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Vorschriften vs. Eigenverantwortung

RESPEKT Vorschriften vs. Eigenverantwortung

Stand: 02.12.2020

  • Vorschriften sind verbindliche Regeln, deren Nichteinhaltung bestraft werden kann.
  • Vorschriften sind notwendig, wenn einheitlich gehandelt werden muss zum Wohl der Gemeinschaft - und zwar in erster Linie für die Menschen, die von sich aus nicht eigenverantwortlich Rücksicht auf andere nehmen.
  • Eigenverantwortung funktioniert generell besser, wenn das "richtige" Handeln leicht geht. Beispiel Klimaschutz: den Stromanbieter wechseln ist einfacher als komplett aufs Autofahren und Fliegen zu verzichten.
  • Es ist wichtig, die Balance zu finden zwischen Vorschriften und Eigenverantwortung - denn jeder Mensch möchte auch selbst bestimmen können.

Vorschriften befolgen und Eigenverantwortung beweisen. Zwei Tätigkeiten, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Eine wichtige Sache haben sie aber gemeinsam: Sie tragen zu einem harmonischen Zusammenleben bei, solange man weiß, wann vorschriftsgemäß und wann eigenverantwortlich gehandelt werden soll. Drei Bereiche haben wir genauer untersucht: die Vorschriften in der Covid-19-Pandemie, Homeoffice / Homeschooling und Klimaschutz.

Masken: gleiche Pflicht für alle

Auch wenn es Studien gibt, die Alltagsmasken keinen positiven Effekt bescheinigen: Die Maskenpflicht wurde eingeführt, um auf Nummer sicher zu gehen und Infektionen zu verhindern. Marcus da Gloria Martins, Mitglied der Corona-Taskforce des Gesundheitsministeriums, sagt sinngemäß: Ohne Vorschrift hätten sich zwar die meisten dran gehalten, aber eben nicht alle. Und darum gebe es auch die Maskenpflicht: wegen denen, die den Sinn darin nicht erkennen und sich nicht vorsichtig verhalten. Denn das Virus unterscheide nicht, ob jemand dran glaube oder nicht. Er hat beobachtet, dass die meisten Leute sich an die Vorschriften gehalten haben - weil sie große Angst vor Ansteckung hatten, für sich und ihre Angehörigen. Die Vorschriften mit Sanktionsmöglichkeiten seien also vor allem für die etwa 10 Prozent da, die keinen Sinn darin sähen.

"Hier muss einfach klar sein, dass Information und Wissen der Grundstein ist, gefolgt von Regeln, die Orientierung bilden und am Ende abgeschlossen durch Sanktionen für die, die sich partout nicht dran halten wollen."

Marcus da Gloria Martins, Mitglied der Corona-Taskforce des Gesundheitsministeriums

Zwischenfazit Homeschooling - Zocken statt Lernen

Was leicht fällt, macht man eher auch ohne Vorschriften. Das Lernen im Homeschooling ist vielen Schüler:innen sehr schwer gefallen. Denn die Zeit, die sie mit Lernen verbrachten, halbierte sich im Vergleich zum Präsenzunterricht. Die Versuchung, am Tablet oder PC zu zocken oder Filme zu schauen war einfach zu groß. Besser funktioniert das Homeoffice. Erwachsenen fällt es meist leichter, sich selbst zu motivieren und dran zu bleiben. Zumal sie ja auch Geld dafür bekommen ;-) Deshalb sagen wohl auch 60 Prozent der Arbeitnehmer:innen, dass sie im Homeoffice sogar produktiver sind als im "echten" Büro. Außen vor ist hier natürlich das Soziale: Denn in der Schule ist man ja, wie im Büro, nicht nur "produktiv", sondern genießt es, miteinander zu reden, zu lachen und auch mal Pause machen. So motiviert man sich dann wieder für die anstehende Arbeitsphase.

"Als Ende der 70er-Jahre die Gurtpflicht eingeführt worden war, gab es da Riesenradau von Bevölkerungsgruppen. Jetzt muss ich mich immer anschnallen. Was ist das für eine Freiheitsbeschränkung? (...) Heute hinterfragt das kein Mensch. Und ich glaube, so ist es bei vielen Vorschriften."

Prof. Dr. Gerhard Reese, Umweltpsychologe an der Uni Koblenz

Umweltschutz? - Ja, aber ...

Die meisten Deutschen sind für Umweltschutz. Theoretisch. Praktisch schaut es dann doch oft so aus, dass die Bequemlichkeit vorgeht. Wie jede:r von uns auch an sich beobachten kann, wenn er/sie mal genau hinschaut. Es liegt in der Natur des Menschen, den Weg des geringsten Widerstandes bzw. den der Gewohnheit zu gehen. Auch wenn wir wissen, dass es einen besseren Weg gibt. Deshalb sagen Experten wie der Umweltpsychologe Gerhard Reese: Wir brauchen einen politischen Rahmen, der es einfacher oder billiger macht, sich richtig zu verhalten. Also etwa Zug zu fahren anstatt zu fliegen funktioniert dann, wenn Zugfahren komfortabler und preiswerter ist als Fliegen. Oder wenn plastikverpackte Nahrungsmittel deutlich teurer sind als unverpackte. Es braucht nämlich starke (politische) Anreize, damit die breite Masse bequeme Gewohnheiten ändert.

Eigenverantwortung ist gut - mit Rahmenvorgaben aber noch besser

  • In einer Befragung in Deutschland von Juli 2020 geben knapp 60 Prozent an, im Homeoffice produktiver zu sein.
  • Schüler:innen verbrachten beim Homeschooling nur 3,6 anstatt wie normal 7,4 Stunden mit Lernen.
  • Beim Umweltschutz funktioniert Eigenverantwortung noch nicht so gut. Wenn die gesamte Weltbevölkerung so leben würde wie wir hier in Deutschland, bräuchten wir drei Erden.
  • 50,6 Prozent fahren trotzdem nach wie vor Auto oder fliegen, dann halt mit schlechtem Gewissen.
  • 19 Prozent interessiert der Umweltschutz weder im Urlaub noch zu Hause.

Richtig handeln, auch wenn's unbequem ist

Zusammenfassend kann man sagen: Vorschriften sind gut, Eigenverantwortung ist besser. Es gibt allerdings auch Situationen im Leben, da gibt es gar keine Vorschriften. Da ist natürlich dann eigenverantwortliches Handeln besonders gefragt. Oft denken wir ja von uns selbst, dass wir ziemlich gut Eigenverantwortung übernehmen können, also meist besser als die anderen. Aber ist das tatsächlich so? Tun wir das Richtige, auch wenn es unangenehm ist - oder wenn wir sogar selbst gar nichts davon haben? Etwa unmittelbar, beim Umweltschutz? Vielleicht sollten wir uns da öfter selbst kritisch beobachten und mal probieren, öfter die Komfortzone zu verlassen.

Autorin: Monika von Aufschnaiter

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