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Temperaturempfinden Das Thema

Stand: 20.12.2007 | Archiv

Kälte und Wärme sind nicht nur subjektive Empfindungen oder ein Messgrad für den Trainingszustand des Menschen. Für das Temperaturempfinden gibt es vor allem physiologische Gründe. Dabei beeinflussen Stoffwechsel, Blutdruck und das Gewicht – und hier besonders die Dicke der Fettschicht – von Geburt an unser Gefühl für Kälte und Wärme. Jeder Mensch besitzt außerdem eine hochsensible köpereigene Klimaanlage, ein System, das den gesamten Wärmehaushalt regelt: die Thermoregulation.

Die Thermoregulation

Sie ist die Wärmeregulation des menschlichen Körpers, damit er auf warme und kalte Umgebungsbedingungen entsprechend reagieren kann. Über 30.000 Kälte – aber nur rund 3.000 Wärmerezeptoren befinden sich auf unserer 1,8 Quadratmeter großen Hautoberfläche. Diese winzigen Sensoren, die kaum einen Quadratmillimeter groß sind, befinden sich auch in den inneren Organen und im Gehirn. Besonders dicht sind sie jedoch im Bereich des Gesichts, insbesondere um die Nase, um den Mund und auf den Lippen zu finden. Diese Thermosensoren sind mit darunter liegenden Nervenzellen verbunden, die jede noch so kleine Temperaturveränderung an das Gehirn weitergeben.

Kälte leichter erträglich als Wärme

Weil der menschliche Körper nur maximal einen Anstieg von fünf Grad Temperatur vertragen kann (ab 42 Grad gerinnt das Eiweiß im Blut), muss er sich zuerst gegen Wärme schützen. Das bedeutet: Ist die Außentemperatur zu heiß, schlagen die Wärmerezeptoren Alarm. Die Hautgefäße öffnen sich und die Durchblutung der Haut steigt an. Dadurch kann das Blut vom Körperinneren die Wärme an die Haut transportieren. Von dort wird mit Hilfe von Schweiß, der auf der Haut verdunstet, am effektivsten die Wärme abgeben und der Körper wird gekühlt.

An Kälte verträgt der Mensch um einiges mehr. Sogar noch bei einer Körperkerntemperatur von 20 Grad (die normale Köpertemperatur liegt zwischen 36 und 37 Grad Celsius) ist ein Überleben möglich. Friert ein Mensch, so schlagen die Kälterezeptoren an. Die Hautgefäße ziehen sich zusammen, und werden verengt. Es kommt zu einer sogenannten Vasokonstriktion, bei der das Blut vermehrt ins Köperinnere geleitet wird. Dort bleibt es warm und wird von dem kalten Außenbereich des Körpers regelrecht abgeschottet, um nicht noch zusätzlich an Wärme zu verlieren. Schließlich gilt es, die lebenswichtigen Organe wie Herz, Leber, Niere und Gehirn am Laufen zu halten.

Phänomen Frieren

Laut wissenschaftlichen Untersuchungen fühlt sich der nackte Mensch bei 29 bis 30 Grad am wohlsten. Sobald es kühler wird, verliert der unbekleidete Körper mehr Wärme, als er erzeugen kann. Wobei die Gradzahl abhängig ist von der Dicke des Fettpolsters des Körpers, welches als Kälteisolierung wirkt. Beginnt der Körper zu frieren, stellt sich die "Gänsehaut" ein, ein Überbleibsel aus Zeiten, als der Mensch noch ein Fell hatte, und durch das Aufstellen der Haare die Körperwärme "festgehalten" werden konnte. Wird es noch kälter, versucht der Körper durch eine erhöhte Muskelaktivität, das Zittern, Wärme zu erzeugen. Damit steigert er die Wärmeproduktion um mehr als das Doppelte! Ab da hilft nur noch Bewegung, bevor die Feinmotorik versagt, die Finger steif werden und die Kälte langsam alle Körperextremitäten – darunter auch das Gehirn - lahmlegt. Ab 34 Grad Celsius Körpertemperatur verlieren wir die Sprache, darunter wird es sogar lebensgefährlich.

