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Interview Produzent und Autor Marcus Roth

Stand: 30.09.2021

Sie haben mit dem revolutionären Jugendformat "5VOR12", das 2017 im KiKA lief, den Grimme-Preis gewonnen. Was bedeutet das? Belohnung oder Verpflichtung?

Wir sehen das als Auftrag. Als Firma bekommt man von der ARD im Rahmen des Leistungsmodells eine Prämie und damit entwickelt man neuen Stoff.

Man ist quasi zum Tun verpflichtet….

Ja das ist eine schöne Einladung. Der BR wünscht sich dann auch etwas Innovatives, Mutiges für ältere Kinder. Die Redaktion wünschte, dass ich das wieder selbst schreiben sollte. Wir haben ein paar Eckpunkte abgesprochen, und dann bin ich ziemlich lange mit mir selber in Klausur gegangen. Aber auch während der Drehbuchphase waren wir immer im gemeinsamen Austausch mit der Redaktion.

Gab’s dann etwas wie einen Heureka-Moment?

Die Figuren sind gefangen und können nicht zurück. Das war der entscheidende Durchbruch, der Motor der Geschichte. Vielleicht auch eine Chiffre für die virtuelle Welt. Es ist ja eine Welt, wo die Kids eine Freiheit haben, wo Eltern einem nicht ständig über die Schultern gucken. Ich wollte das nicht mit dem dicken Zeigefinger erzählen, weil es nun mal die Welt ist, in der wir leben. Trotzdem kann man die Geschichte auch ganz anders interpretieren…

Wie kann man sie denn noch verstehen?

Es ist ja auch eine Geschichte über Beziehungen und wie sich Beziehungen verändern in so einer Situation. Irgendwo hat sich das auch ein bisschen in der Lockdown-Erfahrung gespiegelt, während ich das geschrieben habe. Das war so im April 2020. Ich saß alleine im leeren Büro, hab alles auf das Whiteboard geschrieben. Dass sich Beziehungen im Lockdown verändern, haben wir ja alle erlebt. Es wird auf eine Art intensiver, man ist mehr aufeinander angewiesen, aber an anderen Stellen auch konflikthafter, weil man sich nicht aus dem Weg gehen kann. Weil man sich vielleicht mit Leuten wiederfindet, mit denen man vielleicht sonst nicht so viel Zeit verbringt…

Die Krise schärft die Charaktere wie bei "Mysterium" das Verlorensein die Jugendlichen?

Die Krise belastet die Jugendlichen schwer. Gerade deshalb möchte ich erzählen, dass Menschen respektvoll miteinander umgehen und sich so sein lassen, wie sie sind. Also sich selber nicht versuchen zu verbiegen oder andere versuchen zu verformen. Das war mir in der Beziehung zwischen dem Jungen und der Tante ganz wichtig. Und auch zwischen den Jugendlichen, die haben Konflikte, aber das wird nie so, dass es auf eine Ebene geht, die ich nicht mehr gut finde. Mir war außerdem wichtig, die Realität abzubilden, so sieht unser Land aus und die Menschen, die hier leben. Die sprechen alle normal deutsch und es sind ja auch alles Deutsche. Und dass eine Safinaz Sattar da eine Figur ist, die eine Anführerin ist. Sie und Lea sind für Mädchen Vorbilder, die sie sonst vielleicht nicht finden. Das alles kann Hoffnung geben.

Es erschließt sich aber nicht alles von selbst...

Das war ein Thema, was uns begleitet hat. Ein Mysterium erschließt sich einem nicht sofort. Wir glauben aber, dass die Serie in den Mediatheken gebinged wird, weil sie spannend ist.

Ein paar Fakten zum Dreh, bitte…

Wir hatten für rund 100 Minuten 15 Drehtage. Das ist knapp und geht nur wenn man gut vorbereitet ist und motivierte Leute hat, wenn man sich vertraut und offen miteinander kommuniziert. Wir arbeiten sehr transparent in einer Work Cloud.

Mysterium ist in Vielem außergewöhnlich, z.B. das spezielle Kostümbild oder Lea Drinda, die vielleicht höchst gehandelte deutsche Newcomerin, die schon mit Jean Seberg verglichen wird…

Wir profitieren von einem Netzwerk von Leuten, die sich mit der Arbeit an diesem Projekt identifizieren konnten und dann auch mitmachen wollen. Dass Lea in ihrem Leben Dinge finden kann, die auch in der Figur sind, ist natürlich ein Geschenk. Ich fand es vor allem richtig, mit Lea eine junge Frau zu haben, die auf den ersten Blick eben nicht so ist wie alle anderen. Auch das ist für jüngere Zuschauer eine interessante Botschaft, dass man eben nicht so aussehen muss, wie manche Influencerinnen.

Wie lief das Casting ab?

Die endgültige Besetzung ist aus verschiedenen Online- und Real-Casting-Konstellationen in einem längeren Prozess mit unserer Casterin Katrin Vorderwülbecke entstanden. Es macht viel Spaß, man muss offen sein, sich überraschen lassen und den Zauber entdecken, der zwischen den Darstellern entsteht.

Warum dreht man so ein Format in Berlin als bayerische Firma?

Ein Grund war Corona und damit das Vermeiden von Reisen. Was auch aus Klima-Gründen Sinn macht. Regie, Kamera und der ganze Cast außer Charlotte Schwab kommen ja aus Berlin. Und in Berlin ist in den letzten Jahren schon etwas ganz Besonderes gewachsen, weil da auch viele internationale Produktionen stattfinden.

Ohne Licht im Winter drehen… Das bleibt ein Abenteuer, oder?

Klar. Irgendwann ist nicht mehr hell, da kann man einfach nicht mehr Tag drehen. Überlange Drehtage waren deswegen nicht möglich. Alles in allem eine sehr konzentrierte Arbeit, die eine top Vorbereitung fordert.


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