Bayern 2 - Zündfunk

Hasskriminalität gegen LSBTIQ* „Wir alle haben die Verpflichtung, marginalisierte Gruppen zu schützen!“

Die Hasskriminalität gegen queere Menschen steigt. Weltweit - aber auch hier in Deutschland. Vor kurzem hat das Innenministerium offizielle Zahlen bekanntgegeben. Der Zündfunk hat den amerikanischen Politikwissenschaftler und LGBTQ*-Aktivisten Ravi Perry gefragt, was wir als Gesellschaft, aber auch jeder einzelne, tun kann.

Von: Sandra Limoncini

Stand: 19.05.2023

Die Farben der Regenbogenflagge auf einer Wand mit abgeplatzter und rissiger Wandfarbe und einem großen Riss in der Wand. Symbolbild für Intoleranz, Homophobie und Diskriminierung. | Bild: picture alliance / SULUPRESS.DE | Torsten Sukrow

„Jeden Tag werden LSBTIQ* in Deutschland beleidigt, angegriffen und attackiert“, fasst es der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann, zusammen. Das Bundesinnenministerium hatte am 9. Mai aktuelle Zahlen zur Hasskriminalität in Deutschland vorgelegt. Gewalttätige Übergriffe gegen queere Personen sind aber weltweit ein Problem. Zündfunk-Reporterin Sandra Limoncini hat mit dem amerikanischen LGBTQ*-Aktivisten und Professor für Politikwissenschaft Ravi Perry gesprochen.

Zündfunk: Mr. Perry, Sie haben viel dazu geforscht: Woher kommt denn der Hass auf queere Personen?

Politikprofessor Ravi Perry von der Howard University, Washington D.C.

Ravi Perry: Sozialwissenschaftler und Sozialpsychologen haben herausgefunden, dass es unterschiedliche Gründe für dieses Phänomen gibt. Einer davon ist schlicht und einfach Ignoranz: Was du nicht kennst, kannst du nicht verstehen. Dann gibt es Menschen, die einfach einem bestimmten Glauben anhängen. Sie sind der Meinung, dass Homosexualität unmoralisch ist, falsch und gegen Gott gerichtet. Und manche Leute haben schlichtweg Angst. Sie haben Angst vor LGBTQ-Menschen. Die zunehmende Beliebtheit, die zunehmende Fähigkeit, sich an die Öffentlichkeit zu wenden und auch die Energie und Power, die LGBTQ-Menschen weltweit ausstrahlen, macht ihnen Angst. Man sieht überall die Regenbogenflaggen. Man weiß mittlerweile, was Gay Pride ist und dieses neue Phänomen ist vielen Menschen unangenehm.

Wie schauen Sie als Amerikaner auf Deutschland? In Bayern gab es gerade eine Debatte um eine Drag-Lesung für Kinder, sogar der bayerische Ministerpräsident Markus Söder hat sich dazu geäußert.

Wenn sie mit Kindern sprechen, dann werden sie hören, dass sie Drag-Lesungen mögen. Aber nicht nur hier in Bayern, auch bei mir zu Hause in den USA und in vielen amerikanische Staaten, werden wir von konservativen Kräften angeführt, die solche Lesungen verbieten. So auch erst grade im Bundesstaat Tennessee. Das ist etwas, das viele Menschen nicht wollen.

Wie geht es der LGBTQ-Community in Amerika?

Hasskriminalität ist in Amerika gerade ein Riesenproblem und auf dem Vormarsch. Interessanterweise kannst du am ehesten verletzt werden, wenn du in New York City, in Los Angeles oder in Washington unterwegs bist. In Städten, von denen du denken solltest, dass du da als LGBTQ eigentlich willkommen bist, wo es viele queere Clubs und Bars gibt. Aber in den gleichen Gegenden beobachten wir, dass queere Menschen angegriffen werden, sie Gewalt erfahren oder sie sogar getötet werden. Es ist nach wie vor sehr wichtig, das Leben von LGBTQ-Personen zu schützen.

In 69 Staaten werden LGBTQ noch immer strafrechtlich verfolgt, in elf Ländern sind sie sogar von der Todesstrafe bedroht. Was können wir international tun, um diesen Umstand zu ändern?

Wir müssen die Geschichten von LGBTQ-Menschen teilen. Egal ob arm, reich, englischsprachig, deutschsprachig, ob du in Amerika, in Afrika, in Asien oder in Europa lebst oder in Südamerika: Je mehr Geschichten du hörst, desto eher können diese Geschichten Menschen verändern. Das größte Problem besteht aber für Menschen, die in Staaten leben, in denen sie mit dem Tode bedroht werden. Wenn du als queerer Mensch in Uganda lebst, dann schwebst du in Lebensgefahr. Wir müssen international dafür sorgen, dass diese Menschen aus diesen Ländern rausgebracht werden, dass sie flüchten können von dort. Ich bin sehr stolz, dass ich mit ein paar Münchner Stadträten sprechen konnte, dass sie planen, dass queere verfolgte Menschen - beispielsweise aus Uganda - nach Deutschland einwandern können, um hier sicher leben zu können.

Hattest du als queere Person und POC das Bedürfnis, etwas für die Community zu tun?

Ich bin der Meinung, dass wir alle die Verpflichtung haben, marginalisierten Gruppen zu schützen! Wenn du in einer exponierten Stellung bist und die Macht hast, das Leben von Menschen verändern zu können, dann hast du die Verantwortung, deine Macht zu nutzen. Aber wenn du zu einer Minorität gehörst, also zu marginalisierten Gruppe, dann ist wichtig, dass du deine Identität dafür einsetzt, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Wenn du eine Stimme hast, dann musst du sie dazu nutzen, um andere Menschen zu umarmen und zu stützen, die selber keine Stimme haben. Du kannst vor dem Parlament demonstrieren, du kannst zu Deinem Stadtrat gehen. Du kannst aufstehen und kämpfen für diese Menschen. Je mehr wir mit anderen Menschen zusammen sind und miteinander sprechen – ungeachtet unserer Unterschiede – dann sind wir auch in der Lage die schwierigsten Probleme der Welt lösen zu können.