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Seen unter den Eismassen der Antarktis

Leben unter dem Eis Seen unter den Eismassen der Antarktis

Stand: 07.06.2018

Eine Zeichnung des europäischen Satelliten ERS-1 von 1993. Der Satellit umrundet die Erde in 780 Kilometern Höhe und erforscht die Erdoberfläche mit Radarsystemen | Bild: picture-alliance/dpa

Bevor der Russe Pjotr Alexejewitsch Kropotkin (1842-1921) als Anarchist und Schriftsteller berühmt wird, ist er als Forscher aktiv. Der Sohn eines Fürsten dient in der Armee des Zaren und erkundet Sibirien. In den 1870er Jahren macht sich Kropotkin einen Namen als Geograph und Experte für Gletscher- und Seenbildung. Dass sich unter Gletschern in Kälte und tiefer Dunkelheit Seen befinden, hält er für möglich.

Kropotkins Landsmann Andrei Petrowitsch Kapiza (1931-2011) nimmt Mitte des 20. Jahrhunderts an mehreren sowjetischen Antarktisexpeditionen teil. Seismische Messungen in der Nähe der Vostok-Forschungsstation lassen ihn zu dem Schluss kommen, dass in der Ostantarktis ein großer subglazialer See verborgen liegt. Den Beweis für die Existenz dieses mysteriösen Gewässers kann Kapiza allerdings nicht erbringen.

Suche mit Flugzeug und Satellit

In den 1970er Jahren werden Flugzeuge ausgesandt, um die Antarktis aus der Luft mit Radarwellen zu untersuchen. Wissenschaftler erkennen auf den Bildern mancherorts helle, spiegelglatte Flächen. Da Radar Eis durchdringt und die Strahlen im Untergrund gut reflektiert werden, sind sich die Forscher sicher: Sie haben Seen unter dem Eis ausfindig gemacht.

Weitere Unterstützung kommt einige Jahre später vom ERS-1, dem ersten Erdbeobachtungssatelliten der europäischen Weltraumorganisation. Der European Remote Sensing Satellite erleichtert die Untersuchung topografischer Besonderheiten in der Antarktis. Dazu gehören auch die glatten, horizontalen Oberflächen einiger Gletscher. Solche Eismassen, so die Folgerung, haben es bei ihrer Bewegung nur mit geringer Reibung zu tun - also ist Wasser darunter.

Beim Vergleich der Satellitenbilder mit seismischen Aufnahmen lässt sich nun auch die Größe subglazialer Seen bestimmen. Und die Forscher machen eine weitere Entdeckung: Das Eis über manchen Seen hebt und senkt sich - ein Hinweis darauf, dass Wasser abfließt. Nun ist klar, dass es unter dem Eisschild der Antarktis sowohl isolierte Seen als auch Seenplatten und regelrechte Flusssysteme gibt, die die Gewässer miteinander verbinden.

Etwa 400 subglaziale Seen wurden bis heute in der Antarktis ausfindig gemacht, der größte ist der Lake Vostok mit einer Fläche von 15.690 Quadratkilometern.

Komm' unter meine Decke - wie subglaziale Seen entstehen

Unter einem Gletscher bildet sich Wasser, weil Umgebungswärme aus dem Erdinneren durch den Eispanzer gestaut wird. Am unteren Ende der Eisdecke, in Bodennähe, schmilzt Eis ab - allerdings nur wenige Millimeter pro Jahr. Zu einem erhöhten Wärmefluss kann es etwa kommen, wenn bei Kontinentalkrustenbewegungen Magma entsteht. Die Gesteinsschmelze drängt nach oben und sorgt für Erwärmung. So füllen sich Seen allmählich mit Süßwasser, bei einigen bricht das Wasser irgendwann aus, es gelangt in Flüsse und fließt ab.

Das Antarktisklima ist trocken-kalt, die Temperatur beträgt im Jahresmittel minus 55°C; im Sommer werden minus 35°C gemessen, den Winterrekord hält die Forschungsstation Vostok mit minus 89°C. Forscher haben bei Bohrungen festgestellt, dass die Temperatur steigt, sobald es in die Tiefe geht - pro Kilometer um 15-20°C.

Im Falle der subglazialen Seen ist der Druck der Gletscher, der auf ihnen lastet, so stark, dass der Gefrierpunkt des Wassers verschoben wird und um 0,7°C pro Kilometer Tiefe sinkt. Die Wassertemperaturen der Gewässer unter dem Eis sind vergleichsweise angenehm. Die Temperatur des im Jahr 2012/13 angebohrten Lake Whillans, der 640 Kilometer vom Südpol entfernt liegt, beträgt minus 0,49°C.

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