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"Produktion 4.0" Multifunktional in Schwaben

Mit "Produktion 4.0" setzt der BR verstärkt auf die Multifunktionalität seiner Mitarbeiter aus der ehemaligen Hörfunk- und Fernsehproduktion. Marc Gensel und Johannes Hofelich arbeiten seit Mai 2017 im Regionalstudio Schwaben multifunktional. Wie sieht ihr Alltag dort aus und welche Herausforderungen haben sie zu meistern?

Von: Christine Lehner, Unternehmenskommunikation

Stand: 12.10.2017

Mediengestalter im BR-Studio Schwaben | Bild: BR/Christine Lehner

Es ist 9.00 Uhr morgens in Augsburg. Eigentlich hätten die beiden Mediengestalter Marc Gensel und Johannes Hofelich eine ganz normale Schicht im Regionalstudio Schwaben – doch heute werden alle Kräfte gebraucht: Das Urteil im Fall Linus Förster, ehemaliges Mitglied des Bayerischen Landtags, soll in einer Stunde fallen. Jetzt heißt es: Equipment zusammenpacken und so schnell wie möglich zum Landgericht fahren.

Equipment für trimediale Berichterstattung

Johannes Hofelich hat gleich zwei Koffer dabei: einen Schnittrechner für DIGAS (das zentrale System zur Verarbeitung von Audiomaterial) und einen Handykoffer. "Nur für den Fall, dass noch jemand gebraucht wird, der spontan mit dem Handy ein Video machen kann", sagt er. Heute soll er vorrangig die beiden Hörfunk-Reporter Barbara Leinfelder und Oliver Christa bei ihrer Arbeit unterstützen. Denn später, wenn die beiden Reporter direkt nach der Urteilsverkündung ihre Minuten für B5 aktuell und andere Wellen absetzen, muss es schnell gehen. "Meine Aufgabe ist es dann, die Minuten, die die Reporter direkt in ihr IXM (Aufnahmemikrofon mit integriertem Speicher; Anm. d. Red.) einsprechen, einzuspielen, zu bearbeiten und in DIGAS zur Verfügung zu stellen", erklärt Johannes Hofelich.

Auch Marc Gensel hat alle Hände voll zu tun. Er steht Fernseh-Autor Andreas Herz als Kameramann zur Seite. Die Abendschau und die Rundschau im BR Fernsehen haben jeweils Stücke bestellt, Schnittbilder und Interviews müssen gedreht werden. Dafür bereitet Marc Gensel schon mal Stativ und Kamera vor, dreht bereits einige NiF-Bilder ("Nachricht im Film") im Foyer, während sich sein Kollege Johannes Hofelich eine ruhige Ecke sucht, in der er später ungestört die Töne schneiden kann.

Zusammenhalt in stressigen Momenten

Immer mehr Journalisten und Fernsehteams drängen ins Foyer, der Fall Linus Förster sorgt für große mediale Aufmerksamkeit. "Daher rücken wir heute auch zu zweit an", erklärt Johannes. "Um 12.00 Uhr haben wir ja schon die Mittagssendung, die wir als Mediengestalter von technischer Seite mitbetreuen. Das heißt, spätestens um halb zwölf muss einer von uns zurück ins Studio fahren – dann ist es besser, der andere bleibt hier und unterstützt die Reporter, falls die Urteilsverkündung oder das Interview mit dem Verteidiger länger dauern."

Dann öffnen sich schon die Türen des Gerichtssaals. Marc Gensel geht zusammen mit den BR-Reportern Oliver Christa, Barbara Leinfelder und Andreas Herz hinein, ergattert mit seiner Kamera einen Platz in der ersten Reihe, während Johannes Hofelich draußen vor dem Saal die Stellung hält.

Die Aufgabe heute ist nicht ganz alltäglich. Normalerweise begleitet nur ein Mediengestalter einen Reporter, wenn dieser einen Beitrag für Fernsehen und Hörfunk produziert. "In einer Lage wie dieser, wo alle Wellen und auch das Fernsehen Stücke haben will, noch dazu besonders schnell, müssen wir uns kurzfristig an die Situation anpassen und überlegen, wie wir uns aufteilen", erklärt Johannes Hofelich. "Marc hat heute zum Beispiel Frühdienst, das heißt, er ist bereits seit 5.00 Uhr da. Wahrscheinlich ist es nachher so, dass er noch den Dreh mitmacht, der Andreas Herz dann aber schneidet – oder ich schneide, mal sehen."

