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Die Kühlung löst sich vom Natureis

Kühltechnik Die Kühlung löst sich vom Natureis

Stand: 23.08.2018

William Cullen (1710-1790), schottischer Mediziner und Chemiker | Bild: picture-alliance/dpa

Heute ist die künstliche Kühlung ein Teil unserer Kultur. Wir genießen gekühlte Speisen und Getränke, leben und arbeiten in klimatisierten Räumen. Kältemaschinen ermöglichen diesen Luxus. Am Anfang der Entwicklung steht eine Erkenntnis: Kälte gibt es eigentlich gar nicht, Kälte ist nur die Abwesenheit von Wärme. Wer Kälte schaffen will, muss einem Objekt oder einem Raum Wärme entziehen.

Die Basiskühltechnik ist das Verdampfen von Wasser. Wenn Wasser vom flüssigen in den gasförmigen Zustand überführt werden soll, braucht man Energie. Die Energie wird der Umgebung als Verdampfungswärme entnommen. Nach diesem Muster arbeiten die Schweißdrüsen des Menschen; sie ermöglichen es, dass die Körpertemperatur auch bei großer Hitze bei etwa 37°C stabilisiert wird.

Das Prinzip der Siedekühlung

Ein Vorreiter der Kältetechnik ist der schottische Mediziner und Chemiker William Cullen (1710-1790). Im Jahr 1755 bringt er flüssigen Ether in einem Glaskolben durch Unterdruck zum Sieden. Der Umgebung des abgeschlossenen Reaktionsgefäßes wird Wärme entzogen und als der Kolben abkühlt, gefriert das Wasser daran zu Eis. Cullens Experiment belegt die Kühlwirkung verdunstender Flüssigkeiten.

Das Prinzip der Kompressionskühlung

Wer schon einmal einen Fahrradreifen aufgepumpt hat, weiß, dass sich das Ventil beim Pumpen erwärmt. Lässt man die Luft schnell entweichen, wird das Ventil kalt. Diese Zustandsänderung wird als Kompressionskühlung bezeichnet. Soll Kühlung durch Kompression und anschließende Expansion eines Gases erreicht werden, verdichtet ein Kolben - angetrieben von Dampfmaschine oder Elektromotor - ein gasförmiges Kältemittel. Im Zuge der Kompression wird das Kältemittel warm. Im Gegenzug entzieht das Gas seiner Umgebung Wärme, wenn es wieder expandiert.

Der Arzt John Gorrie (1802-1855) realisiert die Kompressionskühlung erstmals technisch. Gorries Ziel ist es, Fieberkranken, die in Hospitälern von Hitze geplagt werden, Linderung zu verschaffen. 1851 wird Gorries Eismaschine patentiert, doch seine Erfindung erlangt noch keine wirtschaftliche Bedeutung.

Linde und die erste industrielle Kühlmaschine

Erfolg ist dagegen Carl Linde (1842-1934; 1897 geadelt); beschieden. Der junge Professor für Maschinenbau an der Polytechnischen Hochschule München veröffentlicht 1870 seine Überlegungen zum Bau von Kältemaschinen. Linde erhält viel Zuspruch von Brauereien, die sich von diesen Geräten die für den Brauprozess so wichtigen konstanten Temperaturen erhoffen.

Auf dem Gelände der Spaten-Brauerei unternimmt Linde erste Tests auf Basis der Kompressionskühlung. Kühlmittel wie Schwefeldioxid und Chlormethan lehnt Linde als zu giftig ab, er entscheidet sich für Ammoniak. Schließlich entsteht eine für Großkälteanlagen beispielgebende Kältemaschine mit liegendem, zweistufigem Ammoniak-Verdichter. Auch für die Verteilung der erzeugten Kälte findet Linde eine zuverlässige Lösung. Im Rahmen eines Auftrags für die Heineken-Brauerei in Rotterdam entwickelt er die Zirkulation von kalter Salzwassersole in einem Rohrkühlsystem ("stille Kühlung"), das an der Decke der Kühlräume angebracht ist. Lindes Maschinen arbeiten dauerhaft und sind industriell einsetzbar. Sie ermöglichen nicht nur die geregelte Kühlung von Räumen, sondern auch die Produktion von Stangeneis für Eisschränke. 1873 erhält Linde ein bayerisches Patent, sechs Jahre später wird die Firma "Gesellschaft für Linde's Eismaschinen AG" gegründet.

Das Prinzip der Absorptionskühlung

Eine Alternative zur Kompressionskühlung präsentiert der französische Ingenieur Ferdinand Carré (1824-1900). In seiner Eismaschine kommt ein Gemisch aus einem Kältemittel und einem Lösungsmittel zum Einsatz. Zunächst verwendet Carré Schwefelsäure und Wasser, dann entscheidet er sich für das Arbeitsmittelpaar Ammoniak und Wasser.

Bei Carrés Kühlmethode bedarf es keiner mechanischen Bewegung. Das zunächst flüssige Kältemittel verdampft, dann wird es als Gas vom Absorptionsmittel aufgenommen. Während dieses Prozesses kommt es zur Abkühlung. Um den Kreislauf in Gang zu halten, muss das Kältemittel wieder vom Absorptionsmittel herausgelöst werden. Dazu wird eine Wärmequelle (zum Beispiel Gasflamme) benötigt.

Wegen der geringeren Energieeffizienz kann sich die fast geräuschlose Absorptionskühlung gegenüber der Kompressionskühlung nicht durchsetzen. Heute kommt sie vor allem in Wohnwagen/Wohnmobilen (gasflammenbetriebene Kühlschränke) zum Einsatz, auch einige Großkälteanlagen arbeiten nach dem Carré-Prinzip.

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