellschaft geschieht?


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