Multifunktionale Ausbildung

Bevor Johannes Hofelich Mediengestalter im Studio Schwaben wurde, war er acht Jahre lang Ton-Techniker bei BAYERN 3. Zuvor, während seiner Ausbildung, hat er allerdings schon den Umgang mit Kamera und Schnittprogrammen gelernt. Diese Erfahrung kommt ihm nun zugute: "Bei BAYERN 3 habe ich nur Hörfunk gemacht, jetzt arbeite ich viel mit der Kamera und auch im Schnitt; dazu kommt sehr viel Online. Ich bin jetzt viel näher an der Redaktion dran und überlege gemeinsam mit den Journalisten, wie wir einen Bericht angehen. Außerdem haben wir Eigenverantwortung über die Technik im gesamten Studio." Fleißig schneidet er O-Töne und Aufsager des Reporter Oliver Christa für BAYERN 3, Bayern 2 und B5 aktuell zurecht.

"Ich muss jetzt gleich wieder zurück ins Gericht, um die Urteilsbegründung zu hören. Da ist es mir eine Riesen-Hilfe, dass der Johannes hier sitzt und mir diese Nachrichtenminute produziert, die zwei Versprecher rausschneidet und das auch noch überspielt. Wenn ich das mit meinem schwachen Handynetz machen müsste, würde ich wahnsinnig viel Zeit verlieren. Darum hilft es mir sehr, dass er da ist und mir diese Arbeit abnimmt."

Oliver Christa, Reporter im BR-Studio Schwaben

Inzwischen ist die Urteilsbegründung vorüber, die Türen des Gerichtssaals öffnen sich wieder und Marc Gensel verlässt mit anderen Teams und Journalisten den Saal, um sich mit seiner Kamera erneut im Foyer zu positionieren. Dort soll er zusammen mit Autor Andreas Herz noch den Gerichtssprecher sowie den Verteidiger beim Interview abfilmen.

Marc Gensel war neun Jahre lang Produktionstechniker in der EB-Aufnahme (Kamerateams) in München-Freimann, bevor er ins Studio Schwaben kam. Dort hat er sehr viele Drehs begleitet, viel Aktuelles, aber auch Dokumentationen wie "Unter unserem Himmel". Die Entscheidung, ins BR-Studio Schwaben zu gehen, fiel dem gelernten Fotografen leicht: "Ich wohne seit 2012 in Augsburg. Als ich gehört habe, dass hier ein großes Studio entstehen soll, habe ich mich sehr schnell an die Chefs gewandt, um mein Interesse zu bekunden.  Dann habe ich noch einige Ausbildungsmodule bei den Mediengestaltern mitgemacht. Das hat mich optimal vorbereitet."

"Wir sind keine Journalisten"

Die Entwicklung, dass der BR zunehmend trimedial wird und dementsprechend vermehrt Leute multifunktional weitergebildet werden, bewertet er positiv: "Wenn man verschiedene Gewerke kennt, versteht man, was die einzelnen Befindlichkeiten sind." Was er allerdings kritisch sehe, sei, wenn von einer Person alles abverlangt würde. "Man hat immer nur zwei Hände, zwei Ohren, zwei Augen und einen Kopf dazwischen. Man kann und sollte sich auf eine Sache konzentrieren. Ich bin ja auch kein Journalist, sondern fokussiere mich auf die Technik."

Die Trennung von Mediengestaltern und Journalisten sehen beide Mediengestalter als notwendig an: "Man kann mich zwar rausschicken für bestimmte Sachen und ich kann viele Dinge alleine machen. Aber nur bis zu einem gewissen Grad. Dann fehlt mir einfach der journalistische Hintergrund, die Fähigkeit, bestimmte Fragen zu stellen, bestimmte Antworten aus den Leuten herauszukitzeln und so weiter. Oder im Vorfeld die Drehs vorzubereiten, Leute abzutelefonieren, das funktioniert nicht, dafür bin ich einfach nicht der Typ", betont auch Johannes Hofelich.

Inzwischen sind die O-Töne des Gerichtssprechers und des Verteidigers aufgenommen. Während Marc Gensel mit Autor Andreas Herz noch die Kamera und das restliche Equipment abbaut, sitzt Johannes Hofelich bereits im Taxi. Er muss schnell zurück sein, da um 12.00 Uhr die Mittagssendung startet. Diese fährt zwar der Moderator selbst, doch muss immer ein Mediengestalter als technischer Support bereitstehen. "Es wird jedenfalls nie langweilig", lacht Johannes Hofelich. Und wirkt dabei sehr zufrieden.

"Wenn’s im technischen Bereich Menschen gibt, die die Zusammenführung verschiedener Ausspielwege wirklich leben und es uns als Journalisten vormachen, dann sind es die Mediengestalter. Sie sind ausgebildet für die unterschiedlichen Ausspielwege und medienübergreifend zu denken fällt einem umso leichter, je mehr man den Einblick in das andere Gewerk hat. Und da haben die Mediengestalter uns Journalisten sicher etwas voraus."

Josef Böck, Leiter BR-Studio Schwaben


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