Bildrechte: picture alliance /dpa

Schwangere beim

Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Teurer Kinderwunsch bei Krebs

Junge Menschen mit Krebs werden oft geheilt - aber viele von ihnen können nach Chemotherapie oder Bestrahlung nie wieder Kinder bekommen. Wer Keimzellen einfrieren lassen will, muss selbst bezahlen. Von Moritz Pompl.

Über dieses Thema berichtet: IQ - Wissenschaft und Forschung am .

Tobias ist einer der Patienten, die dafür kämpfen, dass die Krankenkassen endlich die Kosten für sogenannte “Fruchtbarkeits-erhaltende” Maßnahmen bei jungen Krebspatienten übernehmen.

Die Diagnose Hodenkrebs bekam ich 2003. Zwischen der OP und der Chemo hatte ich eine Woche. In der Zeit habe ich Sperma konservieren lassen.” Tobias, Betroffener

Um seine Geschichte zu erzählen, ist der 38-Jährige aus der Nähe von Augsburg extra nach Berlin gekommen, zur Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie und der Deutschen Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs.

Die Krankenkassen zahlen nicht

Tobias kennt die Statistik: Im Vergleich zur gesunden Bevölkerung können Krebspatienten nach einer Strahlen- oder Chemotherapie deutlich seltener Kinder bekommen, wenn sie nicht rechtzeitig Spermien oder Eizellen wegfrieren lassen. Die Wahrscheinlichkeit, noch fruchtbar zu sein, sinkt um etwa ein Drittel. Und weil die Krankenkassen die Kosten nicht übernehmen, zahlt Tobias selbst für die eingefrorenen Spermien. Vierzehn Jahre lang.

Man kriegt eine Rechnung, alle zwei Jahre circa 400 Euro. Es gibt die Möglichkeit, dass man ankreuzt, man zahlt weiter, man möchte es weiterhin eingelagert lassen. Oder es gibt die Möglichkeit, das vernichten zu lassen. Wenn die Rechnung kommt, hat man sich oft überlegt, lass ich es vernichten? Zum Glück hab ich es nicht machen lassen, hab immer schön weiter brav gezahlt meine 400 Euro.” Tobias, Betroffener

Warum das ein Glück war, dazu gleich mehr. Viele Patienten entscheiden sich anders als Tobias - und das, obwohl die Prognose für junge Krebspatienten, nach einer Therapie wieder völlig gesund zu werden und ein normales Leben führen zu können, noch nie so gut war wie heute. Rund 18.000 Kinder und Erwachsene bis 39 Jahre erkranken in Deutschland jedes Jahr an Krebs. Aber inzwischen können die Ärzte rund 80 Prozent von ihnen heilen und viele Patienten haben die Chance und den Wunsch, später im Leben noch Kinder zu bekommen.

Für Frauen wird es richtig teuer

Doch die Keimzellen in Stickstofftanks zu lagern kostet im Schnitt 300 Euro im Jahr. Und noch viel teurer ist es, erstmal an sie heranzukommen: Spermien sind mit rund 500 Euro günstig zu bekommen und zu konservieren, entweder nach Ejakulation oder einer kleinen OP aus dem Hoden. Aber für Frauen kostet es zwischen 3000 und 5000 Euro, sich mit den nötigen Hormonen behandeln und schließlich die Eizellen entnehmen zu lassen. Diese können dann unbefruchtet oder nach künstlicher Befruchtung eingefroren werden. Darüber hinaus gibt es auch die Möglichkeit, Eierstockgewebe einzufrieren, oder die Ovarien mit Hormonen ruhig zu stellen.

Gesetzesänderung gefordert

Dass die Kosten von den Krankenkassen nicht übernommen werden, liegt übrigens nicht unbedingt an Böswilligkeit oder Geiz - sondern an den gesetzlichen Rahmenbedingungen: Das Sozialgesetzbuch V regelt, was die Kassen übernehmen müssen. Die Fruchtbarkeit vorsorglich zu erhalten zählt nicht dazu. In anderen Ländern, etwa in Frankreich, ist das längst gängige Praxis. In Deutschland müsse die Bundespolitik den Gesetzestext ändern, und zwar schnell, fordert Mathias Freund von der Deutschen Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs.

“Da drücken wir jetzt mal ganz kräftig die Daumen dass das diese Legislaturperiode klappt.” Mathias Freund, Deutsche Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs

Ist die Kostenübernahme erst geregelt, so hoffen die Ärzte, dann könnte auch die Aufklärung der Patienten besser laufen. Bisher, zeigen Studien, besprechen die Ärzte in Deutschland gerade mal mit jeden Fünften jungen Krebspatienten, wie er später im Leben noch fruchtbar sein kann - teils aus Unwissenheit, teils mangels Zeit; teils aber auch, weil die Patienten selbst dafür zahlen müssen, glaubt die Kinderkrebs-Ärztin Anja Borgmann-Staudt von der Berliner Charité.

"Das weiß ich auch von meinen eigenen Kollegen. Es gibt wirklich Leute die sagen, die Familie könne das eh nicht zahlen. Und ich möchte sie nicht in eine Situation bringen, wo sie ihrem Kind etwas nicht ermöglichen können, was es eigentlich gibt, bloß weil sie das Geld nicht haben. Und das ist wirklich immer wieder ein Grund warum die Aufklärung nicht stattfindet.” Anja Borgmann-Staudt, Kinderärztin mit Schwerpunkt Onkologie und Hämatologie, Charité Berlin

Schon bei Jugendlichen lohnt sich die Vorbeugung

Dabei spricht nichts dagegen, schon bei Patienten ab 13 Jahren Keimzellen zu entnehmen, also nach der ersten Regelblutung oder dem ersten Samenerguss. Und es gibt sogar erste Erfolge bei Kindern. In einem Fall entnahmen die Ärzte einer Patientin noch unreifes Keimgewebe. Später pflanzten sie es ihr wieder ein, und sie wurde erfolgreich schwanger.

Zurück zu Patient Tobias. Er hat für das eingefrorene Sperma über Jahre selbst bezahlt. Vor kurzem wollten er und seine Frau ein Kind - aber es klappte nicht.

“Ich habe ein Spermiogramm machen lassen, bei dem herausgekommen ist, dass ich unfruchtbar bin. Und dann habe ich eben Glück gehabt, dass ich Sperma habe konservieren lassen. Wir sind dann ins Kinderwunsch-Zentrum und haben die Behandlung machen lassen. Das war ein Volltreffer. Im Mai oder Juni erwarten wir Zwillinge.” Tobias, Betroffener