Franken - Zeitgeschichte

25 Jahre Straße der Menschenrechte

Ein Symbol für den Frieden 25 Jahre Straße der Menschenrechte

Stand: 19.10.2018

Die Straße der Menschenrechte bei Nacht | Bild: picture-alliance/dpa

Sie soll am einstigen Versammlungsort der Nazis ein Symbol sein für den "Sieg über den Nazismus": die Straße der Menschenrechte in Nürnberg. Am 24. Oktober 2018 jährt sich die Eröffnung des riesigen Kunstwerks zum 25. Mal. Nürnberg feiert das in den kommenden Tagen mit zahlreichen Veranstaltungen.

"Dieses Kunstwerk hat nichts mit dem Holocaust zu tun", sagt der kleine Mann mit der Lederkappe vor der Kamera. Er steht am 24. Oktober 1993 in der verregneten Nürnberger Altstadt. Hinter ihm sind zahlreiche weiße Säulen zu erkennen. "Es hat mit den Menschenrechten und den Nürnberger Rassegesetzen zu tun. Es ist sozusagen eine Antwort auf die Gesetze, die Hitler der Stadt Nürnberg auferlegte."

Der Schöpfer der Straße der Menschenrechte, Bildhauer Dani Karavan, im Jahr 1993

Der kleine Mann ist der Bildhauer Dani Karavan aus Israel. Er hat im Holocaust viele Verwandte verloren. Seine Großmutter wurde im polnischen Lemberg von Nazis erschossen. Er eröffnet an diesem Tag die Straße der Menschenrechte – ein über hundert Meter langes Kunstwerk, das an die Einhaltung der Menschenrechte in aller Welt erinnern soll. Und das ausgerechnet in Nürnberg, der Stadt der nationalsozialistischen Reichsparteitage und "Rassengesetze". Gerade dieser Ort sei aber wichtig, sagt Karavan in seiner bewegenden Rede vor dem Kunstwerk in der Kartäusergasse neben dem Germanischen Nationalmuseum.

"Ich frage mich: Zeigt nicht die Tatsache, dass dieses Werk sich nahe dem Ort der Reichsparteitage befindet, den Sieg des Menschen über den Nazismus?"

Dani Karavan

Ein Kunstwerk fürs Museum

Anlass für die Entstehung der Straße der Menschenrechte war der Umbau des Germanischen Nationalmuseums Ende der 1980er-Jahre. Im Rahmen der umfangreichen Baumaßnahmen erhielt das Museum weitere Ausstellungsräume und einen neuen Eingangsbereich an der Kartäusergasse. Aus der schmalen Straße am ehemaligen Kloster wurde die Passage durch das größte kunsthistorische Museum im deutschen Sprachraum. Eine Umgestaltung, die durch ein Kunstwerk gewürdigt werden sollte.

27 Betonsäulen säumen die Straße der Menschenrechte

Eine Jury wählte 1988 aus vier eingegangenen Wettbewerbsvorschlägen den von Dani Karavan aus. Sein Vorschlag sah am Eingang der Kartäusergasse aus Richtung der Altstadt ein dreibogiges Betontor vor, sozusagen ein reduziertes Spiegelbild des Kartäusertors am anderen Ende der Passage, in exakter Proportion und Größe des Vorbilds. Acht Meter hohe Säulen sollen in der Gasse stehen, versehen mit den 30 Artikeln der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen. Pro Säule ist ein verkürzter Artikel vorgesehen, jeweils in Deutsch und einer anderen Sprache. Die schlichte Gestaltung und zurückhaltende weiße Betonstruktur sollen eine kontemplative Ruhe ausstrahlen. Der Betrachter ist aufgefordert, vor den Säulen innezuhalten und über die eingravierten Menschenrechtsartikel nachzudenken.

Die Inschriften entlang der Straße der Menschenrechte

Stichwort: Allgemeine Erklärung der Menschenrechte

Die UN-Vollversammlung verabschiedet am 10. Dezember 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte.

Die Menschenrechte sind ein direktes Produkt des Zweiten Weltkriegs. Entsetzt von den Schrecken des Zweiten Weltkriegs und den Gräueltaten des Nazi-Regimes verlangte die Welt in den 1940er-Jahren nach festgeschriebenen, fundamentalen Rechten aller Menschen. Daran erinnert die Präambel der Allgemeinen Erklärung:

"Da die Nichtanerkennung und Verachtung der Menschenrechte zu Akten der Barbarei geführt haben, die das Gewissen der Menschheit mit Empörung erfüllen  [...] verkündet die Generalversammlung diese Allgemeine Erklärung der Menschenrechte." Absatz 2 der Präambel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte

Am 10. Dezember 1948, drei Jahre nach Gründung der Vereinten Nationen, wird die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von der Generalversammlung verabschiedet.

