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Der Drei-Enzian-Steig in der Rax Auf den Spuren von Viktor Frankl in den Wiener Alpen

Im BR erinnern wir dieses Jahr immer wieder an 1700 Jahre jüdisches Leben in Bayern. Auch in der Entwicklung des Alpinismus nimmt das jüdische Bergsteigen immer wieder eine besondere Rolle ein. Ein erschütterndes Kapitel war der Ausschluss der jüdischen Bergsteigerinnen und Bergsteiger aus dem Alpenverein. Diese faschistische Vereinspolitik hat auch den Wiener Psychologen Viktor Frankl getroffen, der schon vor dem Nationalsozialismus als Tourenleiter aktiv war.

Von: Georg Bayerle

Stand: 04.12.2021 | Archiv

Auf den Spuren von Viktor Frankl in den Wiener Alpen | Bild: BR; Georg Bayerle

Viktor Frankl überlebte als einziger seiner Familie die Konzentrationslager, und kam immer auf die Berge zurück, besonders auf seinen Heimatberg in den Wiener Alpen, die Rax, wo die Erinnerung an Viktor Frankl in einer speziellen Kletterroute immer noch lebendig ist.

Auf dem Plateau der Rax

Auf seiner Südseite bricht der Plateauberg Rax in einer steilen Felsklippe ab. Die Preinerwand. Hier steige ich mit zwei echten Bergpersönlichkeiten der Rax durch den Schutt zum Wandfuß. Ewald Putz, Bergretter, und Ignaz Gruber, Bergführer, hatten Viktor Frankl immer wieder am Seil, wenn der Wiener Professor seine Lieblingstour, den Drei-Enzian-Steig klettern wollte. Zwar gibt es schwierigere Touren hier, aber der grasige und brüchige Steig im II. und III. Schwierigkeitsgrad, damals ein Rax-Klassiker, war Frankls Lieblingstour.

Für den hochgeachteten Professor aus Wien war der Drei-Enzian-Steig bis kurz vor seinem 80.Geburtstag so etwas wie die Anwendung seiner Erkenntnisse auf sich selbst: Der Mensch müsse sich nicht alles von sich gefallen lassen, auch nicht die Angst, denn beim Klettern wächst er über sich hinaus und erreicht Ziele über Hindernisse hinweg. Wenn man sich an der Schlüsselstelle des Drei-Enzian-Steigs, die in einer Felsnische liegt, verhaut, gerät man gleich in schwierigeres Gelände.

Viktor E. Frankl

Gut gestuft und über teils grasige kleine Absätze geht es den wuchtigen Wandaufbau hinauf. Im Alpinismus fand Frankl den konkreten Ausdruck seiner Psychologie: Als „säkulare Form der Askese“ bildet das Bergsteigen einen Gegenpol zur Konsumgesellschaft, die auf totale Bedürfnisbefriedigung zielt. Die alpine Askese fokussiert auf das konzentrierte Tun. Beim Klettern stellt sich eine Verbindung her zum Fels, zur Landschaft. Wir nehmen das wahr, was wir tun, spüren uns intensiver durch die Herausforderung der Kletterei und fühlen die oft auch widrigen Gegebenheiten draußen in der Natur.

Die Viktor Frankl-Gedächtnisstelle, wenn man so will, ist gar nicht ohne: Mit viel Luft unter den Füßen, muss man sich da an die Kante raustrauen, weil nur dort ordentliche Tritte vorhanden sind. Eine Seillänge weiter oben liegt in einer Felsnische die Blechschatulle mit dem Wandbuch: „Viktor-Frankl-Steig“ wurde von der ÖAV-Sektion Reichenau hinterlegt.

Viktor E. Frankl

Das Bergsteigen, die Erinnerung, wie sich der Fels anfühlt, war einer der Beweggründe, die Schrecken des Konzentrationslagers zu überstehen, erklärte der Wiener Jude Viktor Frankl, der als einziger seiner Familie den Holocaust überlebt hat. „Trotzdem Ja zum Leben sagen“, so heißt sein bekanntestes Buch. Indem wir in Viktor Frankls Lieblingskletterei dessen Gedanken nachspüren, spielen wir auch Momente unseres eigenen Erlebten durch. Erinnerungen bleiben und machen das Leben reich. So ziehen sich die Erinnerungen an „seine“ Berge auch durch die dunkelsten Zeiten im Leben von Viktor Frankl.

Die Klettertour auf den Spuren Viktor Frankls durch den Drei-Enzian-Steig in der Rax ist auch ein Bestandteil der Sendung von Bergauf-Bergab zum Jahresabschluss – am 5.12. um 18.45 Uhr im BR-Fernsehen und hier in der Mediathek.


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