Respekt - Respekt

Islamfeindlichkeit

RESPEKT Islamfeindlichkeit

Stand: 30.03.2020

  • In Deutschland leben etwa 4,5 Millionen Muslim*innen, das sind 5,5 % der Gesamtbevölkerung. (Quelle: BMAF 2016)
  • Fast drei Viertel der Deutschen geben an, wenig oder nichts über den Islam zu wissen. (Quelle: dpa)
  • Den Islam gibt es seit etwa 1400 Jahren.
  • Der Islam ist mindestens genauso vielfältig wie das Christentum: Es gibt Sunniten, Aleviten, Schiiten und zahlreiche weitere Glaubensrichtungen.

Islamfeindlichkeit gibt es weltweit und sie wächst. Nicht nur bei einzelnen Menschen, sondern auch als politisches Programm: bei rechten Parteien und sogar Regierungen. Die weigern sich zum Beispiel, nicht-christliche Flüchtlinge aufzunehmen oder verbieten Bürger*innen islamischer Länder die Einreise. Die Vorurteile sind vielfältig: der Islam sei autoritär, fundamentalistisch, rückwärtsgewandt, gegen die Demokratie, altmodisch, böse und der Schritt zum Terrorismus nur noch ganz klein.

Islamfeindlichkeit ...

Häufig sind es einfach nur äußerliche Merkmale, aus denen Menschen vorschnell schließen, dass ihr Gegenüber muslimischen Glaubens ist. Aussehen, Kleidung und meistens auch der Name verleiten manche dazu, andere einfach in eine "Schublade" zu stecken. Und dabei ist noch nicht einmal sicher, ob der Mensch, über den vorschnell ein Urteil gefällt wird, überhaupt einer muslimischen Glaubensgemeinschaft angehört.

"Es liegt nicht an der Minderheit, dass man sie nicht mag, es liegt an der Mehrheit, dass wir Feinde brauchen, auf die wir Böse, Übel delegieren können. Von daher sind Muslime, Roma, Juden zunächst einmal austauschbar."

Historiker Dr. Wolfgang Benz

... ist oft einfach Angst vor dem Fremden

Der Historiker Wolfgang Benz erforscht judenfeindliche Vorurteile und vertritt die These, dass Islamfeindlichkeit aus ähnlichen Mechanismen von Unsicherheit entsteht: Eine Gruppe verurteilt eine Minderheit auf Grund von Eigenschaften, die sie der Minderheit zuschreibt. Doch was die Mehrheit der Minderheit vorwirft, sind nicht selten Probleme, die sie bei sich selbst verdrängt, zum Beispiel Frauenfeindlichkeit und Intoleranz. Islamfeindlichkeit ist meist geprägt durch Angst vor Überfremdung, nicht selten ist es auch eine generelle Angst vor dem Fremden, dem Unbekannten.

Bedrohungsgefühle durch Unwissenheit

  • 53 % der nichtmuslimischen Deutschen fühlen sich vom Islam bedroht oder eher bedroht, in der Stadt weniger als auf dem Land.
  • Gleichzeitig finden aber 85%, man sollte allen Religionen gegenüber offen sein. Quelle: Bertelsmann Religionsmonitor 2015
  • 30 % der Deutschen sagen, sie haben Angst vor dem Islam. (Quelle: Statista Uni Münster 2016)
  • 72 % geben zu, dass sie nur wenig über den Islam wissen. (Quelle: dpa)
  • 64 % haben wenig oder gar keinen Kontakt zu Muslim*innen. (Quelle: Uni Münster 2016)

"Der Islam" besteht aus vielen Glaubensrichtungen

Im Islam gibt es ganz verschiedene Glaubensrichtungen und Konfessionen. Zum Beispiel Sunniten, Schiiten und Aleviten. Der Islamwissenschaftler Abdel-Hakim Ourghi hat in Berlin die liberale Ibn-Rushd-Goethe Moschee mitgegründet. Sie ist offen für alle Glaubensrichtungen. Ourghi unterscheidet folgende Untergruppen der Imame in Deutschland: den arabischen Islam, das sind Imame ohne theologische Ausbildung. Dann sogenannten Importimame aus der Türkei, die nicht mit den Werten hier vertraut sind und nicht mal deutsch sprechen. Und schließlich die Ahmedia und die Bosniaken, also die bosnischen Muslimen.