Frauen frieren schneller als Männer

Dies ist kein böswilliges Gerücht, sondern wissenschaftlich erwiesen. Laut Professor Angela Schuh, Professorin für medizinische Klimatologie an der Ludwig Maximilians Universität in München, liegt das daran, dass Frauen einen angeregteren Stoffwechsel haben und dadurch auch mehr Wärme brauchen. Außerdem essen sie zurückhaltender und weniger fettreich als Männer und produzieren dadurch weniger innere Wärme. Da Frauen meist schlanker sind und eine im Verhältnis größere Hautoberfläche haben, geben sie zudem mehr Wärme ab. Aufgrund der anderen Hautstruktur im Vergleich zu den wesentlich dickhäutigeren Männern, sitzen die Thermorezeptoren bei Frauen auch dichter an der Oberfläche. Bei Kältereizen schlagen jene deshalb schneller an.

Nahrung, die wärmt

Für die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) spielt die Ernährung eine große Rolle beim Temperaturempfinden. So erklären TCM-Mediziner die Kälteempfindlichkeit bei Frauen vor allem damit, dass sie – um schlank zu werden oder zu bleiben – sich häufig von Salat, Obst und Milchprodukten ernähren. Alles Lebensmittel, die "kühlend" wirken. In diesen Fällen empfiehlt die Chinesische Medizin erwärmende Speisen und Gewürze, wie Ingwer, Pfeffer und Knoblauch.

Medizin und Temperaturempfinden

Für die Chinesische Medizin ist das Temperaturempfinden ihrer Patienten von großer Bedeutung, um die Persönlichkeit des Menschen zu erfassen. Schulmediziner sind da skeptisch. Sie beachten – solange kein weiteres Krankheitsbild vorliegt – das Kälte- und Wärmeempfinden ihrer Patienten wenig bis gar nicht. Dennoch kann übermäßiges Frieren oder Schwitzen versteckte Hinweise auf Erkrankungen geben. So auf eine Störung der Schilddrüsenfunktion, Diabetes, Hormonprobleme oder Bulimie und Magersucht.

Vererbte Kälteresistenz

Bewohner von kalten oder gar eiskalten Regionen frieren viel weniger, weil sich über viele Generationen hinweg ihr Grundstoffwechsel den äußeren Bedingungen angepasst hat. Sie können somit weit mehr Wärme selbst erzeugen, als ein Mitteleuropäer. Auch sind die Hautgefäße auf Kältereize anders und besser trainiert.

Kälteempfinden – auch eine Frage der Kleidung

Eigentlich muss niemand mehr wirklich frieren. Hightech Kleidung - von der Unterwäsche bis zum Overall – macht es möglich. Der heißeste Tipp für alle, die leicht frieren, sind aufblasbare Funktionsjacken.

Gefühlte Temperaturen?

Eine Außentemperatur von fünf Grad Celsius bei Windstille ist regelrecht warm, im Vergleich zu fünf Grad bei einer steifen Brise. Aus diesem Grund wurde bei den Wettervorhersagen neuerdings ein neuer Parameter, die "Gefühlte Temperatur" eingeführt. Sie ist abhängig von der Windgeschwindigkeit. Denn der Körper verliert mehr Wärme, je schneller sich die vorbeistreichende Luft bewegt. Durch diesen, auch "Wind-Chill" genannten Effekt können sich an unbedeckten oder schlecht geschützten Körperpartien zehn Grad in gefühlte null Grad verwandeln.

Maßnahmen gegen Kälteempfindlichkeit

Niemand muss damit leben, temperaturempfindlich zu sein. Erste Gegenmaßnahme: Bewegung an der frischen Luft, möglichst von Kindesbeinen an. Schon dadurch lassen sich die Gefäße trainieren, damit sie sich schnell genug an die Temperaturschwankungen anpassen können. Kurze, intensive Kältereize bringen zusätzlich die Gefäße in Schwung. Am Besten mit Wasser. Das hat bereits Ende des 19. Jahrhunderst schon Pfarrer Sebastian Kneipp festgestellt. Seine ausgeklügelten "Kneipp-Anwendungen" sind nicht nur Gesundheits- und Abwehrkräfte fördernd, sondern verringern auch nachweislich die Kälteempfindlichkeit. Kinder können sich einfach durch regelmäßiges, kurzzeitiges Barfußlaufen im Winter abhärten. Auch Saunagänge sind eine sinnvolle Maßnahme. Dabei ist weniger die schweißtreibende Hitze, sondern der Wechsel zum Kältereiz ausschlaggebend, der die Gefäße trainiert.


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