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Univ-Prof. Dr. Merle Fairhurst, Neurowissenschaftlerin "Good and bad touch": Was bedeutet Berührung für uns?

Wenn wir Menschen gut kennen oder sie besonders gerne mögen, nehmen wir sie auch gerne in den Arm oder küssen sie auf die Wangen. Das erzeugt alles Nähe. Was passiert, wenn wir uns aus Angst vor Ansteckung so gar nicht mehr berühren? Dieser Frage geht Merle Fairhust auf den Grund.

Stand: 30.06.2021 | Archiv

Was ist die Berührung für mich? Ist es immer etwas Positives? Es kommt darauf an, erklärt Merle Fairhurst. Wie hat die Covidpandemie unser Berührungsverhalten verändert und welche Auswirkungen hat dies auf unser Wohlbefinden? Ergebnisse aus Forschungen machen deutlich, dass Berührung große Vorteile für die physische und psychische Gesundheit haben kann, je nachdem von wem die Berührung kommt und wie sicher man sich fühlt, nimmt man die Berührung an oder vermeidet aktiv die Berührung. Erst vor 30 Jahren entdeckte man besondere Rezeptoren der Haut, die Signale an das Gehirn senden. In Studien hat man bewiesen, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen Berührungsmangel und Einsamkeit gibt.

Studie zur Vereinsamung in der Coronazeit

Unter Anderem geht Merle Fairhurst in ihrem Vortrag auf unsere individuellen Unterschiede im Berührungsverhalten ein, die die Vielfalt unserer Reaktionen auf Infektionsschutzmaßnahmen und auf die Einschränkungen des Körperkontakts – die Bestimmungen darüber, wen von unseren Nächsten und Liebsten wir umarmen dürfen und wen nicht -  geprägt haben. Ferner präsentiert sie die Ergebnisse der aktuell laufenden Studie, die die unmittelbaren Auswirkungen des ersten Lockdowns im Frühling 2020 weltweit untersuchte und nun die Folgen der weiteren Entwicklungen analysiert. Merle Fairhurst erläutert unseren Tastsinn und seine schützenden Eigenschaften, die uns in der aktuellen Krise behilflich sein können. Die wohlwollenden Auswirkungen der Berührung sind dabei stark davon abhängig, ob wir die Berührung in einem für uns richtigen Umfang bekommen, von den Personen, von der wir sie bekommen möchten, ob das auf die für uns passende Art und Weise und zur von uns gewünschten Zeit passiert.

Lernen aus der Berührungslosigkeit

In dem Kurzvortrag geht es auch darum, was wir aus dieser Erfahrung lernen können und wie diese uns dazu bewegen kann, uns unterschiedlichen Themen rund um Berührung zuzuwenden, etwa den Fragen der #metoo-Bewegung einerseits und der Einsamkeit in der berührungslosen Welt anderseits.

Univ-Prof. Dr. Merle Fairhurst

Merle Fairhurst hat ein Diplom in Musik und absolvierte ihre akademische Ausbildung in Physiologie und Neurowissenschaft an der Universität Oxford. Ihre Postdoktorandenausbildung umfasste zwei Forschungsstipendien beim Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften (Leipzig). Im Anschluss daran hat sie sich in den letzten 7 Jahren in interdisziplinären Forschungen mit Wurzeln in der Philosophie des Geistes etabliert, erstmals am Institute of Philosophy in London und zuletzt an der LMU. Sie untersucht die Interaktion zwischen sensorischen Signalen, die es uns ermöglichen, die Welt um uns herum zu verstehen und erfolgreich mit anderen zu interagieren. Ihre Projekte reichen vom Versuch zu verstehen, was das Besondere an der Berührung ist, bis hin zur Identifizierung von Faktoren, die die Interaktion in der Gruppe von der Interaktion zu zweit unterscheiden. Als klassische Sängerin interessiert sie sich leidenschaftlich für die besonderen Fälle der Sinneswahrnehmung in Musik und Kunst. Und als Mutter von vier Kindern setzt sie sich für die Förderung von Frauen im akademischen Bereich ein.


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