Warum Afrozentrismus zum Feminismus gehört
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Panafrikanischer Feminismus, die Gender-Debatte in Nigeria

Panafrikanischer Feminismus, die Gender-Debatte in Nigeria

Viel-Ehe, Armut, Homosexualität: Das sind einige der Themen feministischer Künstler und Künstlerinnen in Afrika. Die nigerianische Schriftstellerin Lola Shoneyin hat sie auf einem Kultur-Festival in Nigeria zusammengebracht.

Von
Malcolm Ohanwe

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Feminismus ist nicht Feminismus. Der Feminismus westlicher Spielart ist für viele nicht inklusiv genug, er berücksichtigt zu wenig die Belange von nicht-weißen, nicht-gutbürgerlichen nicht-heterosexuellen Frauen. Gesonderte Formen der Frauenbewegung entstehen gerade in Afrika, denn für erfolgreiche nigerianische Frauen in der Kunst ist Feminismus vom Afrozentrismus nicht trennbar. Unser Reporter Malcolm Ohanwe hat drei von ihnen in der Metropole Lagos getroffen.

Lola Shoneyin sitzt in der Lobby eines Hotels in Ikeja: ein gut situierten Viertel in der Millionenmetropole Lagos. Ein Kellner bringt Drinks. Ein krasser Kontrast zu dem Setting in Shoneyins Bestseller-Roman "Die geheimen Leben der Frauen des Baba Segi". Handlungsort in dem Buch ist zwar auch der Südwesten Nigerias. Doch statt einer angenehmen Eleganz spürt man als Leser eine angespannte Enge – ausgelöst durch eine vierte Ehefrau, die mit ins Haus einzieht. Sie ist jünger, gebildeter, hübscher und verdrängt Stück für Stück die vorherigen Frauen. Viel-Ehe: eine Thematik mit der sich mittel-europäischer Feminismus nicht beschäftigt. In der afrikanischen Gleichberechtigungs-Bewegung aber nicht weg zu denken:"Es gibt wahrscheinlich keine Frau auf der Welt, die gerne ihren Ehemann teilen würde. Einige werden gezwungen, weil ihnen die Gesellschaft oder deren Kultur oder die Religion es so vorgibt. Und damit können und sollen sich vor allem afrikanische Leserinnen identifizieren", sagt Lola Shoneyin.

Safe Space für afrikanische Frauen

Um vor allem afrikanische Frauen zu erreichen, hat Lola Shoneyin auch das Aké Arts and Book Festival in Abeokuta gegründet. Dort debattieren und diskutieren Frauen aus ganz Afrika miteinander Feminismus-Fragen. Ganz wichtig dabei: Es ist ein ausschließlich afrikanischer Safe Space. Wie nötig so ein sicherer Raum zur Selbstfindung ist, das begriff Shoneyin auf einem Literaturfestival in Mantua, Italien. Auf einer Veranstaltung, sagt sie, "ging es um Polygamie in Afrika, um mein Buch 'Die geheimen Leben der Frauen des Baba Segi', warum Viel-Ehe in Afrika so häufig betrieben wird und wie es den Frauen geht. Und ich war vorbereitet, hatte alles recherchiert und war bereit zu antworten - und dann guckte ich in das Publikum: Es war kein einziges schwarzes Gesicht da. Und klar, ich war in Europa, aber all diese Afrika-zentrischen Literaturfestivals finden außerhalb des Kontinents statt. Aber ich will schwarze Frauen erreichen, und deswegen muss so etwas im Kontinent stattfinden."

Ein expliziter Fokus auf Afrika hilft dabei, alle Facetten der Identität einer schwarzafrikanischen Frau zu analysieren, dazu gehören auch queere Frauen: Shoneyin ist begeistert, wie dieser Austausch funktioniert: "Wir haben es geschafft, dass jetzt auch Armut, Politik und Homosexualität besprochen wird. Es gab eine Autorin, die sich als lesbisch geoutet hat. Dass eine Schriftstellerin so etwas in unserem Land sagen kann, ist so verdammt wichtig, denn in unserer Gesetzgebung haben wir so beschissene Gesetze, die Schwule und Lesben mit mehrjährigen Freiheitsstrafen drohen. Und für solche Gespräche braucht es diesen Safe Space."

Einen ähnlichen Ansatz hat die nigerianische Pop-Sängerin Yemi Alade, die bei den MTV Africa Awards in Südafrika Präsident Buhari für seine frauenfeindlichen Äußerungen gerügt hat: Sie wendet sich explizit an "meine afrikanischen Frauen": "Wir sind nicht wie Buhari sagt nur gut für die Küche, das Wohnzimmer und das Schlafzimmer gut. Wir können alles tun, was wir wollen." Zurück in der Heimat Lagos, in ihrem Tonstudio samt MTV-Trophäen, betont Yemi: Feminismus und Panafrikanismus lassen sich nicht trennen. Sie trage traditionell-afrikanische Klamotten und bewusst ihr krauses Haar, um zu zeigen, dass man gleichzeitig eine glamouröse UND eine afrikanische Frau sein könne. Viele von außen dächten, das beiße sich.

Christliche Europäer entmachteten Nigerias Frauen

Für die ebenfalls in Lagos lebende Bildhauerin Peju Alatise ist es sogar dieses „von außen“, also der europäische christlich-koloniale Einfluss, der die Ungleichheit von Frau und Mann in Nigeria erst losgetreten hat. "Bei den Yorúbàs waren Frauen immer mächtig. Sie waren zuständig für den kompletten Handel, hatten Geld. Deswegen hatten sie eben auch Macht. Frauen hatten eine sehr gute Stellung in unseren vorkolonialen Zeiten. Meine eigene Großmutter und ihre Vorfahren zum Beispiel hatten sogar mehrere Ehemänner. Und dann kamen die Kolonial-Herren mit ihrer Religion und haben alles gefickt. Und auf einmal waren nigerianische Frauen devot, minderwertig und mussten alle ihre Rechte und Privilegien abgeben," sagt Alatise.

Egal ob als Buchautorin, als Pop-Star oder wie Peju als politische Künstlerin und Malerin: Der pan-afrikanische Feminismus prägt die Arbeit von ihnen allen und die drei Frauen sind weltweit erfolgreich damit: Yemi tourt über den Erdball, Pejus Kunst gewinnt global Preise. Und Autorin Lola Shoneyin betont: " Natürlich können und sollen auch Leute in Europa und auf der Welt sich auch damit identifizieren. Und das tun sie. Mein Buch wurde übersetzt, auf Hebräisch, Italienisch, Türkisch Französisch und so weiter. Tatsächlich waren wir am erfolgreichsten in Italien und Deutschland."