BR Fernsehen - Sehen statt Hören


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Jannis Oppermann Der Traum von einem inklusiven Kinderbauernhof

"Jannis hat mich sein Leben lang begeistert und verzückt", so beschreibt ihn seine Mutter. Jannis hatte keinen leichten Start ins Leben. Inzwischen ist er ein 25-jähriger Mann, der dabei ist, sich seinen Traum zu erfüllen. Ein wichtiger Schritt dabei: Die Ausbildung zum Erzieher an der IBAF-Gehörlosenschule in Rendsburg.

Stand: 17.08.2023

Jannis ist ein kluger Kopf, der – mit Abitur in der Tasche – überlegt hat, ob er Pferdetierarzt werden möchte. Nun ist sein Traum, einen Bauernhof für Kinder und Jugendliche zu gründen. Kinder und Tiere sollen an einem Ort leben, spielen und gemeinsame Erfahrungen machen.

Schritt für Schritt geht er nun diesen Weg. Zunächst benötigt er eine Ausbildung zum Erzieher.

In Rendsburg, wo er an der Gehörlosenfachschule seine Ausbildung absolviert und inzwischen mit Klassenkameraden und Freunden in einer WG wohnt, begeistert er ebenso wie zu Hause die Menschen um sich herum:

"Für mich ist Jannis ein Brückenbauer. Weil er in zwei Welten lebt und versucht, diese beiden Welten zu verbinden. Ein toller Mensch!"

Michele La Mendola, Erzieher

"Jannis ist eine interessante Persönlichkeit.  - Er ist selbst absolut gehörlos und hat ein weiteres Handicap. Trotzdem ist er selbstbewusst. Er hat ein unheimlich großes Allgemeinwissen. Er ist neugierig. Und eine besonders positive Eigenschaft ist seine Hilfsbereitschaft."

Simone Schulz, Lehrerin

Mit den Gefühlen hören

Natürlich ist seine Mutter nach wie vor sein größter Fan.

"Jannis ist für mich jemand, der mich immer wieder begeistert und verzückt, weil er eine Wundertüte ist und immer wieder mit Überraschungen kommt. Letztes Mal hat er zu mir gesagt, 'Mama, ich möchte gar nicht hören, weil ich höre doch mit meinen Gefühlen.'"

Christina Ruhe, Jannis' Mutter

Jannis und seine Mutter Christina schauen alte Bilder an

Jannis hat das CHARGE-Syndrom. Damit kommen in Deutschland pro Jahr nur etwa 70 Kinder zur Welt. Die ersten Schritte seines Lebens waren für die Familie sorgenvoll. Denn wegen dieser Erkrankung musste Jannis als kleines Kind OPs über sich ergehen lassen, für die es keine Alternative gab: sein Weiterleben hing davon ab.
Für die Eltern war deshalb dann klar: Noch eine OP für ein CI kommt nicht in Frage.

"Jannis darf jetzt erst mal wachsen und sein, wie er ist, was ihn ausmacht. Es war dann auch, dass er ziemlich schnell gezeigt hat: Zu gebärden ist seine Welt. Er hat viele Gebärden ziemlich schnell gelernt und auch wieder angewendet, so dass wir gesagt haben: Wow, das ist sein Weg zu kommunizieren und so hat dann die ganze Familie – auch Oma und die Paten haben dann alle gebärden gelernt. Er war dann teilweise bei den Gebärdenkursen schon dabei, weil er einfach auch so schnell das aufgenommen hat und gelernt hat, dass klar war, das ist sein Weg und den dürfen wir mitgehen."

Christina Ruhe, Jannis' Mutter

Karin Kestner war für Jannis und seine Familie da

In dieser Zeit entstand der Kontakt zu Karin Kestner, der hörenden Frau, die für unzählige gehörlose Kinder ein Fels in der Brandung war. Karin Kestner setzte sich dafür ein, dass gehörlose Kinder Gebärdensprache lernen und in Begleitung von Dolmetscherinnen und Dolmetschern Regelschulen besuchen. Sie forderte nachdrücklich den Einsatz von Gebärdensprache im Unterricht für gehörlose Kinder. Für ihren Einsatz wurde ihr 2017 das Bundesverdienstkreuz verliehen.

Auch für Jannis war Karin Kestner eine wichtige Beraterin im Hintergrund.

"Meine Eltern haben früher, als ich noch ein Baby war, Kontakt zu Karin aufgenommen. Sie haben viele eMails geschrieben. Auch wegen 'Tommys Gebärdenwelt' hatten sie sich ausgetauscht. Aber ich war ja noch klein und hatte wenig Erfahrung. Deshalb wurde der Kontakt dann im Lauf der Zeit weniger. Erst circa zwei Monate vor ihrem Tod – Karin ist ja leider schon gestorben – habe ich dann diesen Ordner im Keller gefunden und die Korrespondenz nachgelesen. Es war schön, die Geschichte nachzuvollziehen und zu sehen, mit wieviel Engagement Karin mich unterstützt und gefördert hat. Ich habe mich sehr gefreut, dass ich noch ihre eMail-Adresse hatte und sie einfach angeschrieben und sie hat mir praktisch sofort geantwortet und geschrieben, dass sie sich freut, wieder Kontakt mit mir zu haben. Ich habe ihr dann von meiner Erzieher-Ausbildung erzählt und wir haben uns über verschiedene andere Themen ausgetauscht. Karin hat sich sehr gefreut und war stolz daraufüber, dass ich mich so gut entwickelt habe und selbstbewusst geworden bin und darüber, was ich alles geschafft habe."

Jannis

Alle Schritte bis zum Traum im Blick

Jannis mit seiner Klasse beim Klettern

An der Gehörlosenfachschule begeistert sich Jannis für die unterschiedlichsten Lernfelder: "Bildung", "Familie", "Inklusion und Diversität" - aber auch "Erlebnispädagogik". Dafür geht's dann für die ganze Klasse zum Klettern. Einerseits lässt das diese Klassengemeinschaft zusammenwachsen, andererseits ist es eine Methode, die die Schüler später selbst einsetzen können, wenn sie selbst Gruppen leiten.

"Ich denke, nach der Ausbildung muss ich mir erstmal einen Job suchen, vielleicht in einem Kinderheim und dort eine Weile arbeiten und Erfahrung sammeln, ein paar Weiterbildungen machen. Dann kann ich vielleicht im ersten Schritt als Gruppenleiter arbeiten und mich dann nach einem Bauernhof umschauen, wo man einen Kinder-Bauernhof gründen könnte. Also erst einmal in meinem Ausbildungsberuf Erfahrungen sammeln und dann den Traum vom Bauernhof erfüllen. Einen Schritt nach dem anderen."

Jannis


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