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Passionsspiele Oberammergau Ein Gelübde und seine Folgen

Klein haben sie angefangen, die Passionsspiele von Oberammergau: 60 bis 70 Bürger versammelten sich 1634 auf dem Dorffriedhof zwischen all den frischen Gräbern der Pesttoten. Und so beginnt in finsterer Barockzeit am "Schwurkreuz" die Geschichte des weltweit erfolgreichsten Laienspiels.

Stand: 09.11.2011 | Archiv

Die zunächst wohl etwas schaurige Bühne bot, je nach Regisseur und Zeitgeschmack, mittelalterlich inspirierte Darstellungen ("Allegorien") der sieben Todsünden, barocke Höllentänze, klassizistische Historiendramen oder modernes Theater im Stil des psychologischen Realismus. Die Spiele wurden verboten, verschoben, nachgeholt - und entwickelten sich zur weltweit bekanntesten Inszenierung ihrer Art.

Geschichte der Passionsspiele

Missbrauch durch das NS-Regime

In der jüngeren Vergangenheit prägte vor allem die NS-Zeit das Geschick der Spiele. Adolf Hitler ergötzte sich an der Darstellung des "jüdischen Geschmeißes und Gewimmels" und wurde 1934, zum 300. Jubiläum des Pestgelübdes, in Oberammergau frenetisch gefeiert. Die Passionsspiele wurden für "reichswichtig" erklärt, fielen dann aber im Jahr 1940 wegen des Zweiten Weltkriegs aus.

Überraschungserfolg nach dem Krieg

1950 beschlossen Vertreter des US-Militärs und Gemeinderats die Wiederaufführung der Passion. Die Nachkriegsveranstaltung sollte der Welt ein christliches Deutschland präsentieren - und wurde mit zahlreichen ausländischen Gästen unter den 480.000 Besuchern ein großer Erfolg. In den 1960er- und 1970er-Jahren mehrte sich Kritik: Die "Anti Defamation League" und das "American Jewish Committee" beklagten die Darstellung der Juden als Jesusmörder und forderten eine Weglassung der zentralen Textstelle "Sein Blut komme über uns und unsere Kinder" (MT 27,25).

"Offener Dialog" mit Kritikern

Gemälde des Benediktinerpaters Ferdinand Rosner | Bild: Benediktinerabtei Ettal, Archiv des Erzbistums München und Freising zur Bildergalerie mit Informationen Passionsspiele Oberammergau Weiter im Text

Erst Rosner, dann Daisenberger, jetzt Stückl: Die Oberammergauer Passion hat viele Väter. Die Textversionen für die weltberühmten Inszenierungen spiegelten die Moden der Zeit und politischen Umstände wider. Neben Pomp und Knüttelversen gab es auch antisemitische Anklänge. [mehr]

Im Jahr 1977 versuchte Hans Schwaighofer, die von jedem Antisemitismus freie Rosner-Passion von 1750 wieder auf die Bühne zu bringen. Er scheiterte jedoch bei einer Bürgerbefragung, die sich für einen Verbleib der so scharf kritisierten Daisenberger-Fassung aussprach. Erst 1990 kam es unter dem jungen Christian Stückl zu ersten Reformen. Von Anfang an führte Stückl einen "offenen Dialog" mit Kritikern. Für die Passionsspiele 2010 ließ er sich vom Theologen Ludwig Mödl beraten. "Es ist ein wahnsinnig langer Prozess, bis man dann bei seinem Text ist", beschreibt Stückl diese Gratwanderung.


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