Bayern 2 - Zündfunk

Der letzte #failoftheweek Empört Euch weniger!

Zehn Jahre lang kommentierte Christian Schiffer jeden Freitag den Bullshit der Woche. Doch damit ist nun Schluss. Die Kolumne wird eingestellt. Gut so! Denn es wird ohnehin Zeit, sich weniger aufzuregen.

Von: Christian Schiffer

Stand: 07.07.2023

Zündfunk-Kolumnist Christian Schiffer. | Bild: Felix Hoerhager

2013 war ein Jahr, in dem es viele Gründe gab, sich aufzuregen. Die Snowden-Affäre erschütterte das Netz, die letzte Staffel von „Breaking Bad“ enttäuschte auf ganzer Linie und dann war da ja noch Kanzlerin Angela Merkel, die auf einer Pressekonferenz mit dem damaligen US-Präsidenten Barack Obama den wirklich schönen Satz sagte: „Das Internet ist für uns alle Neuland.“

Kurz zuvor hatten wir im Zündfunk beschlossen, dieses Neuland etwas auszuleuchten. Digitaler wollten wir werden, Internetthemen mehr Raum geben – und so entstand unter anderem der #failoftheweek, eine Kolumne, in der ich mich einmal in der Woche über den Bullshit der Woche aufregen durfte.

Die Welt hat genug Typen, die sich über irgendetwas aufregen

Es ist eigentlich kurios, dass man das damals für eine gute Idee gehalten hat. Heute würde man ja sagen: Wenn die Welt von etwas genug hat, dann von Typen, die sich über irgendetwas aufregen. Das Internet ist voll mit Rants, der eine regt sich über Bims auf und die andere über Bums, und alle regen sich über Leute auf, die sich wiederum selbst über etwas aufregen. Nüchtern betrachtet besteht ein beachtlicher Teil des Netzdiskurses daraus, sich darüber aufzuregen, dass Leute sich über das Falsche aufregen – oder zu wenig über das Richtige. Es ist geradezu rührend, dass wir hier im Zündfunk damals ernsthaft dachten, dass es der Welt vor allem an einem mangelt: an Empörung.

Dass der #failoftheweek dann die am längsten laufende Kolumne in der Geschichte des Zündfunks wurde, hängt auch mit dem traurigen Umstand zusammen, dass es dann doch eine ganze Menge gab, über das man sich aufregen konnte, ja sogar musste. Ereignisse wie Christchurch, Halle, Hanau waren Themen in dieser Kolumne, furchtbare Terroranschläge. Außerdem ging es hier früh um die Gefahr von Reichsbürgern und Verschwörungstheoretikern und zwar zu einer Zeit, als man diese Gruppen noch als harmlose Spinner abtat. 

Dr. Coldwell verklagte uns – wir gewannen

Aber nicht nur ich regte mich auf, andere regten sich auch über mich auf. Allen voran natürlich Dr. Coldwell, ein, sagen wir mal, „schillender“ Geschäftsmann, der laut dem Schlagerstar Michael Wendler vorhergesagt hatte, dass der größte Teil der gegen Corona geimpften Menschen im September 2021 sterben werde. Der Massen-Exitus von Corona-Geimpften blieb aus, ich machte mich darüber lustig. Dr. Coldwell klagte, wir gewannen.

Es regten sich aber nicht nur klagefreudige Impfgegner über meine Kolumne auf, sondern auch Zündfunk-Hörer*innen. Drei Themen waren es vor allem, die immer wieder böse Mails provoziert haben. Erstens: Kritik an Homöopathie. Zweitens: Kritik am bedingungslosen Grundeinkommen. Und drittens: Kritik an Putin, wobei die Anzahl kritischer Mails zu Putin-kritischen Kolumnen seit dem 24.2.2022 erheblich abgenommen hat. Ach ja, und dann gab es immer wieder Leute, die sich darüber aufregten, wenn mir im Eifer des Gefechts ein Scheiß-Kraftwort herausrutschte.

Wir brauchen mehr Gelassenheit

Das hier ist nun also die letzte #failoftheweek-Kolumne, denn sie hat sich überlebt. Wir brauchen nicht mehr Aufregung, sondern mehr Gelassenheit. In zehn Jahren dürfte ich mich schätzungsweise etwa 500-mal über irgendwas aufgeregt haben, über dumme Ideen, über das Urheberrecht, über Datenschutz, über Politiker, über Antisemitismus, über KI, über Computerspiele, über den Kapitalismus, über den Anti-Kapitalismus, über Nazis, über Mastodon, über Elon Musk und immer wieder über mich selbst.

Vor fünf Jahren habe ich mich darüber aufgeregt, dass antifaschistische Computerspiele keine Hakenkreuze enthalten dürfen. Die Kolumne trug damals dazu bei, dass diese bescheuerte Regelung heute Geschichte ist. Mancher Fail ist durch den #failoftheweek also heute kein Fail mehr. Auch deswegen ist das Ende dieser Kolumne vielleicht etwas schade, aber bestimmt kein Grund sich aufzuregen.