"Stadt des Friedens und der Menschenrechte"

Am 24. Oktober 1993 schließlich wird das Kunstwerk eingeweiht, mit 27 statt 30 Säulen, einem Baum und zwei Bodenplatten.

Es steht für den Beginn einer Entwicklung in der Stadt. Davon zeigt sich Nürnbergs damaliger Oberbürgermeister Peter Schönlein (SPD) in seiner Ansprache während der Eröffnung überzeugt.

"Nürnberg hat sich in einen Prozess begeben, der weniger Zierde denn Auftrag ist. Das Ziel ist, dass von Nürnberg niemals mehr andere Signale ausgehen dürfen als solche des Friedens, der Versöhnung, der Verständigung und der Achtung der Menschenrechte."

Peter Schönlein (SPD), 1993 Oberbürgermeister von Nürnberg

In die Säulen sind die Artikel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte eingraviert.

Die Einweihungsfeier ist der Startpunkt für einen Imagewandel Nürnbergs weg vom schweren Erbe der Zeit des Nationalsozialismus hin zur "Stadt des Friedens und der Menschenrechte". Seit 1995 wird alle zwei Jahre der Internationale Nürnberger Menschenrechtspreis verliehen. Das Menschenrechtszentrum und das Menschenrechtsbüro werden gegründet, ein internationales Filmfestival eingeführt. 2013 wurde am Ende der Straße der Menschenrechte eine Gedenktafel für die Opfer der NSU-Terrorgruppe enthüllt.

Das neue Nürnberg: OB Ulrich Maly und die Gewinnerin des Menschenrechtspreises 2013, Kasha Jacqueline Nabagesera.

Ein Viertel Jahrhundert lang hat sich Nürnberg um ein neues Image bemüht und darum, sich der Verantwortung aus der Geschichte zu stellen. Sichtbares Zeichen dafür, sagt Martina Mittenhuber, die Leiterin des Nürnberger Menschenrechtsbüros, ist die Straße der Menschenrechte.

Stichwort: Dani Karavan

Dani Karavan

Der 1930 in Tel Aviv geborene Künstler ist bekannt für seine großformatigen, begehbaren Kunstwerke, die sich oft mit den Themen Menschenrechte, Freiheit und Unabhängigkeit beschäftigen. Zwischen 1963 und 1969 schuf er zum Beispiel in der Wüste Negev eine Gedenkstätte zur Erinnerung an die Gefallenen des israelischen Unabhängigkeitskrieges. Von 1996 bis 2000 realisierte er den Weg des Friedens zwischen Israel und Ägypten. Im Herbst 2012 wurde in Berlin sein Mahnmal für die von den Nationalsozialisten ermordeten Roma und Sinti eingeweiht. 2018 wird Karavan zum Ehrenbürger von Nürnberg.

Veranstaltungen zum Jubiläum

Zahlreiche Veranstaltungen begleiten das 25-jährige Jubiläum der Straße der Menschenrechte, darunter Diskussionen und Vorträge zum Thema. Das Germanische Nationalmuseum bietet am Sonntag, den 28. Oktober einen Thementag mit Führungen bei freiem Eintritt, die Kreis-Galerie in der Kartäusergasse zeigt Einblicke in Karavans Werk der vergangenen 30 Jahre.

Am Dienstag, den 23. Oktober steigt in der Straße der Menschenrechte eine Geburtstagsaktion unter dem Motto "Nürnberg hält zusammen". Die Frankenschau aktuell meldet sich dazu live von dort.

Ein Symbol der Hoffnung und des Friedens

Bei einigen der Feierlichkeiten wird auch der inzwischen 87 Jahre alte Dani Karavan mit dabei sein. Beim Festakt zum 20. Geburtstag der Straße der Menschenrechte 2013 sagte er, dass die Kraft seiner eigenen Kunst beginne, ihn zu überzeugen. Sie verändere das Ansehen dieser Stadt in der Öffentlichkeit.

"Von einer Stadt, auf der ein Fluch lastet, zu einer Stadt der Hoffnung."

Dani Karavan, Künstler

Der Leiter des Germanischen Nationalmuseums, Ulrich Grossmann, kritisierte damals in seiner Begrüßungsrede, dass sich Nürnberg in den 1970er- und 1980er-Jahren nicht für das NS-Regime verantwortlich gefühlt hatte. Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD) sagte, die Säulenstraße von Dani Karavan sei vielleicht eines der wenigen Kunstwerke, das "längst auch zur Grundlage für das Handeln von Politik und Gesellschaft in unserer Stadt geworden ist". Die Straße der Menschenrechte sei das Symbol für die Selbstverpflichtung der Nürnberger, für Frieden und Menschenrechte einzutreten.