Bayern 2 - Zündfunk

Schriftstellerin Katja Lewina "Wir waren riesengroße Fans von der Anarchistischen Pogo-Partei Deutschlands"

Mit Büchern über Frauen und Sex, und jüngst über ihre Ex-Freunde, ist die Berliner Schrifstellerin Katja Lewina bekannt geworden. In ihrer Jugend sprach aber zunächst wenig für eine große Karriere. Im Zündfunk-Interview erzählt Lewina von ihrer Liebe zur Rebellion.

Von: Oliver Buschek, Noe Noack

Stand: 22.06.2023

Foto von Schrifstellerin Katja Lewina | Bild: Manuela Clemens

Zwanzig Jahre, zehn Männer. Davon handelt „Ex“, das aktuelle Buch von Katja Lewina. In der Zündfunk-Reihe „Mein Ding mit 16“ erzählen Menschen über ihre große Leidenschaft im Teenager-Alter. Im Falle Katja Lewinas hatte die mit ihrem ersten Freund, Johnny, zu tun, mit der Rebellion gegen das konservative Elternhaus und mit Anarchismus.

Zündfunk: Katja Lewina, was war dein Ding mit 16?

Katja Lewina: Mein Ding mit 16 ist wahrscheinlich so banal wie trotzdem aufregend. Das war die Rebellion. Ich habe mich aufgelehnt gegen die Schule, gegen den Staat, gegen Gott aber vor allen Dingen gegen meine Eltern.

Wo war der Punkt, wo du gemerkt hast: So geht es nicht mit diesen Eltern, da muss Widerstand geleistet werden?

Ich würde sagen, ich komme aus eher schwierigen Verhältnissen. Es war sehr, sehr leicht gegen meine Eltern zu rebellieren. Ich habe mich nicht gehört gefühlt, nicht gesehen gefühlt, und sie waren einfach wahnsinnig konservativ. Das heißt, alles, was mir ganz großen Spaß gemacht hat damals – Sowas wie Sex oder Punk oder irgendeine Art von exzentrischer Mode – das haben die abgelehnt und mich ganz schön abgestraft dafür.

Und wie hat die Rebellion im Elternhaus ausgesehen? Bist du ausgebüchst oder hast du die offene Schlacht am Küchentisch gesucht?

Am Ende bin ich tatsächlich ausgebüchst, als ich merkte, da kann einfach nichts mehr weiterhelfen, außer roher Gewalt. Rohe Gewalt im Sinne von: „Ich hau einfach ab, ciao ihr Arschlöcher!“ Da bin ich zu meinem Freund losgezogen. Der hat damals schon eine eigene Wohnung gehabt, das war natürlich ganz praktisch fürs Abhauen. Und dann bin ich einfach da mit eingezogen.

Und deine Eltern fanden das super?

Ich glaube nicht. Mein Vater hat tatsächlich mit mir danach eine Weile nicht mehr gesprochen. Das müssen zwei, drei Jahre gewesen sein. Meine Mutter war ein bisschen entäuscht von mir, aber Mütter sind da ja oft ein bisschen nachgiebiger.

Aber wie sahen die Repressalien aus, wenn du dich punkig angezogen hast oder mit deinem Freund Sex haben wolltest oder etwas gemacht hast, was deinen Eltern nicht gepasst hat? Musstest du um sechs zuhause sein? Stubenarrest?

Vergiss es. Auch keine Schläge oder so. Aber immer bei politischen Themen, die konnten einfach nicht besprochen werden. Ich war zum Beispiel wahnsinnig links, mein Vater ziemlich weit rechts. Es war so, dass es sehr viel Streit gab und irgendwann gab es gar keine Kommunikation mehr. Und das war einfach der Moment, wo ich gemerkt habe: Ich muss hier einfach raus. Ich werde nicht liebgehabt. So fühlte sich das an.

Dafür kam die Liebe von außen. Das kann man in deinem neuen Buch auch ein bisschen lesen über die Männer, die dich so begleitet haben. Und mit 16 Jahren war es Johnny.

Das war Johnny und es war auch einfach total peinlich. Von heute aus gesehen so eine richtige Daddy-Issues-Geschichte. Der war elf Jahre älter als ich, der war schon erwachsen quasi. Er war Mitte 20, war Punk und ich war wahnsinnig verliebt in den. Weil er einfach all das verkörpert hat, was ich nicht geschafft habe oder haben wollte zu dem Zeitpunkt. Dieses: „Ey, ich scheiß auf alles, mir ist irgendwie alles egal, ich bin der Geilste, Fuck Off!“

Hat er dich dann auch politisiert? Weil du vorher meintest, dass du gegen den Staat rebelliert hast? War es eine Form von Anarchismus, hast du dich damit beschäftigt?

Wir waren riesengroße Fans von der APPD, der Anarchistischen Pogopartei Deutschlands. Ich glaube, die gibt es gar nicht mehr, die waren auch damals schon nicht mehr wählbar, aber wir haben das sehr bedauert.

Wenn du zurückblickst darauf, wie es damals gelaufen ist, denkst du, es hätte auch anders laufen können zwischen dir und deinen Eltern? Mit ein bisschen gutem Willen?

Gute Frage. Ich mache mir darüber auch viele Gedanken, weil meine Tochter jetzt auch bald 16 ist. Es fehlen nur noch ein paar Monate. Ich glaube aber, dass die Beziehungen die wir führen, sowohl zu unseren Eltern, als auch zu unseren Kindern, maßgeblich von der Elternseite bestimmt wird. Das heißt: Wenn die Beziehung scheiße ist, liegt es ganz, ganz sicher nicht am Kind. Insofern wäre das glaube ich eher in der Hand meiner Eltern gewesen, da irgendwie einen weicheren Blick zu bekommen. Eine Offenheit, für das was bei mir passierte und warum diese Rebellion in der Hinsicht stattfinden musste. Ein Kind haut ja nicht einfach so ab. Aber es ist ja den Menschen oft nicht möglich, über ihren eigenen Tellerrand hinaus zu blicken.

Dabei wollen doch die meisten Eltern eigentlich das Beste für ihr Kind. Und trotzdem hört man immer wieder Geschichten von Eltern und Kindern, die auseinanderdriften. Wenn du jetzt als Autorin dich mal in andere hineinfühlst. Was ist es, was da bei Eltern schiefläuft?

Die wollen zwar das Beste für ihr Kind, sind aber selber ganz oft in einer eigenen Kinderrolle gefangen. Die haben ja selber Probleme mit ihren Eltern gehabt, haben einen Haufen Konflikte mitgebracht, destruktive Muster, in denen sie einfach festhängen. Und die bringen sie natürlich in ihre Kind-Beziehungen mit ein. Das heißt, wenn wir unsere eigene Beziehung zu unseren Eltern nicht geheilt haben, können wir eigentlich sichergehen, dass wir das mit reinbringen und ziemlich vieles schiefläuft.

Hast du die Zeit mit 16 dann später mit deinen Eltern nochmal aufgearbeitet?

Mit meiner Mutter sehr intensiv, da war der Kontakt schon immer sehr viel enger, auch die Beziehung zärtlicher, würde ich jetzt mal sagen. Mit meinem Vater fällt mir das wahnsinnig schwer, bis jetzt noch, über solche Dinge zu sprechen. Da arbeite ich wirklich immer noch sehr, sehr hart auch an mir, selber weicher zu sein und mich mehr zu zeigen.