US-Präsident Joe Biden hat der Ukraine den Einsatz von US-Waffen längerer Reichweite gegen Ziele in Russland genehmigt. Die entsprechenden Beschränkungen seien aufgehoben worden, sagten drei mit dem Vorgang vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters. Auch die Nachrichtenagentur AP zitiert aus informierten Kreisen. Die Entscheidung stellt einen erheblichen Kurswechsel der US-Regierung kurz vor dem Ausscheiden Bidens aus dem Amt im Januar dar.
Einsatz der Raketen in Kursk gegen Nordkorea-Soldaten
Den Insidern zufolge dürften die ersten Angriffe in den kommenden Tagen mit sogenannten ATACMS-Raketen ausgeführt werden. Diese haben eine Reichweite von etwa 300 Kilometern.
Die "New York Times" berichtete am Sonntag unter Berufung auf US-Regierungskreise, die Raketen dürften zunächst gegen russische und nordkoreanische Soldaten in dem russischen Oblast Kursk eingesetzt werden. Im August waren in der Region ukrainische Soldaten einmarschiert, die schnell Hunderte Quadratkilometer russisches Staatsgebiet einnahmen.
Die Zeitung berichtete weiter, die Entscheidung sei eine Reaktion auf den Einsatz nordkoreanischer Soldaten auf russischer Seite. Dieser überraschende Schritt der Regierung in Moskau hatte in den USA und der Ukraine Besorgnis ausgelöst.
Ukraine: Seleskyj deutet Erlaubnis an
Ein US-Beamter sagte der "Washington Post" (externer Link), die ATACMS-Genehmigung ziele teilweise darauf ab, Nordkorea von der Entsendung weiterer Truppen abzuhalten. Der nordkoreanische Führer Kim Jong Un müsse verstehen, dass die anfängliche Entsendung ein "kostspieliger" Fehler gewesen sei.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj deutete in seiner abendlichen Ansprache an, die Erlaubnis für den Einsatz weitreichender Waffen erhalten zu haben. In den Medien kursierten entsprechende Berichte, sagte Selenskyj. Doch Schläge würden nicht mit Worten geführt. "Solche Dinge werden nicht angekündigt. Die Raketen werden für sich selbst sprechen", sagte er.
Selenskyj fordert seit Monaten eine US-Erlaubnis für ATACMS-Angriffe tiefer im russischen Landesinneren. Die Regierung in Moskau hatte erklärt, ein derartiger Schritt wäre eine Eskalation in dem Konflikt. Bislang war die Biden-Regierung strikt gegen die Freigabe. Nur in den Kampfgebieten in der Ukraine durfte die ukrainische Armee diese Raketen bereits einsetzen.
Neue Debatte über Taurus-Lieferung?
Der Militärexperte Carlo Masala rechnet damit, dass Großbritannien und Frankreich den USA folgen werden und ihre Waffen-Beschränkungen ebenfalls aufheben, wie er auf X schrieb. Beide Staaten liefern Langstreckenraketen vom Typ Storm Shadow beziehungsweise SCALP an die Ukraine.
Die US-Entscheidung könnte in Deutschland die Debatte über eine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine neu befeuern. Kanzler Olaf Scholz lehnt dies entschieden ab: "Wenn wir das täten, wären wir beteiligt an dem Krieg", sagte er vor einigen Monaten.
Andere deutsche Spitzenpolitiker fordern jedoch ein Umschwenken. Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck erklärte am Sonntag, er würde die Waffen liefern. Auch CDU-Chef Friedrich Merz hatte Zustimmung signalisiert.
Karte: Die militärische Lage in der Ukraine
Entscheidung zwei Monate vor Trumps Amtsantritt
Bidens Entscheidung kommt etwa zwei Monate bevor sein designierter Nachfolger Donald Trump die Macht im Weißen Haus übernimmt. Es war zunächst unklar, ob dieser die Regelung fortführen würde. Auch prominente Mitglieder seiner republikanischen Partei haben gefordert, die Vorgaben für die Ukraine zu lockern. Umstritten ist in den USA dabei, wie groß die Auswirkungen auf den Kriegsverlauf sein dürften. Der künftige Präsident Trump hatte eigentlich angekündigt, die Unterstützung der USA für die Ukraine zu beschränken.
Die Ukraine hat zuletzt Geländeverluste hinnehmen müssen. Möglicherweise könnte die neue US-Regelung die Verhandlungsposition der Regierung in Kiew bei etwaigen Gesprächen über eine Waffenruhe stärken.
Am Wochenende hatte Russland die Ukraine mit etwa 120 Raketen und 90 Drohnen angegriffen. Nach Angaben des Energieversorgers DTEK musste in der Hauptstadt Kiew und zwei weiteren Regionen des Landes wegen der Angriffe der Strom abgeschaltet werden. Die massive Attacke traf auch die westliche Ukraine und versetze die Luftabwehr des benachbarten Polens in Alarmbereitschaft.
Mit Informationen von Reuters und AP
Im Video: Massive Luftangriffe in der Ukraine
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