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Rom-Korrespondentin Ellen Trapp Ein Miteinander in der Einsamkeit

Als echtes "Reporterinnenglück" bezeichnet Ellen Trapp ihre erste Drehreise nach dem Lockdown. Die Leiterin des Studios Rom Fernsehen berichtet für die ARD aus Italien, das vom Corona-Virus besonders hart getroffen wurde.

Von: Ellen Trapp, Korrespondentin Studio Rom

Stand: 20.05.2020

Die Filmemacherin Francesca Tosarelli (links) hat für den BR in Bergamo  gedreht - ihre Arbeitskleidung Tag für Tag war ein weißer Schutzanzug. Auf dem
Foto neben ihr die Frau eines an Covid19 erkrankten Mannes, der noch in Einzelisolation war, aber sich schon wieder gut fühlte. | Bild: privat

Wie sind in Ihrem Land derzeit die Einschränkungen des öffentlichen Lebens verglichen mit Deutschland? Wie ist die Stimmung?

Mittlerweile sind die Einschränkungen im öffentlichen Leben ja nicht mehr so strikt, wie noch bis vor kurzem. Jetzt haben Bars, Restaurants, Geschäfte wieder "richtig" geöffnet und es findet wieder fast normales Leben statt. Klar ist in einer Stadt wie Rom natürlich die aktuelle Situation nicht vergleichbar mit der vor einem Jahr, da die Touristen fehlen, aber sie ist aus dem Dornröschenschlaf erwacht.

Die Stimmung ist einerseits gut – endlich wieder ein Stück Normalität, endlich können wir wieder Freunde treffen und uns hier in der Stadt zumindest auch ganz normal und frei bewegen. Aber andererseits ist da immer noch bei Vielen diese diffuse Angst: Kommt die zweite Welle und kommt sie vielleicht schon in Kürze oder erst im Herbst? Außerdem haben viele Menschen in den Wochen des Lockdowns ihre Arbeit und Existenz verloren. Sie fragen sich, wie es nun weitergehen soll?

Wie geht die Bevölkerung mit der Krise um?

Die Italienerinnnen und Italiener haben sich über Wochen an die strengen Ausgangsregeln gehalten. Es war ein "Miteinander in der Einsamkeit". Anfangs wurde von den Balkonen gesungen, die Menschen haben einander geholfen, niemand sollte einsam sein. Das war sehr schön zu beobachten.

Und als nun Bars und Restaurants wieder geöffnet haben, sind viele Leute draußen gewesen,  sie haben es bei Sonnenschein und 25 Grad schlicht nicht mehr daheim ausgehalten, wollten wieder andere Menschen sehen. Dabei haben sie sich mehr oder weniger an die Abstandsregeln etc. gehalten.
Die Unternehmen versuchen, die Vorgaben umzusetzen. Da sehe ich viel Geduld, Energie und Kreativität im Umgang mit der Pandemie.

Wie hat sich Ihre Arbeit verändert? Was ist derzeit die größte Herausforderung?

Ellen Trapp beim Interview auf dem Campo dei Fiori

Noch sind viele Kolleginnen und Kollegen im Homeoffice und kommen nur rein, wenn sie wirklich müssen. In den vergangenen Wochen war die Herausforderung, die unzähligen Anfragen der Redaktionen zu erfüllen und gleichzeitig aus dem ganzen Land zu berichten. Wir haben dann das Netzwerk unserer freien Zulieferer ausgebaut. So haben wir in Teilen die Recherche in Rom gemacht und dann Aufträge erteilt. Das ist kein optimales Arbeiten, weiß Gott nicht, aber es hat im Rahmen unserer Möglichkeiten ziemlich gut funktioniert. Zumindest hatten wir positives Feedback aus Deutschland.

Corona wird uns wohl noch länger beschäftigen. Was wünschen Sie sich für die kommenden Monate für Ihre Arbeit oder auch im Blick auf Ihre Region?

Unsere Korrepondentin in Rom

Das Studio Rom Fernsehen ist zuständig für die Berichterstattung aus Italien, Malta, Griechenland und dem Vatikan. Leiterin Ellen Trapp berichtet gemeinsam mit dem Chefkorrespondenten Dr. Michael Schramm. Mehr Infos gibt es hier.

Ich hoffe, dass Stück für Stück Normalität einkehrt und wir wieder normal arbeiten und reisen können. Ich wünsche mir, dass Italien die Pandemie gut übersteht und die Wirtschaftskrise nicht so schlimm wird, wie ich es gerade befürchte. Es wäre toll, wenn auch hier vielleicht ein Umdenken passiert – was Bürokratie, Korruption, Vertrauen in den Staat, Eigen-Verantwortung etc. betrifft. Das ist es, was Italien braucht.

Mit Blick auf EU wünsche ich allen, dass die Freiheit und der Frieden, den viele von uns als völlig normal hingenommen haben, nicht mehr als Selbstverständlich hingenommen wird. Dass wir einander brauchen und helfen und dass es sich lohnt, für die Zukunft der EU zu kämpfen.

Was war der bewegendste Moment in den letzten Wochen?

Die erste Drehreise nach dem Lockdown war der bewegendste Moment. Ich habe mich gefühlt wie eine 5-Jährige an Weihnachten, ihrem Geburtstag, Sylvester und zur Einschulung zusammen. Endlich wieder reisen können! Und die Capresen haben uns so herzlich empfangen. Das war ein wahrer Moment des Glückes - des Reporterinnenglücks !!!


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