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Wird das bisher unberührte Platzertal zum Stausee? Neuer Pumpspeicher im Platzertal?

In Tirol ist in diesem Sommer der Widerstand gegen ein neues Pumpspeicherkraftwerk im Kaunertal und Platzertal stärker geworden. Das staatliche Energieunternehmen TIWAG hatte Anfang des Jahres die Genehmigungsunterlagen für das Großprojekt im oberen Inntal bei der Landesregierung eingereicht

Von: Georg Bayerle

Stand: 14.10.2023

Neuer Pumpspeicher im Platzertal? | Bild: BR; Georg Bayerle

Wird das bisher unberührte Platzertal zum Stausee? Der geplante Ausbau des Kraftwerks Kaunertal zählt zur Energiestrategie des Landes Tirol, die seit mehreren Jahren in der Umsetzung ist. Gleichzeitig nimmt der Widerstand zu: Die Naturschutzorganisation WWF und die Alpenvereine haben bereits vor Ort gegen die Pläne demonstriert oder Stellung genommen. Unterdessen ist das Verfahren am Laufen: Bis Frühjahr 2024 muss die TIWAG Gutachten nachreichen, damit die Umweltverträglichkeitsprüfung für das Großkraftwerk starten kann.

Arbeiten am Staudamm

Im Längental bei Kühtai im Sellrain lässt sich beobachten, was der Bau eines Großkraftwerks in den Alpen bedeutet: 100-Tonnen-Muldenkipper, gewaltige Bagger und Steinmühlen arbeiten ein Hochgebirgstal in einen Stausee um. Jeden Tag wächst der zukünftige Damm derzeit um mehrere Zentimeter. Der Gemeinderat des Kaunertals ist an einem dieser Tage zu Gast, um hautnah zu erleben, was auf das eigene Tal und das benachbarte Platzertal zukommen würde, wenn es dort zum Kraftwerksbau käme. Christian Kalsberger, der Kaunertaler Bürgermeister, macht keinen Hehl daraus, dass er hinter den Plänen auch in seinem Tal steht. Andere Mitglieder des Gemeinderats zeigen sich nachdenklicher. Sie sind beeindruckt von der gewaltigen Dimension der Bauarbeiten und beschäftigen sich mit den Folgen einer derartigen knapp zehnjährigen Großbaustelle für das Kaunertal.

Naturereignis Wildfluss

Nach Meinung des Projektleiters der TIWAG, Wolfgang Stroppa, ist es für das Kaunertal machbar. Der Ingenieur setzt mit dem staatlichen Energiekonzern die Tiroler Energiestrategie um. Die neuen Pumpspeicher, die das natürliche Gefälle der hochalpinen Täler ausnutzen, gehören dazu. Bessere Möglichkeiten, um in großtechnischen Anlagen Energie zu speichern, werde es mittelfristig nicht geben, sagt er. Der Preis dafür wäre das Platzertal auf 2200 Meter Höhe, wo sich seit der Eiszeit ein typisches Hochtal mit mäanderndem Bach, Schwemmebenen, Mooren und Kaskaden entwickelt hat. Nicht nur die Alpenvereine und die Naturschutzorganisation WWF haben inzwischen vor Ort gegen die geplante Zerstörung protestiert., auch die deutsche Gruppe der Alpenschutzorganisation Mountain Wilderness hat durch eine Bergtour über den Gebirgskamm gezeigt, um was für eine besonders abgelegene und unberührte Landschaft es sich hier handelt.

Statement im Platzertal

Der zweite Hauptbetroffene durch das neue Großkraftwerk wäre das Ötztal: Hier sollen 80% des Wassers aus den Hochgebirgsbächen abgepumpt werden. Inzwischen lehnen im Ötztal auch Vertreter der regierenden ÖVP das Projekt ab. Gerade im Ötztal zeigt sich aber auch, wie die Konkurrenz ums Wasser Kreise dreht: Die Landwirtschaft braucht Wasser, der Tourismus für die Hotels, aber auch für den Kunstschnee - und der braucht wiederum Energie, die mit den neuen Kraftwerken erzeugt werden soll. Auf Nachfrage des BR bestätigt die Tiroler Landesregierung schriftlich, dass die Pumpspeicherkraftwerke für die Energiewende in Tirol „zwingend erforderlich“ seien. Bis Frühjahr 2024 muss die TIWAG nun Gutachten nachreichen. Dann soll die Umweltverträglichkeitsprüfung starten. Zeit, in der sich auch die Gesellschaft klar darüber werden kann, welche Opfer sie für die Produktion von Strom bringen will und kann.

Georg Bayerle hat den Streit um ein neues Großkraftwerk in den Tiroler Alpen für Dok Thema die Entwicklung in diesem Jahr beobachtet – zu sehen am Mittwoch, 18.Oktober um 22 Uhr im BR Fernsehen.


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