Islamische Konfessionen

Muslime

Menschen mit islamischem Glauben haben in Deutschland 5,5 % Anteil an der Gesamtbevölkerung; der Großteil der hier lebenden Muslim*innen stammt aus der Türkei, aus Bosnien und Herzegowina, Iran, Marokko und Afghanistan. Der Islam geht zurück auf Mohammed (570 - 632) und seine Offenbarungen. Auf der ganzen Welt gibt es heute etwa eineinhalb Milliarden Muslime. Damit ist der Islam weltweit die zweitgrößte Religion nach dem Christentum. Wie dieses unterteilt sich auch der Islam in verschiedene Richtungen; die beiden größten Gruppen bilden die Sunniten und die Schiiten.

Sunniten

Die größte Glaubensrichtung im Islam sind mit etwa 85 bis 90 % die Sunniten. In den meisten islamischen Ländern bilden sie die Mehrheit. Die Sunniten teilen sich in mehrere Rechtsschulen auf, wie etwa die Hanbaliten in Bangladesch, Pakistan, Indien, Afghanistan und der Türkei. Von den in Deutschland lebenden Menschen islamischen Glaubens werden 80 % zu den Sunniten gerechnet.

Schiiten

Nach Mohammeds Tod entbrannte ein Streit über die rechtmäßige Nachfolge. Die Schiiten erkennen im Gegensatz zu den Sunniten nur Ali, den Schwiegersohn des Propheten, als legitimen Nachfolger an. In den meisten islamischen Ländern sind die Schiiten in der Minderheit (oder sogar verboten); im Irak und Iran bilden sie hingegen die Mehrheit. Mit etwa 15 % sind die Schiiten weltweit die zweitgrößte Glaubensrichtung des Islam. Von den in Deutschland lebenden Muslim*innen werden allerdings nur 3 % zu den Schiiten gezählt.

Aleviten

In Deutschland gibt es eine verhältnismäßig große alevitische Gemeinde: über eine halbe Million (17 %) der in Deutschland lebenden Muslim*innen sind türkische und kurdische Aleviten. Die in Anatolien (Türkei) entstandene Religionsgemeinschaft hat sich aus dem schiitischen Islam entwickelt, zählt sich selbst aber nicht zu den Schiiten. Manche Aleviten diskutieren sogar eine Loslösung vom Islam. Aleviten haben keine Moscheen, die Frauen sind relativ gleichberechtigt; Brauchtum wie Musik und Tanz spielen eine große Rolle; Fastenzeiten, die Pilgerfahrt nach Mekka oder das Freitagsgebet sind nicht verpflichtend.

Sonstige

Daneben gibt es noch weitere Gruppen, etwa die Ibaditen in Oman oder die Sufis bzw. Derwische, bei denen die mystische Seite des Islam eine große Rolle spielt.

Islam, Judentum, Christentum im produktiven Austausch

Den Islam gibt es seit etwa 1400 Jahren. Seit damals leben und handeln Juden, Christen und Muslime miteinander. Im Mittelalter etwa war der Islam fester Bestandteil Europas. Es gab einen regen Austausch von Waren, von Ideen und von handwerklichen Techniken von China und Indien bis nach England. Muslime waren beispielsweise Experten für Papierherstellung, auf die sich die Christen gerne verließen. Zeugnisse muslimischer Künstler und Baumeister finden sich bis heute im ganzen Mittelmeerraum.

Die arabische Medizin war dem christlichen Wissen jahrhundertelang weit voraus. Und arabische Wissenschaftler waren berühmt für ihre Erkenntnisse in Astronomie, Astrologie und Mathematik. Selbst in der Religionsgeschichte gibt es zahlreiche Überschneidungen und Gemeinsamkeiten. So wird Jesus im Islam als Prophet verehrt.

Kennenlernen als Basis für Vertrauen

Ängste und Vorurteile entstehen immer dann, wenn wir etwas nicht kennen und deshalb verunsichert sind. Da nur 5,5 Prozent der Deutschen Muslim*innen sind, ist es gar nicht so einfach, zufällig in Kontakt miteinander zu kommen. Oder sich besser kennen zu lernen. Deshalb gibt es Vereine wie Ufuq in Augsburg: Die Mitarbeiter*innen bringen gezielt Menschen mit und ohne islamischen Glauben zusammen.

"Anstatt zu klären: Ist der Islam ein Teil von Deutschland? Sollte man gemeinsam drüber diskutieren, wie wir alle, die wir zusammen in diesem Boot leben, das gestalten wollen."

Ufuq-Mitarbeiterin Büşra Köse

Autorin: Monika von Aufschnaiter

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